Mittelschwaebische Nachrichten
Politik lässt Kommunen im Regen stehen
Seit Herbst vergangenen Jahres fördert der Freistaat die Anschaffung von Luftreinigern für Schulen. Die Geräte sollen ein Beitrag zum Schutz der Schüler und des Lehrpersonals vor Coronaviren sein. Nun hat sich die Lage mit dem Aufkommen der Delta-Variante grundlegend geändert. Viele befürchten eine vierte Corona-Welle pünktlich zum Schulstart im Herbst. Die Zeit drängt. Daher wurde das ursprüngliche Förderprogramm im Juli aufgestockt. Und die Forderung aus München verschärft: In Bayern sollen bis zum Schulanfang in den Klassenzimmern Luftfilteranlagen aufgestellt werden. Doch bei der Entscheidungsfindung lässt die Politik die Kommunen im Regen stehen.
Es mangelt an Information. Zum einen sind sich selbst Experten uneinig, ob die Luftfilter überhaupt im Schulalltag praktikabel einsetzbar sind. Etwa müssen die Geräte unbedingt mit regelmäßigem Stoßlüften kombiniert werden. Die Anschaffungskosten übernimmt zwar der Freistaat - nur unter gewissen Gegebenheiten - zur Hälfte. Für Wartungs- und Betriebskosten kommt die Kommune auf. Die Fragen stellen sich also durchaus: Lohnt sich eine solche Anschaffung? Ist sie langfristig finanzierbar? Oder verstaubt ein solches Gerät in ein paar Jahren im Keller?
Und zum anderen gibt es Alternativen: Lüftungsanlagen. Für diese öffnet wiederum der Bund seinen Geldbeutel und steuert - unter gewissen Auflagen - 80 Prozent der Anschaffungs- und Nebenkosten bei. Auch diese Geräte sind recht einfach in Klassenzimmern unterzubringen - bedeuten allerdings wegen baulicher Eingriffe einen zusätzlichen Planungsaufwand. Hier mangelt es an Beratung. Und, wie gesagt, die Zeit drängt. Für eine fundierte Entscheidungsfindung ist das nicht förderlich. Einige Gremien sind deshalb sogar gezwungen, eine Entscheidung frei aus dem Bauch heraus zu treffen.
Und selbst wenn diese schnell fällt, der bürokratische Aufwand ist enorm. Allein für einen Förderantrag müssen die Kommunen etwa eine Woche einplanen. Die Ausschreibung kostet weitere zwei wertvolle Wochen. Eine einfache Kopfrechnung hierzu: Selbst wenn die Entscheidung noch heute fällt, bleibt bis zum Schulbeginn gerade noch eine Woche Zeit, das entsprechende Gerät zu liefern, aufzustellen und betriebsbereit zu bekommen. Für die Anbieter ist eine Bereitstellung in solcher Dimension wegen der Kürze der Zeit nur schwer umzusetzen. Zumal es in den Lieferketten für die Komponenten hakt. Ministerpräsident Markus Söder spricht von rund 60.000 Klassenzimmern, die ausgerüstet werden sollen - hinzukommen übrigens noch 52.000 Kita-Räume.
So hilft die Politik den Kommunen jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Es bleibt ein fader Beigeschmack. Die Verantwortung wird auf die lokalen Gremien abgewälzt. Ohne Zweifel will jeder den möglichst besten Schutz für die Schüler und das Personal gewährleisten. Doch es reicht nicht, 190 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen und den Rest den Kommunen zu überlassen. Sinnvoller wären ganz konkrete Vorschläge oder gar Vorgaben gewesen. Doch dafür ist es jetzt zu spät.