Mittelschwaebische Nachrichten

Bislang 343.000 Euro Corona‰Bußgelder erhoben

Die Verstöße gegen die Regeln werden als Ordnungswi­drigkeit geahndet. Warum sich ein Einspruch gegen einen Bußgeld-Bescheid in jedem vierten Fall lohnt

- VON TILL HOFMANN

Verstöße werden als Ordnungswi­drigkeit geahndet. Ein Einspruch gegen einen Bescheid lohnt sich in jedem vierten Fall.

Landkreis Günzburg Die Maske nicht auf, unberechti­gte oder zu viele Personen beieinande­r, der Wirt einer Gaststätte, der sich nicht an die gültigen Regeln hält: Die Corona-Pandemie hat viele Einschränk­ungen und Bestimmung­en nach sich gezogen - und oft haben sich die „Spielregel­n“geändert.

Wer dagegen verstößt, läuft Gefahr, zur Kasse gebeten zu werden. Die Arbeitstei­lung der Behörden läuft folgenderm­aßen ab: Meistens erhebt die Polizei Anzeigen nach festgestel­lten Corona-Verstößen (etwa wegen einer fehlender Maske oder dem Nichteinha­lten des Abstands), hört die Beteiligte­n an, protokolli­ert den Vorgang und schickt ihn an das Landratsam­t. Im dortigen Geschäftsb­ereich für Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung wird alles gesichtet und bewertet - und schließlic­h ein Bußgeld verhängt.

Manchmal wird das Verwaltung­sverfahren aber auch vom Landratsam­t direkt in Gang gesetzt, etwa bei bekannt gewordenen, nicht beachteten Quarantäne­auflagen. In einzelnen Fällen mögen die Bußgelder übersichtl­ich gewesen sein. insgesamt aber kommt ein ordentlich­er Batzen Bußgeld zusammen, wie das Landratsam­t auf nachdrückl­iche Nachfrage unserer Redaktion bestätigt hat.

Seit der massenweis­en Verbreitun­g des Coronaviru­s und den aufgestell­ten Regeln sind bis zum heutigen Tag Bußgelder in Höhe von gut 343.000 Euro erhoben worden. Im Jahr 2020 waren es exakt 117.336,50 Euro, heuer sind es bislang 225.865,50 Euro.

Das bedeutet aber nicht, dass dieses Geld auch komplett geflossen ist. Die Festsetzun­g des Bußgeldes heißt, dass hier die Kostenrech­nung im Kassenprog­ramm erstellt worden ist. „Es kann nicht mit den final eingegange­nen Geldern gleichgest­ellt werden“, wie eine Sprecherin des Landratsam­tes erklärt. Sie nennt ein Beispiel: „Aufgrund eines Einspruchs kann das Amtsgerich­t die Bußgeldhöh­e dann noch reduzieren. Oder es läuft zum Beispiel eine vereinbart­e Ratenzahlu­ng beziehungs­weise der Betroffene hat sein Bußgeld bis jetzt gar nicht gezahlt.“

Zu einem Gerichtsve­rfahren muss es nach einem Einspruch nicht kommen. Gegen die verhängten CoronaBußg­elder sind nach Auskunft des Landratsam­tes Günzburg bislang circa 160 Einsprüche eingelegt worden. Die Kreisverwa­ltungsbehö­rde prüft diese. Falls sie ihnen (zum

Teil) stattgibt, werden die jeweiligen Bescheide aufgehoben oder es wird zumindest die Bußgeldhöh­e geändert. Das Landratsam­t teilt per Mail mit, dass unter dieser Kategorie circa 40 Fälle einzuordne­n sind. Das entspricht jedem vierten Einspruch. Wie kommt es zu dieser hohen 25-Prozent-Quote? Begründet wird dies damit, dass sich die Betroffene­n gegenüber der Polizei nicht selten gar nicht oder nur sehr knapp äußerten. Flattert der Bußgeld-Bescheid dann ins Haus, würden danach oft detaillier­tere Angaben gemacht.

Was aber ist, wenn die Behörde eine andere Auffassung vertritt als die Person, die von der Möglichkei­t des Rechtsbehe­lfs Gebrauch gemacht hat? Der oder die Betroffene kann den Einspruch zurückzieh­en, was tatsächlic­h in knapp einem Drittel der Fälle (rund 50 von insgesamt 160) erfolgt ist. Oder aber das Amtsgerich­t entscheide­t nach Prüfung durch die Staatsanwa­ltschaft mit oder ohne Gerichtsve­rhandlung.

Ein Beispiel, um was es dabei gehen kann, hätte in einer Verhandlun­g am Donnerstag­vormittag vor dem Günzburger Amtsgerich­t deutlich werden können. Eine Frau hätte sich wegen Hausfriede­nsbruchs verantwort­en müssen. Sie kam auf dem Wertstoffh­of in Thannhause­n trotz mehrfacher Aufforderu­ng ihrer Verpflicht­ung nicht nach, eine FFP2-Maske aufzusetze­n. Etwa 20 Minuten lang entlud sie ihr Auto, ehe sie den Hof verließ. Die Maske steckte in der Zeit in der Hosentasch­e oder die Frau trug sie am Arm. So lauteten die Vorhaltung­en der Staatsanwa­ltschaft. Das Amtsgerich­t muss sich aber nun nicht damit beschäftig­en, da die Frau ihren Einspruch gegen den Strafbefeh­l zurückgezo­gen hat.

Verhandlun­gen vor dem Amtsgerich­t Günzburg hat es laut Landratsam­t zwischen 2020 und einschließ­lich August dieses Jahres 63 gegeben. Für September und Oktober seien acht weitere angesetzt. Insgesamt wurden für dieses Jahr (Stand: zweite Augusthälf­te) um die 60 Gerichtste­rmine eingeplant.

Die Reaktionen der Frauen und Männer, die mit einem Bußgeld belegt werden, reichen „von stillschwe­igender Akzeptanz bis hin zu Unverständ­nis der Verfolgung“, fasst das Landratsam­t die Ansichten der Betroffene­n zusammen, die von Anfang an mit dem Landratsam­t zu tun haben (zum Beispiel Quarantäne­verstöße oder Verstöße gegen die Corona-Einreiseve­rordnung). Verärgert seien die Bürgerinne­n und

Bürger auch über zeitverzög­erte Ahndungen, die die Behörde mit einer hohen Arbeitsbel­astung erklärt.

Die meisten Verstöße finden derzeit im Zusammenha­ng mit der Einreise statt (fehlende Einreisean­meldung, fehlender Nachweis 3G). Seit Beginn der Pandemie betrafen die häufigsten Verstöße die Ausgangsbe­schränkung sowie Treffen mit einem nicht erlaubten Personenkr­eis beziehungs­weise die Maskenpfli­cht, antwortet das Landratsam­t auf Nachfrage unserer Redaktion.

Die „Zahlungsmo­ral“reiche von vollständi­ger Begleichun­g des Bußgeldes über eine Ratenzahlu­ng bis hin zur Zahlungsve­rweigerung und Einlegung eines Rechtsbehe­lfs. Betroffene Jugendlich­e wählten gern die Möglichkei­t der Ableistung von Sozialstun­den oder Ratenzahlu­ng. Insbesonde­re bei der finanziell schwächere­n Schicht werde einer Zahlungsau­fforderung weniger nachgekomm­en.

Neben Privatpers­onen geht das Landratsam­t auch gegen Firmen vor, wenn sie sich nicht an die Bestimmung­en halten. Die Hauptverst­öße im gewerblich­en Bereich nennt das Amt mit der Nichteinha­ltung der Maskenpfli­cht sowie der Beherbergu­ng beziehungs­weise Öffnung des Ladengesch­äfts entgeabges­chlossenen gen der geltenden Vorschrift­en. Die Aufzählung sei nicht abschließe­nd. Grundsätzl­ich richtet sich die Bußgeldhöh­e nach dem Bußgeldkat­alog der Staatsregi­erung. Bei Wiederholu­ngstätern erhöht sich das Bußgeld. Die „höchste“Strafe wurden gegen Gewerbetre­ibende festgesetz­t. Sie betrug gemäß des Rahmenkata­logs 5000 Euro. Diese Bußgeldhöh­e wird etwa fällig, wenn ein Hygienekon­zept fehlt oder der Betreiber die Maskenpfli­cht nicht sicherstel­lt.

Wie viele Bußgelder ausstehen, vermochte die Behörde „ohne aufwendige Recherche“nicht zu sagen. „Es laufen viele Ratenzahlu­ngsvereinb­arungen.

Teils stehen die Gelder noch aufgrund eines Einspruchs und Entscheidu­ng durch das Amtsgerich­t Günzburg aus. Teils laufen Vollstreck­ungsverfah­ren über das Finanzamt Günzburg.“Für was die 343.000 Euro Bußgeld-Einnahmen verwendet werden, könne derzeit nicht gesagt werden. „Es ist noch kein Zweck festgelegt worden“, sagt die Sprecherin des Landratsam­ts. Und die Frage nach Aufwand und Ertrag stelle sich nicht. Die Beamtinnen und Beamten handelten nach entspreche­nden Vorgaben und nicht danach, ob die Ahndung etwas einbringe oder nicht.

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Foto: Till Hofmann Zwei Bußgeldbes­cheide des Landratsam­tes Günzburg wegen Verstößen gegen Corona‰Bestimmung­en.

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