Mittelschwaebische Nachrichten
Einmal Moskau und zurück
Was man in 24 Stunden nicht alles machen könnte. Sinnvolles sogar. Schlafen, natürlich. Oder Dauerbügeln, das Haus komplett säubern, Serien bei Netflix schauen oder mit dem Auto nach Moskau fahren. Von Augsburg aus sind es auf dem Landweg gut 2300 Kilometer bis in die russische Hauptstadt. Routenplaner sehen knapp 24 Stunden für diese Strecke vor. Bei normaler Fahrt, klingt nach einem Abenteuer. Wer aber ein angemessen schnelles Auto und eine freie Strecke hat, schafft in 24 Stunden sogar mehr als 5000 Kilometer. Also nicht nur nach Moskau, sondern auch gleich noch zurück. Den Beweis treten jedes Jahr die schnellsten Fahrer bei den 24 Stunden von Le Mans an. Im vergangenen Jahr schaffte der siegreiche Toyota 387 Runden. Eine Runde ist gut 13 Kilometer lang. Macht in der Summe also eine ganz ordentliche Strecke.
Wer aber kommt auf die Idee, 24 Stunden am Stück Auto zu fahren? Gut, nun muss zur Beruhigung aller Gewerkschafter oder Sicherheitsbeauftragter vermerkt werden, dass natürlich nicht ein Rennfahrer oder eine Rennfahrerin alleine diese 24 Stunden hinter dem Lenkrad sitzt. Es wird sich brav abgewechselt. Soll ja keiner wegen der Überschreitung der Lenkzeiten Ärger bekommen. Drei Piloten oder Pilotinnen sind einem Auto zugeteilt. Der Fahrertausch ist immer einer der aufregendsten Momente im Rennen. Neben Nachtanken, Reifenwechsel und notwendiger Reparaturen wird auch das Cockpit neu besetzt.
Wer nicht fährt, soll schlafen. Leicht ist das bei all dem Trubel nicht. Auch wenn die Teams ihren Fahrern und Fahrerinnen nette Schlafkojen zur Verfügung stellen. Das Adrenalin aber ist hoch, der Lärmpegel sowieso, auch wenn in diesem Jahr wegen der CoronaPandemie nur 50 000 Zuschauer an der Strecke sind. Zu normalen Zeiten strömen 250 000 Fans nach Le Mans. Viele Briten oder Holländer, gerne aber auch Deutsche. Die waren vor allem da, als noch Audi oder Porsche den Gesamtsieg holte. Die beiden Hersteller aber haben sich vorerst anderen Projekten zugewandt.
Das Rennen ist ein Ereignis. Es fordert Material und Maschine. Die Strecke führt teilweise über Landstraßen, die außerhalb der 24 Stunden noch im normalen Gebrauch sind. Die Scheinwerfer fressen sich durch die Dunkelheit, die Bremsscheiben glühen in der Nacht. Le Mans ist ein Spektakel. Aber auch ein sinnvolles? Rennfahren hat ohnehin nicht den besten Ruf. Aber dann auch noch 24 Stunden lang? Und am Ende da ankommen, wo man einen ganzen Tag vorher losgefahren ist. Da erscheint doch eine Fahrt nach Moskau durchaus sinnvoller.