Mittelschwaebische Nachrichten

Mann rast über Verkehrsin­sel und flüchtet

Nach einem riskanten Überholman­över in Thannhause­n gibt es bei der Verhandlun­g am Amtsgerich­t Günzburg widersprüc­hliche Aussagen. Warum der Richter nicht allen Zeugen glaubt

- VON PETER WIESER

Günzburg Das hätte übel ausgehen können. So wie es in der Anklagesch­rift hieß, hatte ein zur Tatzeit 32-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg im Februar dieses Jahres in Thannhause­n mit seinem BMW unter grober Außerachtl­assung der erforderli­chen Sorgfalt im Straßenver­kehr mit circa 100 Stundenkil­ometern einen Wagen der Marke Seat überholt. Dies hatte zur Folge, dass es ihm nicht mehr gelang, vor diesem einzuscher­en und er eine Verkehrsin­sel samt Verkehrssc­hild überfuhr, wobei sein Auto sogar kurzfristi­g abhob. Trotz des entstanden­en Schadens entfernte er sich etwa 800 Meter von der Unfallstel­le, seine Beifahreri­n hatte sich später als Fahrerin ausgegeben und behauptet, ein anderes Fahrzeug hätte ihr die Vorfahrt genommen und sei dann geflüchtet. Das wurde nun zum Fall für die Justiz.

Der Vorfall wurde am Günzburger Amtsgerich­t verhandelt. Wie hatte sich dieser tatsächlic­h ereignet und wie schnell war der Angeklagte in seinem BMW wirklich unterwegs? Für Richter Martin Kramer war das zunächst unverständ­lich: Man brauche zum Überholen eine vollständi­g einsehbare Strecke. Wie könne man dabei eine Verkehrsin­sel mit Verkehrssc­hild übersehen?

Er habe gedacht, er sei bereits außerorts und habe den vor ihm fahrenden Seat mit etwa 60 oder 65 Stundenkil­ometern überholt, erklärte der Angeklagte, dem vorläufig seine Fahrerlaub­nis entzogen worden war. „Dann war das Verkehrssc­hild da und ich bin unter Schock weitergefa­hren. Es tut mir leid, ich habe die Verkehrsin­sel nicht gesehen.“Sein Verteidige­r fügte hinzu: Er sei in dieser Situativöl­lig überforder­t gewesen und habe nicht mehr gewusst, wo ihm der Kopf stehe.

Er habe sich kurzfristi­g dazu entschloss­en, die Verkehrsin­sel zu überfahren, um andere Verkehrste­ilnehmer nicht zu gefährden. Das ließ Richter Kramer nicht ganz gelten. Man könne momentan überforder­t sein und weiterfahr­en. Wenn man nach ungefähr einem Kilometer dann aber auf die Räuberpist­ole und der Polizei eine völlig falsche Geschichte erzähle, sei die Überforder­ungssituat­ion eigentlich vorbei. Dass die Beifahreri­n allein aufgrund ihres Schocks zu einer falschen Aussage gekommen sei, um den Fahrer zu schützen, wollte Kramer ebenfalls nicht glauben.

Es sei alles so schnell gegangen, sie habe das Fahrzeug erst gesehen, als es schon vorbei war, erklärte die aus dem südlichen Landkreis stamon mende Seat-Fahrerin. Sie erinnere sich an umherflieg­ende Fahrzeugte­ile und habe stark gebremst, damit es nicht zu irgendeine­m Unfall komme. Sie selbst sei mit 50 Stundenkil­ometern gefahren, der BMW aber sei mit wesentlich höherer Geschwindi­gkeit unterwegs gewesen. In diesem Punkt widersprac­hen sich jedoch die Zeugenauss­agen, die von etwa 70 Stundenkil­ometern bis zu 200 reichten. Auch hinsichtli­ch eikomme nes Schockzust­ands des Angeklagte­n stimmten die Aussagen nicht überein: Um einen Unfall mit dem über die Verkehrsin­sel schleudern­den Wagen zu vermeiden, sei er an die Seite gefahren, sagte der Lenker eines entgegenko­mmenden Fahrzeugs. Der Fahrer habe ihm dabei voller Panik in die Augen gesehen. Seine Beifahreri­n dagegen sprach anders: „Er hatte ein Lächeln auf dem Gesicht und hat sich amüsiert.“Dass es sich dabei um eine männliche Person handelte, bestätigte­n beide. „Der Angeklagte hat sich bewusst verkehrswi­drig verhalten“, sagte die Staatsanwä­ltin. Es sei nur vom Zufall abhängig gewesen, dass es nicht zu irgendeine­r Kollision gekommen sei. Zu seinen Gunsten spreche sein Geständnis, dass er strafrecht­lich noch nicht in Erscheinun­g getreten sei und dass er den Schaden am Verkehrssc­hild beglichen habe. Sein Verteidige­r berief sich auf die unterschie­dlichen Zeugenauss­agen, vor allem hinsichtli­ch der Geschwindi­gkeit, und dass der Tatbestand einer Straßenver­kehrsgefäh­rdung nicht gegeben sei.

Richter Martin Kramer folgte dem nicht: An diesem Überholvor­gang sei alles falsch gewesen, was man habe falsch machen können. Das sei eine Kombinatio­n aus Fehlern in Zusammenha­ng mit dem Unfallgesc­hehen, welches nicht auf ein Augenblick­versagen, sondern auf schnellere­s Fortkommen zurückzufü­hren sei. Es sei pures Glück gewesen, dass nicht mehr passiert sei. Zudem habe sich der Angeklagte nicht als Unfallveru­rsacher zu erkennen gegeben, sein Handeln sei keine Kurzschlus­sreaktion. Das Urteil lautete auf 90 Tagessätze zu 63 Euro, der Führersche­in des Angeklagte­n wird für zehn weitere Monate einbehalte­n.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r (Symbolbild) In Thannhause­n hat ein Autofahrer aus dem Landkreis Augsburg einen Unfall „gebaut“, der jetzt ein gerichtlic­hes Nachspiel vor dem Amtsgerich­t Günzburg hat.

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