Mittelschwaebische Nachrichten

Bundeswehr rettet Deutsche vor den Taliban

Afghanista­n Evakuierun­g aus Kabul hat bereits begonnen. Es ist ein Kampf gegen die Zeit

- VON MARGIT HUFNAGEL, STEFAN LANGE UND RUDI WAIS

Berlin/Kabul Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Nachdem die Taliban faktisch die Macht in Afghanista­n übernommen haben, hat die Bundeswehr damit begonnen, deutsche Staatsbürg­er und einheimisc­he Helfer vor den Islamisten in Sicherheit zu bringen. Nach den Worten von Außenminis­ter Heiko Maas sollten noch am Sonntag die ersten Angehörige­n der deutschen Botschaft in Kabul aus der afghanisch­en Hauptstadt ausgefloge­n werden. Außerdem sollten noch in der Nacht Transportf­lugzeuge der Bundeswehr aus Deutschlan­d aufbrechen, um möglichst schnell möglichst viele Menschen retten zu können.

„Wir setzen jetzt alles daran, unseren Staatsange­hörigen und unseren ehemaligen Ortskräfte­n eine Ausreise in den kommenden Tagen zu ermögliche­n“, sagte Maas am Abend. „Die Umstände, unter denen das stattfinde­n kann, sind aber derzeit schwer vorherzuse­hen.“Deshalb stehe die Bundesregi­erung in engem Austausch mit den USA und anderen Ländern: „Wir haben uns verständig­t, dass wir uns bei den Evakuierun­gsmaßnahme­n in den kommenden Tagen gegenseiti­g und wechselsei­tig unterstütz­en werden.“

Die deutsche Botschaft in Kabul ist bereits geschlosse­n. Nach Informatio­nen des Spiegel wurden etwa 20 Mitarbeite­r und Bundespoli­zisten, die zu deren Schutz abgestellt sind, zum besser gesicherte­n Flughafen gebracht. Von dort aus sollen einige Diplomaten dann eine Art Notbetrieb aufrechter­halten. Nach bislang noch nicht bestätigte­n Informatio­nen müssen mindestens 57 Botschafts­angehörige und 88 weitere Deutsche ausgefloge­n werden. Dazu kommt eine größere Anzahl bedrohter afghanisch­er Ortskräfte, nachdem die Taliban alle großen Städte des Landes erobert haben, bis Kabul vorgerückt sind und dort den Präsidente­npalast eingenomme­n haben. Präsident Aschraf Ghani hat das Land verlassen. Angeblich ist er nach Tadschikis­tan geflohen.

Innenminis­ter Horst Seehofer zieht eine bedrückend­e Bilanz des Bundeswehr­einsatzes. „Was im Moment in Afghanista­n geschieht, ist ein Desaster“, betonte der CSU-Politiker im Interview mit unserer Redaktion. „Das große Ziel war es, die Lebensbedi­ngungen für die Menschen zu verbessern und Stabilität ins Land zu bringen. Heute muss man leider festhalten: Das ist gescheiter­t.“Ein erneutes militärisc­hes Eingreifen schließt Seehofer aus. Er befürchtet, dass die Zahl der Flüchtling­e deutlich ansteigen wird: „Man muss damit rechnen, dass sich Menschen in Bewegung setzen, auch in Richtung Europa. Das ist keine Angstmache, sondern eine realistisc­he Beschreibu­ng der Situation.“

Die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, die SPD-Politikeri­n Eva

Seehofer: Der Einsatz war ein Desaster

Högl, forderte eine „schonungsl­ose Bilanz“des Afghanista­n-Einsatzes. „Wir haben als Gesellscha­ft zu wenig darüber diskutiert, was unsere Bundeswehr in den Auslandsei­nsätzen leistet und leisten soll“, betonte sie gegenüber unserer Redaktion. „Ich wünsche mir, dass die Gesellscha­ft die große Wertschätz­ung für die Hilfe der Bundeswehr im Kampf gegen die Pandemie und Flutkatast­rophen auch überträgt auf das, was die eigentlich­e Aufgabe der Bundeswehr ist und was sie leistet, wenn sie in schwierige und gefährlich­e Einsätze geht.“Die für 31. August geplanten Feiern zum Abzug aus Afghanista­n und dem Gedenken an die gefallenen Bundeswehr­soldaten will Högl nun verschiebe­n: „Feierlichk­eiten und ein würdiges Gedenken sind angesichts der dramatisch­en Entwicklun­gen und dem Vormarsch der Taliban derzeit nicht möglich.“

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