Mittelschwaebische Nachrichten
Mann rast über Verkehrsinsel und flüchtet
Nach einem riskanten Überholmanöver in Thannhausen gibt es bei der Verhandlung am Amtsgericht Günzburg widersprüchliche Aussagen. Warum der Richter nicht allen Zeugen glaubt
Günzburg Das hätte übel ausgehen können. So wie es in der Anklageschrift hieß, hatte ein zur Tatzeit 32-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg im Februar dieses Jahres in Thannhausen mit seinem BMW unter grober Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt im Straßenverkehr mit circa 100 Stundenkilometern einen Wagen der Marke Seat überholt. Dies hatte zur Folge, dass es ihm nicht mehr gelang, vor diesem einzuscheren und er eine Verkehrsinsel samt Verkehrsschild überfuhr, wobei sein Auto sogar kurzfristig abhob. Trotz des entstandenen Schadens entfernte er sich etwa 800 Meter von der Unfallstelle, seine Beifahrerin hatte sich später als Fahrerin ausgegeben und behauptet, ein anderes Fahrzeug hätte ihr die Vorfahrt genommen und sei dann geflüchtet. Das wurde nun zum Fall für die Justiz.
Der Vorfall wurde am Günzburger Amtsgericht verhandelt. Wie hatte sich dieser tatsächlich ereignet und wie schnell war der Angeklagte in seinem BMW wirklich unterwegs? Für Richter Martin Kramer war das zunächst unverständlich: Man brauche zum Überholen eine vollständig einsehbare Strecke. Wie könne man dabei eine Verkehrsinsel mit Verkehrsschild übersehen?
Er habe gedacht, er sei bereits außerorts und habe den vor ihm fahrenden Seat mit etwa 60 oder 65 Stundenkilometern überholt, erklärte der Angeklagte, dem vorläufig seine Fahrerlaubnis entzogen worden war. „Dann war das Verkehrsschild da und ich bin unter Schock weitergefahren. Es tut mir leid, ich habe die Verkehrsinsel nicht gesehen.“Sein Verteidiger fügte hinzu: Er sei in dieser Situativöllig überfordert gewesen und habe nicht mehr gewusst, wo ihm der Kopf stehe.
Er habe sich kurzfristig dazu entschlossen, die Verkehrsinsel zu überfahren, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Das ließ Richter Kramer nicht ganz gelten. Man könne momentan überfordert sein und weiterfahren. Wenn man nach ungefähr einem Kilometer dann aber auf die Räuberpistole und der Polizei eine völlig falsche Geschichte erzähle, sei die Überforderungssituation eigentlich vorbei. Dass die Beifahrerin allein aufgrund ihres Schocks zu einer falschen Aussage gekommen sei, um den Fahrer zu schützen, wollte Kramer ebenfalls nicht glauben.
Es sei alles so schnell gegangen, sie habe das Fahrzeug erst gesehen, als es schon vorbei war, erklärte die aus dem südlichen Landkreis stamon mende Seat-Fahrerin. Sie erinnere sich an umherfliegende Fahrzeugteile und habe stark gebremst, damit es nicht zu irgendeinem Unfall komme. Sie selbst sei mit 50 Stundenkilometern gefahren, der BMW aber sei mit wesentlich höherer Geschwindigkeit unterwegs gewesen. In diesem Punkt widersprachen sich jedoch die Zeugenaussagen, die von etwa 70 Stundenkilometern bis zu 200 reichten. Auch hinsichtlich eikomme nes Schockzustands des Angeklagten stimmten die Aussagen nicht überein: Um einen Unfall mit dem über die Verkehrsinsel schleudernden Wagen zu vermeiden, sei er an die Seite gefahren, sagte der Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeugs. Der Fahrer habe ihm dabei voller Panik in die Augen gesehen. Seine Beifahrerin dagegen sprach anders: „Er hatte ein Lächeln auf dem Gesicht und hat sich amüsiert.“Dass es sich dabei um eine männliche Person handelte, bestätigten beide. „Der Angeklagte hat sich bewusst verkehrswidrig verhalten“, sagte die Staatsanwältin. Es sei nur vom Zufall abhängig gewesen, dass es nicht zu irgendeiner Kollision gekommen sei. Zu seinen Gunsten spreche sein Geständnis, dass er strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei und dass er den Schaden am Verkehrsschild beglichen habe. Sein Verteidiger berief sich auf die unterschiedlichen Zeugenaussagen, vor allem hinsichtlich der Geschwindigkeit, und dass der Tatbestand einer Straßenverkehrsgefährdung nicht gegeben sei.
Richter Martin Kramer folgte dem nicht: An diesem Überholvorgang sei alles falsch gewesen, was man habe falsch machen können. Das sei eine Kombination aus Fehlern in Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen, welches nicht auf ein Augenblickversagen, sondern auf schnelleres Fortkommen zurückzuführen sei. Es sei pures Glück gewesen, dass nicht mehr passiert sei. Zudem habe sich der Angeklagte nicht als Unfallverursacher zu erkennen gegeben, sein Handeln sei keine Kurzschlussreaktion. Das Urteil lautete auf 90 Tagessätze zu 63 Euro, der Führerschein des Angeklagten wird für zehn weitere Monate einbehalten.