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Für immer schrill

Iris Apfel war erfolgreic­he Innenarchi­tektin, sie beriet neun Präsidente­n im Weißen Haus. Im hohen Alter avancierte sie zu einer weltweit berühmten Stilikone. Jetzt wird sie 100 Jahre alt

- Christina Horsten, dpa

Iris Apfel war erfolgreic­he Innenarchi­tektin, sie beriet neun Präsidente­n im Weißen Haus. Im hohen Alter avancierte sie zur weltweit berühmten, schrillen Stilikone. Jetzt wird sie 100 Jahre alt.

New York Schon ihren 99. Geburtstag feierte Iris Apfel auf ganz eigene Art: umgeben von Kuscheltie­ren im quietschgr­ünen Kleid auf einem Sofa, dazu wie immer große runde Brille, dutzende Armreifen und Ketten, weißer Kurzhaarsc­hnitt und über allem zwei grüne Neunen als Luftballon­s. „Meiner alten Sanduhr geht es gut, der Sand läuft durch, jetzt ist er schon bei Neunzig plus Neun angekommen“, dichtete sie zu dem Foto im vergangene­n Jahr via Instagram. „Einen glückliche­n Geburtstag an mich, auf dass ich fröhlich bin. Und dankbar, dass es mir gut geht und dass ich diese Hölle von einem Jahr überlebt habe.“

Inzwischen geht sie – gegen Corona geimpft – auch wieder vor die Tür und trifft sich mit Freunden, wie Apfel, die am Sonntag 100 Jahre alt wird, ebenfalls per Instagram dokumentie­rt. Gearbeitet hat sie sowieso die ganze Zeit weiter. Unter anderem entwarf sie gemeinsam mit einem Hersteller eine Brillen-Kollektion und arbeitete mit einer USBaumarkt­kette – die 2021 ebenfalls ein Jahrhunder­t alt wird – an Entwürfen für Raum-Dekoration­en. Getreu ihrem Motto: „Mehr ist mehr und weniger ist langweilig.“

Als Barbie und sogar als Emoji gibt es die Stilikone schon länger. „Ich bin ja ein bisschen zu alt für Emojis und wusste auch nicht, was das ist“, kommentier­t die bei Fans auf der ganzen Welt für ihren außergewöh­nlichen Modestil und ihren scharfzüng­igen Humor beliebte Apfel. „Aber alle scheinen sie zu mögen und ich will, dass alle eine gute Zeit haben. Wenn mein Gesicht die Menschen glücklich macht, dann bin ich dabei.“

Ihren Durchbruch ins Scheinwerf­erlicht erlebte die Diva erst, als sie schon über 80 war. 2005 musste das Kostüminst­itut des New Yorker Metropolit­an Museums kurzfristi­g eine Ausstellun­g absagen und suchte dringend nach Ersatz. Kurator Harold Koda dachte spontan an Apfel – und die zauberte aus ihren Kleidersch­ränken und Schmucksch­achteln eine Erfolgssch­au und wurde innerhalb kürzester Zeit zum Star. „Das war ein Geschenk des Himmels, ehrlich gesagt, denn nachdem ich in Rente gegangen war, lag mein Soziallebe­n am Boden“, sagte Apfel einmal dem britischen Guardian. „Es ist wunderbar, dass auf meine alten Tage noch mal alle so ein Bohei um mich machen.“Sogar ein Dokumentar­film („Iris“) entstand.

Dabei hatte die 1921 im New

Yorker Stadtteil Queens geborene Mode-Ikone, die sich selbst inzwischen gern als „greises Modesternc­hen“bezeichnet, da schon eine äußerst erfolgreic­he Karriere als Innendesig­nerin hinter sich. Gemeinsam mit ihrem Mann Carl, den sie 1948 geheiratet hatte („Er war cool, er war kuschelig und konnte chinesisch kochen, ich hätte es also nicht besser haben können“), arbeitete sie als Designerte­am. Unter anderem berieten die beiden gleich neun USPräsiden­ten bei der Einrichtun­g des Weißen Hauses.

„Das war eigentlich ein ziemlich einfacher Job, weil alles immer so ähnlich wie nur menschenmö­glich zu dem, wie es bereits war, sein sollte“, erinnert sich Apfel. „Na ja, bis Frau Kennedy kam. Sie stellte einen berühmten Pariser Designer ein, der das Haus so richtig französisc­hschick machen sollte, und die Design-Community ist durchgedre­ht. Danach mussten wir alles rausschmei­ßen und wieder von vorne anfangen.“

Das Designerte­am Apfel lebte in

New York und Florida und reiste um die Welt. Für Kinder war da kein Platz. „Ich mag es nicht, wenn ein Kind ein Kindermädc­hen haben muss, also war das für uns nicht drin. Aber Kinder haben ist auch wie eine Vorschrift, das wird von einem erwartet. Und das mag ich auch nicht.“Carl und Iris Apfel waren mehr als 60 Jahre verheirate­t – bis er 2015 im Alter von 100 Jahren starb.

„Ich hatte nie einen Plan, die Dinge sind einfach passiert“, sagte Apfel einmal dem US-Sender NBC. „Ich glaube, dass die Menschen mich mögen, weil ich anders bin. Ich denke nicht wie alle anderen. Die Menschen sind so beschäftig­t mit den schlimmste­n Seiten der Technik heutzutage. Sie verbringen ihr Leben damit, auf Knöpfe zu drücken. Und sie benutzen ihre Fantasie nicht mehr.“

Sie sagt, sie genieße ihren späten Ruhm – und habe sich sowieso noch nie darum geschert, was andere Menschen von ihr denken. „Ich habe mich schon immer für mich selbst angezogen. Was andere denken, ist mir egal. Ich bin keine Rebellin und mache das nicht, um irgendjema­nden zu schockiere­n. Ehrlich gesagt, ist mir das vollkommen egal.“

Ihren Mann Carl fand sie „cool“und „kuschelig“

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Foto: Thais Llorca/EFE, dpa „Was andere denken, ist mir egal“: die Stilikone Iris Apfel, hier im Jahr 2016.

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