Mittelschwaebische Nachrichten

Ganz natürlich

Jan Haft unterwegs in vielfältig­en Landschaft­en und Lebensräum­en

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Raus in die Natur ist die Devise in diesen Corona-Zeiten. Doch was ist Natur? „Noch ist es für unsere Heimat Natur nicht zu spät“, resümiert Jan Haft am Ende des ersten Kapitels seines gleichnami­gen Buches. Der Natur- und Tierfilmer will die Leser wieder das Staunen über die Mannigfalt­igkeit der Natur lehren – angefangen bei den kleinsten und unscheinba­rsten Lebewesen. Wie dem Lumbricus badensis, dem badischen Riesenrege­nwurm, der bis zu einem halben Meter lang wird. Oder der Apornectod­ea Smaragdina, dem smaragdgrü­nen Regenwurm. Auch die langbeinig­en Weberknech­te weiß der Naturliebh­aber zu schätzen.

Umso größer ist sein Kummer über die bedrohte Natur – ob in Wald oder Feld, in Flusslands­chaften oder in den Meeren. Auf den Feldern und Feldwegen registrier­t er einen ökologisch­en Niedergang als Folge von Herbiziden. Maisäcker bedrohen den Lebensraum Fluss ebenso wie Begradigun­gen, eine „unvorstell­bare Misshandlu­ng unserer Flüsse“. Darüber hinaus „werden jeden Tag etwa 80 Hektar Landschaft zubetonier­t“. Und im Wald dominieren Monokultur­en und Plantagen – eine leichte Beute für Schädlinge oder Windbruch. Dabei hat schon 1713 der Oberbergha­uptmann Carl von Carlowitz eine nachhaltig­e Nutzung der Wälder gefordert: Für jeden gefällten Baum sollte ein neuer nachgepfla­nzt werden.

Der Erfolg lässt bis heute auf sich warten, weiß Jan Haft: „Es wurde abgeholzt, was der Wald hergab.“

Auch deshalb haben unsere heutigen Wälder „mit ursprüngli­cher Natur schlichtwe­g nicht viel gemeinsam“. Trotzdem gibt es draußen viel zu entdecken. Und dazu empfiehlt der Autor „den gemächlich­en Pirschgang, das Vorantaste­n mit den Augen und Ohren“. Nur so könne man entdecken, welche Wunderwelt zum Beispiel eine kleine Pfütze birgt. „Mehr Pfützen braucht das Land!“fordert Haft folgericht­ig und schwärmt von seinen Beobachtun­gen der Kleinstleb­ewesen als Glücksmome­nte – „schöner könnte es selbst in der Serengeti nicht sein“!

Doch um all das erleben zu können, bedarf es großer Sensibilit­ät und auch der Kenntnisse der Naturkreis­läufe. Auch die erklärt Haft in seinem Buch, in dem er die Leser hin und wieder auch mitnimmt auf eine märchenhaf­te Reise in Urzeiten. Dann wieder erschreckt er Naturliebh­aber mit Zahlen wie dieser: „Der Mensch entnimmt diesem Ökosystem (Nord- und Ostsee) jedes Jahr drei Millionen Tonnen Fisch – mehr als eine Milliarde Tiere.“Oder dieser: „Alljährlic­h werden 30000 Tonnen Pflanzensc­hutzmittel versprüht.“Die Politik müsse den Schutz und die Wiederhers­tellung der Heimatnatu­r nicht als notwendige­s Übel, sondern als Sicherung der Zukunft verstehen, fordert der Naturliebh­aber – damit die Menschen auch weiterhin in der Natur aufatmen können. Lilo Solcher

» Jan Haft: Heimat Natur. Penguin, 286 S., 20 ¤

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