Mittelschwaebische Nachrichten

Die Mutmacher auf zwei Rädern

Was die „Regenbogen­fahrer“jungen Krebspatie­nten und -patientinn­en zeigen wollen. Und warum Teilnehmer und Teilnehmer­innen der Radtour, wie der Krumbacher Michael Rossdal, wissen, wovon sie sprechen

- VON CLAUDIA JAHN

Günzburg Freudig strahlende Gesichter, fröhliches Lachen, erwartungs­frohe Erregung – das sind ganz gewohnte Eindrücke beim Besuch des Legolands – jene quirlige Mischung von Klein und Groß und auch die Vielfalt an Sprachen, die auf die Herkunft der Besucherin­nen und Besucher aus den unterschie­dlichsten Ländern schließen lässt. Diese Mannigfalt­igkeit der Eindrücke wurde am vergangene­n Samstag durch eine Gruppe junger Menschen mit leuchtende­n Augen verstärkt, die mit ihren in Regenbogen­farben gehaltenen Sporttriko­ts den Park bevölkerte.

Die so froh gestimmten Frauen und Männer freuten sich ungemein über die Einladung des Freizeitpa­rks, dort ihre Mittagspau­se zu verbringen. Ihre große innere Freude, die förmlich spürbar war, basiert jedoch auf der Tatsache, dass sie es geschafft haben: geschafft, eine schrecklic­he Krankheit zu überwinden; geschafft, den Weg in ein für die meisten von uns so selbstvers­tändliches gesundes Leben zurückzufi­nden; geschafft, wieder sportlich aktiv zu sein und eine Radtour über Hunderte von Kilometern quer durch die deutschen Regionen unternehme­n zu können.

Sie alle hatten in frühen Kindertage­n die furchtbare Diagnose Krebs erhalten und über Wochen und Monate hinweg im Krankenhau­s verbracht, wurden operiert, teilweise mehrfach, erhielten Chemothera­pie und Bestrahlun­gen und hatten das große Glück, wieder gesund zu werden. Dass ihnen das Leben zum zweiten Mal geschenkt wurde, verdanken sie natürlich einer chirurgisc­hen Präzisions­arbeit mit einer perfekt abgestimmt­en Weiterbeha­ndlung. Von immenser Bedeutung ist jedoch auch die psychologi­sche Betreuung während der Therapie und auch im Anschluss an die schulmediz­inische Behandlung.

Deutsche Kinderkreb­sstiftung hat hierzu ein breit gefächerte­s Programm geschaffen, um den ehemaligen Patienten und Patientinn­en Wege aufzuzeige­n, eigene Stärken zu aktivieren, die Erlebnisse zu verarbeite­n und zurück zu einem weitgehend normalen Leben zu finden. Dieses Angebot, das sich an die Erkrankten und an die betroffene­n Familien richtet, wird von einem Team aus Ärzten, Psychologi­nnen und Therapeute­n geleitet, die dabei durch eine ganzheitli­che, individuel­le Behandlung­sphilosoph­ie helfen, die körperlich­en und psychosozi­alen Spätfolgen der Krankheit zu überwinden und die Lebensqual­ität zu steigern.

Ein wichtiger Bestandtei­l des Betreuungs­angebotes ist die seit 1993 stattfinde­nde Regenbogen­fahrt. Junge Erwachsene, die selbst die Schrecken der Krankheit erlebt haben und jetzt mit beiden Beinen gesund im Leben stehen, organisier­en die Fahrradtou­r als Zeichen dafür, dass die Diagnose Krebs nicht das Ende bedeutet. Alljährlic­h Ende August radeln sie mehrere Hundert Kilometer durch einen Teil Deutschlan­ds: von einem Krankenhau­s mit einer Kinderkreb­sstation zum anderen und besuchen dort die kranken Kinder und ihre Familien, um ein Zeichen zu setzen, dass es sich lohnt zu kämpfen für ein Leben nach der Krankheit.

„Weißt Du, heute kann ich jam‰ mern über meinen Muskelkate­r vom Fahrradfah­ren – vor vielen Jahren hatte ich dieselben großen Sorgen wie Du.“Die 30-jährige Pia aus Bonn, die selbst als Teenager das ganze Programm der Krebsbehan­dlung über sich ergehen lassen musste, empfindet es als großes Geschenk, so einen Satz sagen zu können, und hofft genauso wie Maja, damit den kranken Kindern Mut zu machen. Maja, 28, die als Zwölfjähri­ge an Krebs erkrankte, erinnert daran, wie schön es war, nach dem langen Krankenhau­saufenthal­t wieder ganz normal zur Schule gehen zu dürfen und sich mit Klassenkam­eraden und Freundinne­n zu treffen. Das Erzählen des selbst Erlebten Betroffene­r gibt den Kindern ein hoffnungsv­olles Beispiel und führt das Ziel vor Augen, es auch schaffen zu können. Für Patrick, 31, der als Sechsjähri­ger ein halbes Jahr im Krankenhau­s verbrachte, ist die Lebensfreu­de eine coole Botschaft, die die Radler und Radlerinne­n mit sich im Gepäck führen und den heute im Krankenhau­s liegenden Kindern als Geschenk mitbringen möchten.

Für die Teilnehmer und Teilnehmer­innen der diesjährig­en Tour war es eine große Überraschu­ng, dass für die Mittagspau­se der von Ulm nach Augsburg führenden Etappe am Samstag nicht wie sonst üblich eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g auf der Strecke angesteuer­t, sondern die Abzweigung zum Legoland genommen wurde.

Der Vorschlag hierfür kam von Michael Rossdal aus Krumbach, selbst Betroffene­r und langjährig­er Teilnehmer an der Regenbogen­Die fahrt. Als er erfuhr, dass die diesjährig­e Strecke durch Schwaben geplant wird, war es ihm ein Anliegen, seinen Mitradlern und -radlerinne­n den Freizeitpa­rk als Zwischenzi­el zu ermögliche­n. Eine Anfrage beim Charity-Beauftragt­en von Legoland Deutschlan­d, Christian Sickert, stieß sofort auf offene Ohren. Legoland unterstütz­t seit Jahren im Rahmen der weltweiten Kinderhilf­sorganisat­ion „Merlin Magic Wand“Kinder, die mit schweren Krankheite­n oder Behinderun­gen konfrontie­rt sind. Ein überaus herzlicher Empfang vor den Toren des Parks war der Auftakt zu dieser so ganz besonderen Mittagspau­se. Damit nicht zu viel Zeit beim Essen verloren geht, warteten liebevoll zubereitet­e Lunchboxen und eine Auswahl an Getränken auf die Radler und Radlerinne­n, die diese dann bequem während des Aufenthalt­s im Park verzehrten. Mit einem großen Sonderappl­aus für Initiator Rossdal und die Gastgeber vom Legoland bedankten sich die Tourteilne­hmer für die außergewöh­nliche Pause.

Dem 33 Jahre alten Michael Rossdal, der als Kleinkind zwei Mal schwer an einem Gehirntumo­r erkrankt war, ist es ein großes Anliegen, die vielfältig­en Möglichkei­ten der Krebsnachs­orge einer möglichst breiten Öffentlich­keit zur Kenntnis zu bringen. Er selbst war sich über die Bedeutung des Austauschs mit anderen Betroffene­n lange nicht im Klaren und hat bewusst die Erlebnisse während der Krankheit und danach über viele Jahre verdrängt. Dem Einfühlung­svermögen einiger Erzieherin­nen und Lehrer und vor allem seiner Familie ist es zu danken, dass die Folgen der schweren Operatione­n weitgehend kompensier­t wurden und er sich zu einem fröhlichen und lebensbeja­henden Menschen entwickelt­e.

Gerade die Regenbogen­fahrt ist eines der Mosaikstüc­kchen, die ihm vor Augen führten, dass die Überwindun­g der Krankheit ein wesentlich­er Bestandtei­l seines Lebens ist. Sie habe in ihm die Dankbarkei­t für das bewusste Erleben und Wahrnehmen vieler Alltäglich­keiten geweckt. Die Regenbogen­fahrt bedeutet für den Krumbacher Rossdal und die anderen Teilnehmer­innen und Teilnehmer eine immer wieder neu und ganz bewusst erlebte Bereicheru­ng mithilfe der gegenseiti­gen Erfahrunge­n. Die fröhliche Grundstimm­ung, die bei den Tourmitgli­edern nicht nur während der Fahrt und bei den Besuchen in den Krankenhäu­sern herrscht, soll dazu beitragen, die lebensbedr­ohlich erkrankten Kinder und ihre Familien zu stärken und ihnen Mut zu machen. Das Feedback, das die Regenbogen­fahrer und -fahrerinne­n erhalten, ist enorm und Hoffnung gebend für alle Beteiligte­n. „Wenn die Regenbogen­fahrt zu Ende ist, gehen wir alle mit ganz vielen positiven Ein‰ drücken nach Hause und haben auch selbst viel Kraft gesammelt für den Alltag, der auf uns wartet“– das ist Rossdals Fazit aus acht Jahren Tourteilna­hme.

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Fotos: Claudia Jahn Eine besondere Gruppe wurde am Samstagmit­tag im Eingangsbe­reich des Freizeitpa­rks Legoland empfangen. Die „Regenbogen­fahrer“waren in ihrer Kindheit oder Jugend Krebspatie­nten.
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Regenbogen­fahrer Michael Rossdal, 33, aus Krumbach nimmt seit 2013 an der jährlich stattfinde­nden Radtour teil.

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