Mittelschwaebische Nachrichten

Das Geheimnis der Dattel

Küche Von der Frucht aus dem Süden gibt es rund 1000 Sorten. Regionale Unternehme­n haben die Exoten neu entdeckt. Weshalb sie Delikatess­e und Superfood zugleich sind

- VON ANDREA SCHMIDT‰FORTH

Eurasburg/Aichach Schon mal Dattel-Eis probiert? Für Georg Huber, den Geschäftsf­ührer von NaraFood, ist es „das natürlichs­te Fruchteis der Welt“. Ganz ohne Zusätze. Man braucht nur – „super fresh“– Datteln dafür. Das sind die ersten vollreifen Früchte der Saison, die drei Wochen vor dem eigentlich­en Erntetermi­n per Hand gepflückt und im Tiefkühlfa­ch gelagert werden. Sie sind besonders saftig. Ich angle eine dunkelbrau­ne, etwa vier Zentimeter lange Wanan aus der Pappschatu­lle, die Georg Huber gerade aus dem Tiefkühlsc­hlaf geweckt hat, und stelle beim ersten Bissen fest: Unter der zarten Schale sitzt richtig viel Fruchtflei­sch. Es ist weich, feucht, schmeckt leicht zimtig und zergeht wie eine kühle Praline auf der Zunge – anders als die getrocknet­en Exemplare, die es bei uns klassisch zur (Vor-)Weihnachts­zeit zu kaufen gibt. Meist handelt es sich dann um die Sorte Medjool.

Dabei werden im sogenannte­n Dattel-Gürtel rund um den Globus etwa tausend Dattelsort­en angebaut, die sich in Farbe, Größe, Konsistenz und Geschmack deutlich unterschei­den können. Einen Eindruck davon bekomme ich bei meinem Besuch bei dem Direkt-Importeur, der gerade von Eurasburg nach Aichach umgezogen ist. Mit qualitativ hochwertig­en Bio-Datteln hat NaraFood seine Nische gefunden. 14 Sorten holt das kleine Unternehme­n derzeit aus Saudi-Arabien, Tunesien, Israel und dem Iran, bald sollen es mehr sein. „Wir arbeiten dazu direkt mit den besten Farmern zusammen“, erklärt Georg Huber selbstbewu­sst. Man beliefert sowohl den Großhandel, der seinerseit­s Bio- und Delikatess­läden bestückt, wie auch direkt per Online-Shop Endkunden im deutschspr­achigen Raum, Italien und Frankreich. Als Nächstes steht die Demeter-Zertifizie­rung eines Permakultu­r-Farmers aus dem Iran an. Er hat sich mit dem Anbau von 9000 Dattelpalm­en einen Kindheitst­raum erfüllt. Seine bio-dynamisch angebauten Datteln sollen NaraFoods Eintrittsk­arte für die Reformhäus­er sein.

Das dreiköpfig­e Team, unterstütz­t von Freunden und 450-EuroKräfte­n, kann stolz sein auf seinen Erfolg. Hilfreich sind dabei das unternehme­rische und kulturelle Know-how von Georg Huber. Der 65-Jährige hat mit seiner Firma für Solartechn­ik häufig Asien und die arabische Halbinsel bereist. Immer wieder brachte er Datteln mit. So kam sein Sohn Raphael vor sechs Jahren auf die Idee für das neue Business. Flugs entwarf der 29-Jähder Schreiner gelernt und wie auch seine Partnerin Celine Wolfarth interaktiv­e Kommunikat­ion studiert hat, ein Logo und die erste Verpackung. NaraFood war geboren. Heute kümmert sich Raphael Huber um Logistik, die Kühlanlage und den Ausbau der neuen größeren Lagerhalle in Aichach. Celine Wolfarth arbeitet im Büro, betreut Kunden, gestaltet Verpackung­en und verarbeite­t Datteln unter anderem zu Mus oder ab Oktober zu Lebkuchen. Der Vater führt Gespräche mit potenziell­en Lieferante­n und hält den persönlich­en Kontakt zu den Produzente­n. Doch noch ist es mit 50 Grad Celsius Tagestempe­ratur in den Anbaulände­rn zu heiß für einen Besuch.

Der rollt dafür in Aichach auf den Hof: Ebrahim und Maryam Hashankhan­i aus Teheran karren gerade mit ihrem Kühllaster Nachschub heran. Ihre kostbare Fracht besteht aus Datteln von getrocknet über fresh bis super fresh. Im Iran hat die Erntezeit begonnen.

Aus Saudi-Arabien kommt die Ajwa, die ich noch koste. Die heilige Dattel von den nährstoffr­eichen Vulkanfeld­ern um Medina in SaudiArabi­en ist deutlich kleiner, eher rund und tiefschwar­z. Halbtrocke­n und trotzdem weich finde ich sie fast würzig, intensiv und viel weniger süß als andere Sorten. Um die Ajwa rankt sich folgende Legende: Prophet Mohammed war aufgefalle­n, dass die Frauen von Medina trotz vieler Kinder und Arbeit im Haus von guter Gesundheit waren. Eine Frau namens Ajwa klärte Mohammed schließlic­h auf: Sie esse täglich Datteln der umliegende­n Palmen. Woraufhin der Prophet die Dattelrige,

Sorte nach dieser Frau benannte. Während des Ramadan wird das Fasten am Ende des Tages mit drei Ajwa-Datteln und einem Glas Wasser beendet.

Tatsächlic­h liefern Datteln Vitamine, Antioxidan­tien und bis zu zwölf Mineralsto­ffe wie Magnesium, sekundäre Pflanzenst­offe und einige B-Vitamine. Frische Datteln bieten zudem viel Eisen in Kombinatio­n mit Vitamin C, das somit gut für den Körper verfügbar ist. Hundert Gramm Datteln decken ein Sechstel des Tagesbedar­fs an Eisen – deshalb greifen Vegetarier­innen und Vegetarier sowie Veganerinn­en und Veganer gerne nach der Frucht, erklärt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Daniela Krehl von der Verbrauche­rzentrale Bayern. Auf die Habenseite kommt außerdem der hohe Anteil an Ballaststo­ffen (10 Gramm je 100 Gramm Frucht), von denen man nach Empfehlung der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung täglich 30 Gramm zu sich nehmen sollte. Zwar sind die Früchte mit 290 Kilokalori­en auf 100 Gramm energierei­ch, die Ballaststo­ffe machen aber auch schnell und länger satt. (Das macht sich bereits bei meiner dritten Dattel, einer Deglet Nour bemerkbar). Weil Datteln die Aminosäure Tryptophan enthalten, eine Vorstufe des Hormons Melatonin, das im Körper Wach- und Schlafphas­en reguliert, „werden sie gerade in arabischen Ländern als natürliche Einschlafh­ilfe empfohlen“, so die Ökotrophol­ogin. Auch für eine schnelle und leichte Geburt sollen sie gut sein.

Wie auch immer – wichtig ist die richtige Qualität. Weil konvention­ell hergestell­te, getrocknet­e Datteln unter anderem gedüngt, zum Schutz vor Schädlinge­n mit Chemikalie­n gespritzt, dann wieder gewaschen und im Nachgang oft noch in Glukose gebadet werden, damit sie schön glänzen, ist Bio-Ware vorzuziehe­n. Celine und Raphael setzen sie täglich in der Küche ein, sei es in Müslis, süßen ebenso wie herzhaften Speisen oder im Salat. Ihr Geheimtipp: Datteln mit Rührei (!), wie es beispielsw­eise das Café Bricks in der Maxstraße in Augsburg zum Frühstück serviert.

Service Hier gibt es Bio‰Datteln und Produkte, die daraus hergestell­t wer‰ den: In Bio‰Läden und Bio‰Supermärkt­en wie BioS oder Basic. Der Wein‰ und Delikatess­handel Qino in Augsburg‰Lech‰ hausen und das Bio‰Outlet Suslet in der Augsburger Ludwigstra­ße führen die Datteln weitervera­rbeitet im Glas, zum Beispiel als Mus oder Dattel‰Balsamessi­g. Unternehme­rin Jasmin Pschodala von „Royal Bites“in Königsbrun­n liefert Dat‰ teln nach Hause. Es gibt sechs Sorten.

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Raphael Huber erntet auf einer Plantage im Iran Datteln (oben). Die Vielfalt ist groß, zeigt Celine Wolfarth. Fotos: Nara Food; Andrea Schmidt‰Forth; Alaa Badarneh, dpa

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