Mittelschwaebische Nachrichten
Wie aus einem 100 Jahre alten Gebäude ein Traumhaus wird
Matthias Herb und Bernadette Gerber aus Thierhaupten sanieren ein altes Bauernhaus. Nach vier Jahren Bauzeit ist ein Ende in Sicht. Wie solch eine Renovierung zu stemmen ist und wie andere Interessierte ein ähnliches Projekt angehen können
Thierhaupten Die neuen Edelstahlrohre reflektieren das wenige Licht, das über den Lichtschacht in den dunklen Heizungskeller fällt. Mit der Taschenlampe am Smartphone leuchtet Matthias Herb auf den Boden. Auf dem hellgrauen Beton sind Markierungen, die bereits erahnen lassen, wo später die Gasheizung stehen wird. Wer das sieht, denkt nicht, dass der Kellerraum schon vor knapp 100 Jahren errichtet wurde. Alles wirkt wie in einem Neubau – zumindest fast. Die Deckenhöhe ist deutlich niedriger. Wer größer als 1,75 Meter ist, zieht automatisch den Kopf ein. Statt einer geraden Decke ragt über dem Kellerraum ein Kappengewölbe. Gleichmäßig reihen sich Bogen an Bogen, die mit Eisenträgern miteinander verbunden sind.
Seit vier Jahren renoviert Herb mit seiner Partnerin Bernadette Gerber das ehemalige Bauernhaus in der Augsburger Straße in Thierhaupten im Kreis Augsburg. Michaela Herb, die Mutter von Matthias, stammt aus dem Anwesen. Nach dem Tod der Großmutter war das Haus 13 Jahre lang leer gestanden. Das soll sich nun ändern, das junge Paar bringt neues Leben auf den Hof. Spätestens im kommenden Februar will es das Haus beziehen. Je früher, desto lieber.
Fast jede freie Minute verbringt der 35-jährige Bauingenieur auf der Baustelle. In Eigenregie hat er gemeinsam mit der Familie die Umbauarbeiten in Angriff genommen. Das Dach wurde neu eingedeckt, die alten Fenster ausgetauscht, Leitungen verlegt, der komplette Keller unterfangen, das Kellergewölbe und die Fassade verputzt und frisch gestrichen. Tausende von Arbeitsstunden, Schweiß und Herzblut hat er in die Renovierung gesteckt.
Die meiste Arbeit habe der Keller gemacht, sagt Herb. „Eine Arbeit, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht“, ergänzt Gerber. Die Außenwände des gemauerten Kellers waren feucht und in einem schlechten Zustand. In Zwei-Meter-Abschnitten arbeitete sich Herb um das Haus herum. Dabei legte er die Kelleraußenwand frei, säuberte sie und festigte sie mit einer Stahlbetonwand. Über Monate hinweg war er mit der Betonumrandung beschäftigt. „Ich habe meinen betonierten Keller im Nachhinein gemacht“, sagt er heute mit einem Schmunzeln. Und auch innen mach
der Keller viel Arbeit. Die Stahlträger des Kappengewölbes waren verrostet. Er tauschte die alten gegen neue Träger aus. Kellerraum für Kellerraum.
Das exakte Alter des Bauernhauses, das im schwäbischen Landhausstil gebaut wurde, lässt sich nur schätzen. Dokumente und amtliche Urkunden aus der Bauzeit sind verschwunden. In Thierhaupten ist der Bauernhof direkt an der Kreuzung in Richtung Schule unter dem Hausnamen Goßner bekannt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde mit dem Bau begonnen, in den Jahren 1922/23 war er abgeschlossen. Zumindest haben das die Recherchen innerhalb der Familie ergeben.
Herbs Brüder wollten das Anwesen im Thierhauptener Ortskern nicht. „Bevor es keiner macht, maausgebessert che ich es“, hat er damals zu seinen Eltern gesagt. Die Lage und der Zustand haben ihn überzeugt. „So ein Haus muss man doch erhalten“, sagt er. Wenn er über die Sanierung spricht, hört man eine ordentliche Portion Idealismus heraus. Obwohl sein aktuelles Projekt noch nicht einmal ganz abgeschlossen ist, schließt er nicht aus, irgendwann wieder eine in die Jahre gekommene Immobilie zu renovieren.
Herb ist ein Macher. Theorie und Praxis liegen ihm gleichermaßen. Bereits bevor er mit dem Umbau angefangen hatte, verbrachte er viel Zeit auf dem Anwesen. Im ehemaligen Stadel hatte sich Herb eine kleine Werkstatt eingerichtet und an alten Autos geschraubt. „Nach dem Umbau wartet noch ein Projekt auf mich“, sagt er und deutet in Richte tung Werkstatt. Aber die Sanierung des 300 Quadratmeter großen Wohnhauses hat jetzt Vorrang.
Früher wurde im Speicher Getreide getrocknet, in Zukunft wird dort das Wohnzimmer sein. Herb lehnt an einem ehemaligen Kaminschacht, der kurz unter dem Dach endet. „Den brauchen wir nicht mehr“, er zeigt in den Schacht, der bis in den Keller reicht. Abgebaut wird er aber nicht, sondern als Installationsschacht umfunktioniert. Auch die Lichtschalter kommen an den ehemaligen Kamin. Das war eine von Herbs praktischen Sonntagsideen. Jeden Sonntagvormittag ist er alleine auf der Baustelle und überlegt die nächsten Schritte. „Da habe ich Zeit, um in Ruhe zu überlegen.“
Den Putz hat er bereits an dem alten Kamin sauber abgeklopft. Die roten Ziegelsteine sind jetzt freigelegt. Den Schacht will er noch mit einer Lasur versiegeln und mit einer Holzplatte verschließen. Damit wird der alte Kamin zusätzlich zum Installationsschacht auch noch ein Stehtisch. Das war ebenfalls eine Sonntagsidee. Trotz der langen Bauzeit hat Herb noch zu keiner Zeit die Geduld verloren. Das Ziel hat er fest im Blick. Er sagt: „Was ich anfange, mache ich auch fertig.“
Wer eine Bestandsimmobilie saniert, sollte auf alle Fälle ein solches Durchhaltevermögen mitbringen. Denn oft dauern Umbauarbeiten länger als ein Neubau, sagt Ingenieur Peter Andreas-Tschiesche vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu (kurz eza!). Das Zentrum ist eine Beratungsstelle zur Förderung erneuerbarer Energien und effizienter Energienutzung. Das Interesse am Sanieren alter Häuser sei groß, vor allem bei der momentanen Situation auf dem Immobilienmarkt.
Bei einer Sanierung müsse oftmals mehr gemacht werden als anfangs gedacht, erklärt der Fachmann. Deshalb kann sich die Bauzeit in die Länge ziehen. Ob ein Gebäude renoviert oder lieber einem Neubau weichen soll, sei immer eine Einzelfallentscheidung. Die persönliche Bedeutung, der Zustand und die Lage seien hier entscheidend. Der Experte für Effizienzhäuser empfiehlt daher jedem, der eine Immobilie sanieren möchte, zuvor einen individuellen Sanierungsfahrplan erstellen zu lassen. Dazu werden die notwendigen Schritte hin zum Effizienzhaus aufgelistet. Mit einem solchen Fahrplan erhöht sich nicht nur die staatliche Förderung
Sanierungsfahrplan kann helfen
um fünf Prozent, dieser hält auch fest, wie umfangreich die Arbeiten an dem Gebäude sein werden. Bereits die Erstellung des individuellen Sanierungsfahrplans durch eine geprüfte Energieberaterin oder einen geprüften Energieberater wird staatlich gefördert.
Herb hat keinen Sanierungsfahrplan erstellen lassen. Er hat ihn nicht gebraucht. Da er fast alle Arbeiten in Eigenleistung erledigt hat, hätte er keine Fördergelder beantragen können. „Eigenleistung wird nicht mehr gefördert“, bestätigt Energieexperte Andreas-Tschiesche. Aber auch ohne Sanierungsfahrplan und Förderung setzt Herb auf eine effiziente Energienutzung aus Gas, Solar und Holzofen. Der Heizungskeller ist dafür schon fast fertig.