Mittelschwaebische Nachrichten
Hier werden Träume für Weltenbummler wahr
Der 33-jährige Immanuel Braml hat den Bootsbau von der Pike auf gelernt. Welche ungewöhnlichen Dinge in der Halle in seinem Garten entstehen
Ursberg Ein paar Restarbeiten noch, dann ist es fertig: ein geländegängiges Expeditionsmobil mit 370 Pferdestärken. Während das Lkw-Fahrgestell von der Stange ist, gibt es den Kofferaufbau so nur einmal, entstanden in der Werkstatt von Immanuel Braml im Ursberger Ortsteil Bayersried. Rund eineinhalb Jahre hat der 33-Jährige mit seinem EinMann-Unternehmen daran gearbeitet. Zum Portfolio von Braml gehören auch Kleinsthäuser, sogenannte Tiny Houses, und der Bootsbau. Denn den hat er von der Pike auf gelernt. Der Auftraggeber für das geländegängige Expeditionsmobil, Unternehmer Hermann Heimkreiter aus Bad Tölz, möchte damit auf Weltreise gehen. Damit dabei nichts schiefgeht, wurde an alles gedacht: Große Trinkwassertanks, eine Heckgarage mit Hebebühne, ein Induktionskochfeld und ein Gasherd und natürlich WLAN sind nur einige der „Features“, die Immanuel Braml eingebaut hat.
„Natürlich wäre auch noch Platz für mehr Spielereien“, sagt Heimkreiter, der selbst Inhaber einer Firma für die Planung von Expeditionsmobilen ist und der das Fahrzeug auch als Vorführwagen nutzt. Aber ihm gehe es eher um die Funktionalität. Wobei die handgemachten mexikanischen Fliesen in der Küche und im Bad wohl eher doch eine kleine Spielerei sind und dem Betrachter beim Betreten des Innenraums als Erstes ins Auge fallen.
Aber zurück zur Funktionalität: Dazu zählt auch das Hubdach, mit der die Raumhöhe variiert werden kann. Auf Knopfdruck hebt sich der Kofferaufbau mit leisem Summen und gibt den Schlafbereich in der zweiten Ebene frei. Diese Anforderung hat Konstrukteur Braml einiges abverlangt. „Das hat mich am Anfang schon vor ein paar Herausforderungen gestellt“, lacht er. Mit viel Tüftelei ist es ihm schließlich gelungen, den flexiblen Aufbau dicht zu bringen und sowohl Wärme als auch Kälte draußen zu halten, sehr zur Freude von Heimkreiter, der begeistert ist von einem „irren Raumgefühl“. Für Herausforderungen dieser Art war Immanuel Braml schon immer zu haben. „Das hat eigentlich schon in meinem Kinderzimmer begonnen“, erinnert er sich. Dort sammelt er mit Legotechnik die ersten Erfahrungen als „Konstrukteur“. „Meistens habe ich ein Modell aber nur einmal nach Plan gebaut. Danach hatte ich entweder den Plan im Kopf oder ich habe etwas Eigenes entwickelt“, sagt er. Immer unter der Voraussetzung, dass es Sinn macht und ihn interessiert. Das hätte beinahe auch dazu geführt, dass Braml als junger Gymnasiast die Schule zugunsten einer Schreinerlehre abbrechen wollte. „Nach der zehnten Klasse war bei mir die Luft raus. Das Auswendiglernen und die fehlende Praxis haben mir nicht mehr getaugt“, erinnert er sich. Weil aus der bereits zugesagten Lehrstelle kurzfristig leider nichts wurde, konzentrierte er sich auf die Fächer, die ihm Spaß machten. „Alles, was mit Technik, Bewegung oder draußen sein zu tun hatte, das war einfach meines.“
Nach dem Abitur und seinem Zivildienst beim Rettungsdienst beginnt er ein Studium der Forstwissenschaften in Freising. „Die ersten beiden Semester war ich ziemlich motiviert, aber im dritten Semester habe ich mich immer öfter gefragt, was ich hier eigentlich mache.“
Ein Schlüsselmoment führt schließlich zum Studienabbruch: „Meine Frau und ich hatten Besuch aus Neuseeland. Und als es darum ging, entweder mit unseren Gästen aufs Oktoberfest zu gehen oder für die Prüfung zu lernen, da ist mir bewusst geworden, dass ich kein Forstwissenschaftler werden möchte.“Durch einen Zufall lernt er auf einer Messe in Friedrichshafen einen Schiffsbauer aus Köln kennen, der ihn vom Fleck weg einstellen wollte. „Das hat mich beeindruckt, aber das Rheinland war mir zu weit weg.“Deshalb beginnt er in Bernried am Starnberger See eine Ausbildung zum Bootsbauer. Mit Bravour und in Rekordzeit von gut zwei Jahren schließt er diese ab. So muss er erneut auf Stellensuche gehen und landet schließlich bei einem Flugzeugbauer. „Schiffe und Flugzeuge aus Faserverbundwerkstoffen haben konstruktionstechnisch recht viel gemeinsam, deshalb hatte ich mit meiner Initiativbewerbung Erfolg“, sagt er. Letztendlich sind es dann aber keine „Luftschiffe“, die er baut. Die Firma möchte ihr Standbein erweitern und vertraut Braml ein Pilotprojekt an: Den Bau eines Kofferaufbaus auf einem LkwFahrgestell, das als Expeditionsmobil zum Einsatz kommen soll. „Diese Arbeit hat mich fasziniert, weil ich alle meine Fähigkeiten einsetzen konnte und mich richtig hineindenken musste.“In akribischer Detailarbeit plant, entwickelt und baut er ein Fahrzeug, das den höchsten Ansprüchen genügt. Aber wieder hat er kein Glück: Nach der erfolgreichen Fertigstellung des Projekts verlässt der zuständige Geschäftsführer die Firma, die Sparte wird eingestellt. Mit einem Meisterbrief als Bootsund Schiffbauer in der Tasche kündigt Braml auf eigenen Wunsch und widmet sich einem privaten Projekt: dem Bau seines Einfamilienhauses für sich, seine Frau Anna und seine mittlerweile drei Kinder. Auch in dieses Projekt steckt er sein ganzes Können und tüftelt so lange, bis das Holzhaus in Lehm-Strohbauweise nach knapp einem Jahr bezugsfertig ist. Beruflich sammelt er danach weitere Erfahrungen im Wohnmobilund Holzbau. „Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass ich was Eigenes machen möchte.“Und hier kommt wieder Hermann Heimkreiter ins Spiel. Auf einer seiner Reisen sieht dieser am Yellowstone Nationalpark in den USA das Expeditionsmobil, das Braml wenige Monate zuvor gebaut hat und ist fasziniert davon. „Und dann habe ich einen Anruf aus Übersee erhalten, und Hermann hat mich gefragt, ob ich ihm auch so etwas bauen kann“, erinnert sich Braml. Er überlegt nicht lange und sagt Heimkreiter zu. „Ich habe ihm allerdings auch gesagt, dass ich erst mal ein Jahr Zeit brauche, um eine Firma zu gründen und eine Halle zu bauen.“Die entsteht schließlich im eigenen Garten, natürlich selbst gebaut, was sonst. Und seit Dezember 2019 werkelt Braml nun an Heimkreiters Lkw. Allerdings nur noch wenige Tage, dann wird er die Zündschlüssel endgültig an seinen Kunden übergeben. Zeit für etwas Wehmut bleibt kaum. In wenigen Wochen wird ein neues Lkw-Fahrgestell in seiner Halle stehen - bereit für den Ausbau zum ganz individuellen Expeditionsmobil. Sein Portfolio umfasst allerdings auch Kleinsthäuser, sogenannte Tiny-Houses und natürlich den Bootsbau, den er von der Pike auf gelernt hat. Grundsätzlich ist der talentierte Handwerker allerdings für die Wünsche seiner Kunden offen, „vorausgesetzt, es interessiert mich“, lacht er.