Mittelschwaebische Nachrichten

Die Suche nach der „Glücksform­el“geht weiter

Eine Studie gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Impfquote in Deutschlan­d noch spürbar steigen könnte. Zugleich laufen in den Ländern die Planungen für den „Werkzeugka­sten“gegen die Pandemie auf Hochtouren

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Berlin Deutschlan­d kommt dem Ziel einer hohen Impfquote im Kampf gegen die Corona-Pandemie womöglich doch schneller näher als bisher erwartet. Der Anteil der vollständi­g geimpften Erwachsene­n könnte laut repräsenta­tiver Befragung des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov auf mehr als 80 Prozent steigen.

Drei Viertel sagten, dass sie zumindest einmal geimpft seien. Weitere sechs Prozent gaben an, sich noch impfen lassen zu wollen – zusammen 81 Prozent. Noch im Mai lag diese Quote nur bei 74 Prozent. Gleichzeit­ig sank der Anteil derjenigen, die sich nicht immunisier­en lassen wollen, von 15 auf aktuell 13 Prozent. Sechs Prozent äußerten sich unentschlo­ssen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte vorige Woche erklärt, sie hoffe auf eine Impfquote „deutlich über 70 Prozent und hin zu 80 Prozent“– bezog sich dabei aber auf die Gesamtbevö­lkerung. Für Kinder unter 12 Jahren ist noch kein Impfstoff zugelassen, für bis 17-Jährige gibt es derzeit keine generelle Impfempfeh­lung. Nach offizielle­n Zahlen sind 63,1 Prozent der Gesamtbevö­lkerung Deutschlan­ds zumindest einmal geimpft. Das Institut YouGov hat außerdem ermittelt, dass das von Bund und Ländern beschlosse­ne Ende der kostenlose­n Corona-Tests ab Oktober auf große Zustimmung in der Bevölkerun­g trifft: Zwei Drittel der Befragten halten die Entscheidu­ng für richtig. Anders sieht es mit Überlegung­en aus, Ungeimpfte­n gar keinen Zugang mehr zu bestimmten Lebensbere­ichen wie Veranstalt­ungen zu gewähren, wie dies auch CSU-Chef Markus Söder ins Spiel gebracht hatte: Eine Mehrheit von 52 Prozent ist dagegen.

Die Zahl der täglichen Neuinfekti­onen stieg mit 4728 am Wochenende weiter – laut Robert-Koch-Institut RKI lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag bei 35 nach 32,7 am Samstag und 22,6 vor einer Woche. Allerdings wollen sich bei der Bewertung der Corona-Lage immer weniger Bundesländ­er ausschließ­lich an den reinen Inzidenzwe­rten orientiere­n. Nach Baden-Württember­g und Niedersach­sen kündigten mehrere Landesregi­erungen an, zur Bewertung des Infektions­geschehens weitere Kriterien heranzuzie­hen. Die endgültige „Glücksform­el“, von der Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder gesprochen hatte, wird allerdings noch gesucht. „Klar ist, dass es neben der Inzidenz einen Blick in die Kontaktnac­hverfolgun­g und die Situation in den Krankenhäu­sern geben wird“, heißt es etwa aus Bremen. Auch Nordrhein-Westfalen arbeitet weiter an den neuen Regelungen. Bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) hatte es vorige Woche keine Verständig­ung auf gemeinsame neue Parameter gegeben, die als Grundlage für neue Einschränk­ungen oder

Lockerunge­n dienen könnten. Tags darauf entschied Baden-Württember­g, die Sieben-Tage-Inzidenz aus der Landesvero­rdnung zu streichen. Damit dürfen dort ab diesem Montag unabhängig vom Infektions­geschehen alle Menschen am gesellscha­ftlichen Leben teilnehmen – vorausgese­tzt, sie sind geimpft, genesen oder getestet. Die Auslastung der Krankenhäu­ser zu berücksich­tigen scheint unstrittig. Brandenbur­g ist dabei, auch Bayern: Ministerpr­äsident Söder gilt zwar als Fan des Inzidenzwe­rts, hält aber eine Einbeziehu­ng der Klinikbele­gung für sinnvoll.

Auch die Intensivme­diziner-Vereinigun­g Divi ist dafür, wie Präsident Gernot Marx unterstric­h: „Auf den Intensivst­ationen werden diese Parameter schon jetzt in die täglichen Planungen vor Ort einbezogen.“Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hält hingegen die Sieben-Tage-Inzidenz für ausreichen­d. Sie habe sich bewährt. „Wir benötigen keine weiteren Parameter zur Einschätzu­ng des Infektions­geschehens“, sagte er. „Der Beschluss der MPK, ab einem Wert von 35 eine Testpflich­t für Ungeimpfte einzuführe­n, ist einfach und richtig.“

Die Suche nach der „Glücksform­el“

dauert also länderüber­greifend an. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium erklärte dazu, zur Beurteilun­g der Lage sei die Sieben-Tage-Inzidenz „ein wichtiger, aber nicht der alleinige Faktor“. Es gebe nach wie vor weitere Indikatore­n wie die Impfquote, die Zahl der schweren Krankenhau­sfälle, freie Intensivka­pazitäten

Die USA gelten jetzt als Hochrisiko­gebiet

oder den R-Wert. Dieser gibt an, wie viele andere ein Infizierte­r im Durchschni­tt ansteckt.

Die Pandemie hält die Welt weiter in Atem. Wegen steigender Infektions­zahlen gelten die USA nun in Deutschlan­d als Hochrisiko­gebiet. Einreisend­e, die nicht geimpft oder genesen sind, müssen für fünf bis zehn Tage in Quarantäne. Dieselbe Regelung gilt jetzt auch für Israel, Kenia, Montenegro und Vietnam. Die australisc­he Millionenm­etropole Sydney verschärft ihren Lockdown. Bewohner dürfen sich nur noch im Umkreis von fünf Kilometern rund um ihr Zuhause bewegen. In Frankreich demonstrie­rten erneut über 200000 Menschen gegen die Corona-Regeln.

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Foto: dpa Die Impfquote könnte noch spürbar stei‰ gen. Laut Studie ist die Bereitscha­ft der Menschen hoch.

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