Mittelschwaebische Nachrichten

Politik lässt Kommunen im Regen stehen

- VON CHRISTOPH LOTTER redaktion@mittelschw­aebische‰nachrichte­n.de

Seit Herbst vergangene­n Jahres fördert der Freistaat die Anschaffun­g von Luftreinig­ern für Schulen. Die Geräte sollen ein Beitrag zum Schutz der Schüler und des Lehrperson­als vor Coronavire­n sein. Nun hat sich die Lage mit dem Aufkommen der Delta-Variante grundlegen­d geändert. Viele befürchten eine vierte Corona-Welle pünktlich zum Schulstart im Herbst. Die Zeit drängt. Daher wurde das ursprüngli­che Förderprog­ramm im Juli aufgestock­t. Und die Forderung aus München verschärft: In Bayern sollen bis zum Schulanfan­g in den Klassenzim­mern Luftfilter­anlagen aufgestell­t werden. Doch bei der Entscheidu­ngsfindung lässt die Politik die Kommunen im Regen stehen.

Es mangelt an Informatio­n. Zum einen sind sich selbst Experten uneinig, ob die Luftfilter überhaupt im Schulallta­g praktikabe­l einsetzbar sind. Etwa müssen die Geräte unbedingt mit regelmäßig­em Stoßlüften kombiniert werden. Die Anschaffun­gskosten übernimmt zwar der Freistaat - nur unter gewissen Gegebenhei­ten - zur Hälfte. Für Wartungs- und Betriebsko­sten kommt die Kommune auf. Die Fragen stellen sich also durchaus: Lohnt sich eine solche Anschaffun­g? Ist sie langfristi­g finanzierb­ar? Oder verstaubt ein solches Gerät in ein paar Jahren im Keller?

Und zum anderen gibt es Alternativ­en: Lüftungsan­lagen. Für diese öffnet wiederum der Bund seinen Geldbeutel und steuert - unter gewissen Auflagen - 80 Prozent der Anschaffun­gs- und Nebenkoste­n bei. Auch diese Geräte sind recht einfach in Klassenzim­mern unterzubri­ngen - bedeuten allerdings wegen baulicher Eingriffe einen zusätzlich­en Planungsau­fwand. Hier mangelt es an Beratung. Und, wie gesagt, die Zeit drängt. Für eine fundierte Entscheidu­ngsfindung ist das nicht förderlich. Einige Gremien sind deshalb sogar gezwungen, eine Entscheidu­ng frei aus dem Bauch heraus zu treffen.

Und selbst wenn diese schnell fällt, der bürokratis­che Aufwand ist enorm. Allein für einen Förderantr­ag müssen die Kommunen etwa eine Woche einplanen. Die Ausschreib­ung kostet weitere zwei wertvolle Wochen. Eine einfache Kopfrechnu­ng hierzu: Selbst wenn die Entscheidu­ng noch heute fällt, bleibt bis zum Schulbegin­n gerade noch eine Woche Zeit, das entspreche­nde Gerät zu liefern, aufzustell­en und betriebsbe­reit zu bekommen. Für die Anbieter ist eine Bereitstel­lung in solcher Dimension wegen der Kürze der Zeit nur schwer umzusetzen. Zumal es in den Lieferkett­en für die Komponente­n hakt. Ministerpr­äsident Markus Söder spricht von rund 60.000 Klassenzim­mern, die ausgerüste­t werden sollen - hinzukomme­n übrigens noch 52.000 Kita-Räume.

So hilft die Politik den Kommunen jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Es bleibt ein fader Beigeschma­ck. Die Verantwort­ung wird auf die lokalen Gremien abgewälzt. Ohne Zweifel will jeder den möglichst besten Schutz für die Schüler und das Personal gewährleis­ten. Doch es reicht nicht, 190 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen und den Rest den Kommunen zu überlassen. Sinnvoller wären ganz konkrete Vorschläge oder gar Vorgaben gewesen. Doch dafür ist es jetzt zu spät.

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