Mittelschwaebische Nachrichten
Wofür das Amt für Ländliche Entwicklung steht Christian Kreye
Der Krumbacher Amtsleiter Christian Kreye erklärt, welche wichtigen Projekte es gab und was das einstige Fluramt heute für die Region leistet
Krumbach
Das Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben in Krumbach gibt es seit 70 Jahren. Über anstehende und vergangene Projekte sprachen wir mit Christian Kreye, der seit 2018 Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung in Krumbach ist.
Das Amt gibt es seit 70 Jahren in Krumbach. Wird dieses Jubiläum gefeiert oder fällt eine entsprechende Veranstaltung der Corona-Pandemie zum Opfer?
Kreye: Ja, wir sind seit sieben Jahrzehnten im ländlichen Raum in Schwaben tätig. Die ungewisse Entwicklung der Corona-Pandemie hat uns bereits zu Beginn des Jahres bewogen, von einer Festveranstaltung Abstand zu nehmen. Wir werden sicher eine andere Gelegenheit finden, das nachzuholen.
Im Jahr 1951 nahm die neue Behörde als Flurbereinigungsamt Krumbach (Schwaben) ihre Arbeit auf, war ab 1969 Flurbereinigungsdirektion Krumbach (Schwaben), ab 1992 Direktion für Ländliche Entwicklung Krumbach (Schwaben) und nennt sich seit 2005 Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben. Bleibt es dabei in naher Zukunft?
Kreye:
An unserem Grundauftrag hat sich nichts geändert. Wir leisten nach wie vor einen wichtigen Beitrag, den ländlichen Raum in Schwaben zu stärken. Wir sind auch weiterhin Mittelbehörde des Freistaats Bayern. Allerdings hat sich unser Aufgabenfeld stark erweitert, was sich auch im Namen widerspiegelt. Waren wir in der Anfangszeit schwerpunktmäßig darauf ausgerichtet, die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft zu verbessern, so finden wir heute auch Antworten auf Themen wie Artenvielfalt, Wasserrückhalt, Ortskernentwicklung, Grundversorgung, Klimaschutz oder die Nutzung erneuerbarer Energien.
Welche Werkzeuge stehen Ihnen dafür zur Verfügung?
Kreye:
Dafür stehen die Dorferneuerung, die Flurneuordnung oder die Integrierte Ländliche Entwicklung mit zahlreichen weiteren Initiativen und Förderinstrumenten zur Verfügung. Aktuell betreuen wir rund 300 Projekte in Schwaben, davon circa 170 Dorferneuerungen.
Wo setzen Sie konkret an?
Kreye:
Es gibt keine Maßnahmen von der Stange zur Entwicklung des ländlichen Raums. Wir initiieren und begleiten Entwicklungsprozesse und richten uns dabei nach den Zielen und Bedürfnissen der Menschen vor Ort. Manche Themen lassen sich am besten in der Zusammenarbeit von mehreren Gemeinden lösen, für andere ist eine Bearbeitung auf Gemeindeebene der richtige Weg und oft steht die Zukunft eines einzelnen Dorfes im Mittelpunkt. Der Dreiklang von lebenswerten Dörfern, einer starken Land- und Forstwirtschaft und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in einer wertvollen Kulturlandschaft ist unser Auftrag.
Stichwort Flurneuordnung. Was hat sich gegenüber früher verändert, wo liegen heute die Schwerpunkte?
Kreye:
Die Verbesserung der Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft in Einklang zu bringen mit den vielen anderen Nutzungen der Landschaft steht heute im Vordergrund jeder Flurneuordnung. Konkretes Beispiel ist die Flurneuordnung in Thierhaupten, die im vergangenen Jahr mit dem Staatspreis ausgezeichnet wurde. Hier gelang es, in einem Verfahrensgebiet von rund 400 Hektar, rund ein Achdavon in Biotopflächen umzuwandeln und entsprechend zu vernetzen. Ortsansässige Landwirte pflegen heute diese wertvollen Lebensräume. Aktuell betreuen wir 53 Flurneuordnungen.
Welche Rolle spielt Ihr Amt bei der Umsetzung von Ortsumfahrungen, die doch auch erhebliche Eingriffe in die jeweilige Landschaft zur Folge haben?
Kreye:
Bauherr solcher Ortsumfahrungen ist meist der Freistaat Bayern, der jeweilige Landkreis oder die betroffene Kommune. Wir können solche Projekte wie zum Beispiel hier in Burtenbach und Münsterhausen durch unsere Möglichkeiten der Bodenordnung begleiten. Gemeinsam mit den Landwirten und Grundstücksbesitzer suchen wir nach Lösungen, ihre neuen Flächen so zu ordnen, dass Sie weiterhin gut zu bewirtschaften sind. Wenn dabei noch weitere Maßnahmen für Natur und Landschaft möglich sind, können wir auch diese planen und umsetzen, um die entstehenden Nachteile zu verringern. Allein schon die rechtliche Möglichkeit, in einem größeren Gebiet Flurstücksgrenzen zu verändern, schafft Spielräume im Interesse aller.
Leerstand in der Ortsmitte und gleichzeitig Baulandausweisungen in den Ortsrandlagen mit dem damit verbundenen Flächenverbrauch. Was können Sie dagegen tun?
Kreye:
Der Ortskern ist das Aushängeschild eines jeden Dorfes. Dort soll gewohnt und gearbeitet werden. Dort soll man sich beim Einkaufen treffen. Dort sollen sich die Vereine und Gruppen treffen und auch gefeiert werden. Es kommt darauf an, möglichst viele dieser Funktionen im Ortskern zu sichern. Über den sogenannten „Vitalitätscheck“oder spezielle Innenentwicklungskonzepte erarbeiten wir zusammen mit den Gemeinden einen Plan, wie echte Innenentwicklung gelingen kann.
Haben Sie dafür Beispiele?
Kreye:
Allein im Jahr 2020 stellten wir für Ländliche Entwicklung Schwaben für den Bau und die Einrichtung von Dorfläden rund 1,15 Millionen an Fördergeldern bereit, in naher Umgebung profitierten davon die Einrichtungen in Mindelzell oder Ettenbeuren. Über die Förderinitiative „Innen statt Außen“haben wir bisher Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 2,2 Millionen Euro fördern können, darunter eitel nes auch in Breitenthal. Aktive Ortskernentwicklung steigert die Lebensqualität in den Dörfern und hilft den Bedarf an zusätzlichen Siedlungsflächen zu reduzieren.
Können auch private Grundstückseigentümer von einer Dorferneuerung profitieren?
Kreye:
Selbstverständlich. Im vergangenen Jahr hatten wir 69 private Projekte mit knapp über einer Million bei Gesamtinvestitionen von 9,3 Millionen Euro gefördert. Darunter fallen Investitionen an bestehenden Gebäuden oder die dorfgerechte Gestaltung von Außenanlagen.
Was verbirgt sich hinter den neuen Initiativen „boden:ständig“und „FlurNatur“?
Kreye:
In „boden:ständig“-Projekten engagieren sich Gemeinden und Landwirte gemeinsam mit unserer Unterstützung, um den Boden auf der Fläche zu halten, den Wasserabfluss in der Flur zu bremsen und gleichzeitig die Gewässer zu schützen. Die Starkregenereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass es viele große und kleine Maßnahmen braucht, um unsere Landschaft so zu gestalten, dass der Klimawandel
möglichst wenig Schäden anrichtet.
Und „FlurNatur“?
Kreye:
In der Initiative „FlurNatur“können wir auch außerhalb von Flurneuordnungsverfahren die Anlage von Hecken, Feldgehölzen Streuobstwiesen oder Trocken- und Feuchtbiotopen finanziell unterstützen.
Ihre Behörde unterstützt es auch, wenn Gemeinden interkommunal zusammenarbeiten. Welche Chancen sehen Sie darin?
Kreye:
Wir begleiten in Schwaben die Zusammenarbeit von elf Gemeindeallianzen mit insgesamt 46 Gemeinden. Wir leisten dabei fachliche, personelle, finanzielle und organisatorische Unterstützung. Viele Angebote lohnen sich auch erst dann oder sind nur dann zu finanzieren, wenn man sich mit anderen zusammenschließt. Aus dieser Zusammenarbeit sind bereits viele gute Projekte entstanden, vom Hochwasserschutz angefangen, über den Bauhof bis hin zu Nachbarschaftshilfen.
1993 beschäftigte die Behörde über 250 Personen, 2010 waren es noch 173. Wie sieht die personelle Situation heute aus?
Kreye:
Seit 2012 haben wir fast konstant 150 Beschäftigte. Rund 40 Bedienstete haben uns altersbedingt verlassen. Glücklicherweise konnten wir das durch entsprechende Einstellungen junger Leute ausgleichen. Aktuell haben wir eine gute Mischung aus sehr erfahrenen Kollegen und jungen Kräften. Übrigens, wir bieten seit 2015 die Möglichkeit zum Dualen Studium und bilden Techniker für Ländliche Entwicklung aus. Die Zusammenarbeit aus Fachkräften in den Bereichen Vermessung, Architektur, Bau, Regionalplanung, Landschaftsplanung, Rechtswissenschaft und Verwaltung sichert die Qualität unserer Projekte. Daher freuen wir uns über jeden, der an der Arbeit im und für den ländlichen Raum Interesse hat.