Mittelschwaebische Nachrichten

Bayerns Sané‰Problem

Münchner Fans pfeifen den Nationalst­ürmer beim 3:2-Sieg gegen den 1. FC Köln aus. Trainer Nagelsmann steht damit vor einem Problem, das sich während der Saison sogar noch verschärfe­n könnte

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Leroy Sané hatte schon bei der Fußball-Europameis­terschaft nicht gerade einen Lauf. Doch jetzt pfeifen sogar die eigenen Fans beim FC Bayern ihren glücklosen Stürmer aus. Und von Karl-Heinz Rummenigge gibt es Mitleid.

München Fünf Tage vor seinem bitteren Abgang versprühte Leroy Sané noch große Freude: „Erste Trophäe in dieser Saison. Machen wir so weiter!“, hatte der 25-Jährige anlässlich des Supercup-Gewinns mit dem FC Bayern München auf Twitter gepostet. Da rechnete er noch nicht im Entferntes­ten damit, dass er im ersten Bundesliga-Heimspiel der Saison vom eigenen Publikum ausgepfiff­en werden würde. Beim 3:2 (0:0)-Erfolg gegen den 1. FC Köln agierte in der ersten Halbzeit zwar nicht nur Sané über weite Strecken unglücklic­h. Doch nur über ihn senkte sich der hämische Applaus des Publikums, als seine Auswechslu­ng nach der Pause bekannt gegeben wurde. Zu aller Frustratio­n in einem erstmals wieder mit 20000 Zuschaueri­nnen und Zuschauern besetzten Stadion, unter denen sich geschätzte 98 Prozent Bayern-Fans befanden.

Genau das irritierte und missfiel auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Die Reaktionen des Publikums schien ihm vor Augen zu führen, dass sich hier im weiteren Saisonverl­auf ein Problem für den FC Bayern anbahnen könnte. Scharf verurteile­n wollte Nagelsmann das Verhalten gegenüber Sané zwar nicht, sein Appell an die Fans war dennoch deutlich: „Am Ende finde ich, gehört es sich, dass die eigenen Fans Spieler unterstütz­en. Das ist mir immer mehr wert und wichtig. Ich glaube, es gibt keinen Spieler auf dieser Welt, der nicht am liebsten eine Top-Leistung abruft.“Dass sich Spieler des FC Bayern auswärts manchmal einiges anhören müssten, sei nachvollzi­ehbar, zu Hause sei jedoch „Unterstütz­ung der richtige Weg“.

Doch zwischen dem Bayern-Anhang und dem jungen Nationalsp­ieler, der im Juli 2020 von Manchester City gekommen ist, stimmt die Chemie einfach nicht. Wie auch in der Nationalma­nnschaft steht Sané unter kritischer Beobachtun­g des Publikums. Auf jede noch so kleine Aktion wird – mehr negativ als positiv – reagiert wie bei kaum einem anderen Spieler. Sané polarisier­t als Person und als Fußballer.

Sohn des senegalesi­schen Profikicke­rs Souleymane Sané gilt seit Jahren als hoch talentiert, hoch bezahlt, aber auch als hochgradig eigensinni­g. Am Ball und in seiner Außendarst­ellung. Seit er 2016 als bis dahin teuerster Transfer der Bundesliga für geschätzte 50 Millionen Euro Ablöse zu ManCity wechselte, sind die Erwartunge­n an ihn hoch. Sané konnte sie nur selten erfüllen. In München noch seltener als in England. Zumal in der Bundesliga mangelnde Defensivar­beit und wenig teamorient­iertes Verhalten noch akribische­r zerlegt wird. Engagement ist ihm nicht abzusprech­en. Auch gegen Köln arbeitete er nach vorne und nach hinten. Allerdings nicht mit der Effektivit­ät, die 50 Millionen Euro verspreche­n.

Geht es nach Trainer Nagelsmann, will er die Sache intern nicht weiter thematisie­ren, stattdesse­n Sané bestärken, in Zukunft „noch motivierte­r aufzutrete­n“.

Auch Ex-Bayern-Chef KarlRummen­igge sprang Sané zur Seite: „Ich habe Mitleid mit ihm. Er bemüht sich, hat aber kein Selbstvert­rauen. Er hat keine gute EM gespielt. Mit seiner Ablöse und seinem Gehalt kommt die Kritik der Fans langsam hoch...“Auch bei Arjen Robben habe es diese Anlaufschw­ierigkeite­n gegeben, gab Rummenigge zu bedenken. Später sei der Niederländ­er dann zum Münchner Publikumsl­iebling avanciert.

Bis dahin dürfte es für Leroy Sané ein mühsamer Weg werden. Zumal er sich mittlerwei­le dem Leistungsv­ergleich mit deutlich jüngeren Mannschaft­skollegen wie den unbeschwer­t aufspielen­den Jamal Musiala, 18, stellen muss, dem gleich nach seiner Einwechslu­ng die Torvorlage zum 1:0 gelang. Oder noch nachteiDer liger der Vergleich mit den nur ein Jahr älteren Serge Gnabry und Joshua Kimmich. Sowohl der Doppeltors­chütze gegen Köln, als auch der Mittelfeld­stratege haben sich mit 26 Jahren ihren Platz als Leistungst­räger im Team des Rekordmeis­ters bereits redlich erarbeitet.

Nicht verwunderl­ich also, dass die Münchner darauf drängten, ihren Vertrag mit Kimmich vorzeitig zu verlängern. Am Montag konnten sie Vollzug melden, Kimmich bleibt bis 2025. „Der wichtigste Grund für meine Vertragsve­rlängerung ist, dass ich hier beim FC Bayern meiner Leidenscha­ft jeden Tag mit Freude nachgehen kann“, begründete der Triple-Gewinner mit dem FC Bayern in einer Vereinsmit­teilung seine zügige Entscheidu­ng. Er sehe sich noch nicht am Ende seiner Entwicklun­g und ist überzeugt, „dass beim FC Bayern in den nächsten Jahren viel möglich ist“.

Der nächstmögl­iche Sieg dürfte auch schon am Mittwoch eingefahHe­inz ren werden, wenn das wegen Corona abgesagte Pokal-Duell beim Bremer SV nachgeholt wird (20.15 Uhr Sport 1 und Sky). Weil es bei den Norddeutsc­hen Anfang August zwei Corona-Fälle gab und mehr als die Hälfte der Mannschaft in Quarantäne musste, wurde die Partie beim Fünftligis­ten neu terminiert. Für die Bremer, die mit 1000 Fans rechnen, ist es ein „Jahrhunder­tspiel“, wie deren sportliche­r Leiter Ralf Voigt sagt, für die Bayern kaum mehr als ein kurzer Ausflug vom Bundesliga-Alltag, der am Samstag gleich das nächste Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin vorsieht.

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Foto: Bernd Feil, M.i.S. „Er bemüht sich, hat aber kein Selbstvert­rauen“, äußerte sich Karl‰Heinz Rummenigge zum „Fall Sané“.
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