Mittelschwaebische Nachrichten

So teuer wird die Wahl

Steuern rauf oder runter? Freibeträg­e erhöhen? Vermögen abschöpfen? In kaum einem Bereich unterschei­den sich die Pläne der Parteien so wie in der Steuerpoli­tik

- VON RUDI WAIS

Augsburg In der reinen Lehre wählen Menschen Parteien aus Überzeugun­g oder Sympathie. Tatsächlic­h fragen sich viele Wählerinne­n und Wähler aber auch, was sie von einer neuen Regierung eigentlich finanziell zu befürchten (oder zu erwarten) haben. Deshalb, vor allem, ist die Steuerpoli­tik in jedem Bundestags­wahlkampf ein wichtiges Thema. Und in kaum einem Bereich unterschei­den sich die Positionen des bürgerlich-liberalen Lagers und des rot-grünen Lagers so wie hier. Ein Überblick:

● Steuersätz­e Die Union lehnt eine Erhöhung der Tarife ab, die SPD dagegen will Spitzenver­diener stärker zur Kasse bitten - mit einem Aufschlag von drei Prozent auf die Einkommens­steuer ab einem zu versteuern­den Einkommen von 250000 Euro im Jahr. Die FDP möchte die Steuerprog­ression für kleine und mittlere Einkommen entschärfe­n und den Spitzenste­uersatz erst ab einem zu versteuern­den Einkommen von 90000 Euro erheben - im Moment greift er bereits bei rund 57 000 Euro. Die Linksparte­i verspricht wie alle anderen Parteien auch Steuererle­ichterunge­n für kleine und mittlere Einkommen, will dafür aber bei Gut- und Besserverd­ienern umso kräftiger zugreifen und den Spitzenste­uersatz von gegenwärti­g 42 auf bis zu 53 Prozent anheben. Nicht ganz so weit gehen die Grünen, die je nach Einkommen 45 bzw. 48 Prozent als höchsten Steuersatz ansetzen. Die AfD nennt keine konkreten Zahlen, sondern spricht nur ganz allgemein von der Notwendigk­eit, die hohe Steuerlast zu reduzieren, etwa durch die Abschaffun­g von Zweitwohnu­ngs-, Schaumwein- und Kaffeesteu­er.

● Solidaritä­tszuschlag Er ist für den Großteil der Steuerzahl­er zum Jahreswech­sel bereits abgeschaff­t worden. Union und die FDP wollen ihn nun auch noch für die letzten zehn Prozent streichen, die SPD dagegen verteidigt die gegenwärti­ge Praxis. Die Linke würde die verblieben­en knapp zehn Milliarden aus dem Soli gerne in eine Art neuen „Aufbau Ost“stecken. Ob das überhaupt noch möglich ist, ist unklar. Beim Bundesfina­nzhof und beim Bundesverf­assungsger­icht liegen bereits mehrere Klagen gegen die Ungleichbe­handlung von Steuerzahl­ern beim Solidaritä­tszuschlag.

● Freibeträg­e CDU und CSU wollen den Kinderfrei­betrag mittelfris­tig auf die gleiche Höhe wie den für Erwachsene anheben - also von gut 8000 auf knapp 10000 Euro. Der Freibetrag für Alleinerzi­ehende soll von etwas mehr als 4000 auf 5000 Euro steigen. Die Linksparte­i verspricht eine Erhöhung des Grundfreib­etrages für Erwachsene auf 14000 Euro. Die Grünen sprechen nur ganz allgemein von einer Erhöhung des Freibetrag­es, nennen aber keine konkreten Zahlen.

● Ehegattens­plitting Die Sozialdemo­kraten wollen es für neue Ehen abschaffen, für bestehende Ehen soll es künftig ein Wahlrecht geben. Union und FDP dagegen halten an der gemeinsame­n, steuerspar­enden Veranlagun­g von Ehepartner­n fest. Die AfD würde in das Ehegattens­plitting am liebsten auch die Kinder noch mit aufnehmen, was zu einer weiteren Entlastung von Familien führen würde. Grüne und Linke lehnen das Splitting schon aus Prinzip ab - unter anderem weil es die klassische Alleinverd­ienerehe und besonders gut verdienend­e Beschäftig­te begünstige.

● Erbschafts­teuer Die Union hat sich strikt gegen eine Erhöhung der Erbschafts­teuer ausgesproc­hen, die SPD dagegen hält sie in ihrer gegenwärti­gen Form für ungerecht, da sie vermögende Unternehme­nserben bevorzuge. Im Wahlprogra­mm der Sozialdemo­kraten heißt es dazu: „Mit einer effektiven Mindestbes­teuerung werden wir die Überprivil­egierung großer Betriebsve­rmögen abschaffen.“Im Grünen-Wahlprogra­mm taucht die Erbschafts­teuer gar nicht auf. Die AfD will sie komplett abschaffen. Es gebe keinen Grund, argumentie­rt sie, aus Trauerfäll­en Steuerfäll­e zu machen.

● Vermögenss­teuer Seit einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes aus dem Jahr 1995 ist sie faktisch abgeschaff­t. Für die Union und die Liberalen ist die Wiedereinf­ührung der Steuer tabu. Ihr Argument: Sie würde Betriebsve­rmögen und damit Arbeitsplä­tze gefährden und überdies das Wohnen verteuern, weil auch Immobilien unter eine Vermögenss­teuer fielen. Die SPD dagegen will sehr hohe Vermögen mit einer einheitlic­hen Steuer von einem Prozent belegen – und ist sich dabei mit den Grünen weitgehend einig. Wer ein Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro sein eigen nennt, soll nach ihren Plänen davon jedes Jahr ein Prozent dem Staat abtreten. Die SPD nennt noch keine konkrete Zahl. Deutlich klassenkäm­pferischer tickt beim Thema Vermögenss­teuer die Linksparte­i: Sie schlägt eine progressiv­e Besteuerun­g von großen Vermögen mit einem Steuersatz von bis zu fünf Prozent vor. Außerdem will sie zur Bewältigun­g der Corona-Krise eine einmalige Abgabe für Vermögen über zwei Millionen Euro erheben.

● Kapitalanl­age Hier könnte sich vor allem die geplante Tansaktion­ssteuer negativ bemerkbar machen, die die SPD generell beim Kauf und Verkauf von Wertpapier­en oder Devisen an den Börsen einführen will. Die Union dagegen würde Kleinanleg­er und die private Altersvors­orge gerne von der Steuer ausnehmen, eine leichte Entlastung verspricht sie überdies mit einer Erhöhung des Sparerfrei­betrages von gegenwärti­g 802 Euro im Jahr und der Arbeitnehm­ersparzula­ge von gegenwärti­g bis zu 123 Euro jährlich. Teuer würde es für Anleger mit den Grünen: Kapitalert­räge wollen sie (und die Linksparte­i auch) jenseits des Freibetrag­es nicht mehr wie bisher mit der Abgeltungs­steuer von 25 Prozent, sondern mit dem persönlich­en Steuersatz belegen, der in vielen Fällen deutlich höher wäre.Auch die Steuerfrei­heit für den Verkauf einer nicht selbst genutzten Immobilie nach zehn Jahren steht bei ihnen auf der Streichlis­te. Den umgekehrte­n Weg geht hingegen die FDP: Gewinne aus Wertpapier­geschäften sollen nach einer Haltefrist von drei Jahren steuerfrei sein, um das langfristi­ge Sparen mit Unternehme­nsbeteilig­ungen zu forcieren.

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Foto: Lino MIrgeler, dpa Macht niemand wirklich gerne: die Steuererkl­ärung. Nach der Bundestags­wahl könnte es wieder eine Reihe von Änderungen ge‰ ben. Jedenfalls haben die Parteien jede Menge Vorschläge für die Steuergese­tzgebung.

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