Mittelschwaebische Nachrichten
Die Mutmacher auf zwei Rädern
Was die „Regenbogenfahrer“jungen Krebspatienten und -patientinnen zeigen wollen. Und warum Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Radtour, wie der Krumbacher Michael Rossdal, wissen, wovon sie sprechen
Günzburg Freudig strahlende Gesichter, fröhliches Lachen, erwartungsfrohe Erregung – das sind ganz gewohnte Eindrücke beim Besuch des Legolands – jene quirlige Mischung von Klein und Groß und auch die Vielfalt an Sprachen, die auf die Herkunft der Besucherinnen und Besucher aus den unterschiedlichsten Ländern schließen lässt. Diese Mannigfaltigkeit der Eindrücke wurde am vergangenen Samstag durch eine Gruppe junger Menschen mit leuchtenden Augen verstärkt, die mit ihren in Regenbogenfarben gehaltenen Sporttrikots den Park bevölkerte.
Die so froh gestimmten Frauen und Männer freuten sich ungemein über die Einladung des Freizeitparks, dort ihre Mittagspause zu verbringen. Ihre große innere Freude, die förmlich spürbar war, basiert jedoch auf der Tatsache, dass sie es geschafft haben: geschafft, eine schreckliche Krankheit zu überwinden; geschafft, den Weg in ein für die meisten von uns so selbstverständliches gesundes Leben zurückzufinden; geschafft, wieder sportlich aktiv zu sein und eine Radtour über Hunderte von Kilometern quer durch die deutschen Regionen unternehmen zu können.
Sie alle hatten in frühen Kindertagen die furchtbare Diagnose Krebs erhalten und über Wochen und Monate hinweg im Krankenhaus verbracht, wurden operiert, teilweise mehrfach, erhielten Chemotherapie und Bestrahlungen und hatten das große Glück, wieder gesund zu werden. Dass ihnen das Leben zum zweiten Mal geschenkt wurde, verdanken sie natürlich einer chirurgischen Präzisionsarbeit mit einer perfekt abgestimmten Weiterbehandlung. Von immenser Bedeutung ist jedoch auch die psychologische Betreuung während der Therapie und auch im Anschluss an die schulmedizinische Behandlung.
Deutsche Kinderkrebsstiftung hat hierzu ein breit gefächertes Programm geschaffen, um den ehemaligen Patienten und Patientinnen Wege aufzuzeigen, eigene Stärken zu aktivieren, die Erlebnisse zu verarbeiten und zurück zu einem weitgehend normalen Leben zu finden. Dieses Angebot, das sich an die Erkrankten und an die betroffenen Familien richtet, wird von einem Team aus Ärzten, Psychologinnen und Therapeuten geleitet, die dabei durch eine ganzheitliche, individuelle Behandlungsphilosophie helfen, die körperlichen und psychosozialen Spätfolgen der Krankheit zu überwinden und die Lebensqualität zu steigern.
Ein wichtiger Bestandteil des Betreuungsangebotes ist die seit 1993 stattfindende Regenbogenfahrt. Junge Erwachsene, die selbst die Schrecken der Krankheit erlebt haben und jetzt mit beiden Beinen gesund im Leben stehen, organisieren die Fahrradtour als Zeichen dafür, dass die Diagnose Krebs nicht das Ende bedeutet. Alljährlich Ende August radeln sie mehrere Hundert Kilometer durch einen Teil Deutschlands: von einem Krankenhaus mit einer Kinderkrebsstation zum anderen und besuchen dort die kranken Kinder und ihre Familien, um ein Zeichen zu setzen, dass es sich lohnt zu kämpfen für ein Leben nach der Krankheit.
„Weißt Du, heute kann ich jam mern über meinen Muskelkater vom Fahrradfahren – vor vielen Jahren hatte ich dieselben großen Sorgen wie Du.“Die 30-jährige Pia aus Bonn, die selbst als Teenager das ganze Programm der Krebsbehandlung über sich ergehen lassen musste, empfindet es als großes Geschenk, so einen Satz sagen zu können, und hofft genauso wie Maja, damit den kranken Kindern Mut zu machen. Maja, 28, die als Zwölfjährige an Krebs erkrankte, erinnert daran, wie schön es war, nach dem langen Krankenhausaufenthalt wieder ganz normal zur Schule gehen zu dürfen und sich mit Klassenkameraden und Freundinnen zu treffen. Das Erzählen des selbst Erlebten Betroffener gibt den Kindern ein hoffnungsvolles Beispiel und führt das Ziel vor Augen, es auch schaffen zu können. Für Patrick, 31, der als Sechsjähriger ein halbes Jahr im Krankenhaus verbrachte, ist die Lebensfreude eine coole Botschaft, die die Radler und Radlerinnen mit sich im Gepäck führen und den heute im Krankenhaus liegenden Kindern als Geschenk mitbringen möchten.
Für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der diesjährigen Tour war es eine große Überraschung, dass für die Mittagspause der von Ulm nach Augsburg führenden Etappe am Samstag nicht wie sonst üblich eine gemeinnützige Einrichtung auf der Strecke angesteuert, sondern die Abzweigung zum Legoland genommen wurde.
Der Vorschlag hierfür kam von Michael Rossdal aus Krumbach, selbst Betroffener und langjähriger Teilnehmer an der RegenbogenDie fahrt. Als er erfuhr, dass die diesjährige Strecke durch Schwaben geplant wird, war es ihm ein Anliegen, seinen Mitradlern und -radlerinnen den Freizeitpark als Zwischenziel zu ermöglichen. Eine Anfrage beim Charity-Beauftragten von Legoland Deutschland, Christian Sickert, stieß sofort auf offene Ohren. Legoland unterstützt seit Jahren im Rahmen der weltweiten Kinderhilfsorganisation „Merlin Magic Wand“Kinder, die mit schweren Krankheiten oder Behinderungen konfrontiert sind. Ein überaus herzlicher Empfang vor den Toren des Parks war der Auftakt zu dieser so ganz besonderen Mittagspause. Damit nicht zu viel Zeit beim Essen verloren geht, warteten liebevoll zubereitete Lunchboxen und eine Auswahl an Getränken auf die Radler und Radlerinnen, die diese dann bequem während des Aufenthalts im Park verzehrten. Mit einem großen Sonderapplaus für Initiator Rossdal und die Gastgeber vom Legoland bedankten sich die Tourteilnehmer für die außergewöhnliche Pause.
Dem 33 Jahre alten Michael Rossdal, der als Kleinkind zwei Mal schwer an einem Gehirntumor erkrankt war, ist es ein großes Anliegen, die vielfältigen Möglichkeiten der Krebsnachsorge einer möglichst breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Er selbst war sich über die Bedeutung des Austauschs mit anderen Betroffenen lange nicht im Klaren und hat bewusst die Erlebnisse während der Krankheit und danach über viele Jahre verdrängt. Dem Einfühlungsvermögen einiger Erzieherinnen und Lehrer und vor allem seiner Familie ist es zu danken, dass die Folgen der schweren Operationen weitgehend kompensiert wurden und er sich zu einem fröhlichen und lebensbejahenden Menschen entwickelte.
Gerade die Regenbogenfahrt ist eines der Mosaikstückchen, die ihm vor Augen führten, dass die Überwindung der Krankheit ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens ist. Sie habe in ihm die Dankbarkeit für das bewusste Erleben und Wahrnehmen vieler Alltäglichkeiten geweckt. Die Regenbogenfahrt bedeutet für den Krumbacher Rossdal und die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine immer wieder neu und ganz bewusst erlebte Bereicherung mithilfe der gegenseitigen Erfahrungen. Die fröhliche Grundstimmung, die bei den Tourmitgliedern nicht nur während der Fahrt und bei den Besuchen in den Krankenhäusern herrscht, soll dazu beitragen, die lebensbedrohlich erkrankten Kinder und ihre Familien zu stärken und ihnen Mut zu machen. Das Feedback, das die Regenbogenfahrer und -fahrerinnen erhalten, ist enorm und Hoffnung gebend für alle Beteiligten. „Wenn die Regenbogenfahrt zu Ende ist, gehen wir alle mit ganz vielen positiven Ein drücken nach Hause und haben auch selbst viel Kraft gesammelt für den Alltag, der auf uns wartet“– das ist Rossdals Fazit aus acht Jahren Tourteilnahme.