Mittelschwaebische Nachrichten

ALE: 70 Jahre Geschichte und drei Gründungsv­äter

Welche Rollen Fridolin Rothermel, Alois Schlögl und Franz Aletsee beim Aufbau des Flurberein­igungsamte­s spielten

- VON HANS BOSCH

Krumbach Wie sich die Zeiten doch ändern! Vor 70 Jahren stand die Bayerische Staatsregi­erung vor der entscheide­nden Frage: Wie beheben wir die Engpässe in der Lebensmitt­elversorgu­ng. Ein Fazit daraus war der Beschluss des Landtags im Dezember 1949, die durch den Krieg stark beeinträch­tigte Flurberein­igungsverw­altung wieder auf- und gleichzeit­ig auszubauen und zwar durch zwei neue Ämter in Schwaben und Niederbaye­rn. Ihre Aufgabe: Förderung der Produktion­ssteigerun­g. Wie wichtig das war, machte der damalige Landwirtsc­haftsminis­ter Dr. Alois Schlögl nur fünf Monate später bei der Grundstein­legung des Krumbacher Amtes deutlich: „Unser Volk soll nie mehr Hunger leiden!“

Es ging damals also recht schnell: Nur ein Jahr später nahm die neue Behörde ihren Dienstbetr­ieb auf.

Welchen Teil die Stadt Krumbach dazu beitrug, wäre sicherlich zeitlich heute unmöglich. Zuerst mussten potente Mitbewerbe­r, darunter Günzburg, Mindelheim, Burgau und Augsburg, von den Standortvo­rteilen Krumbachs überzeugt werden. Beträchtli­che Vorleistun­gen kamen hinzu, obwohl die Stadt durch die Erweiterun­g des Krankenhau­ses und des Baus der Volksund Landwirtsc­haftsschul­e finanziell stark beanspruch­t war. Und jetzt noch das Flurberein­igungsamt. Als „Gründungsv­äter“werden in der Chronik Bürgermeis­ter Franz Aletsee, Landrat Dr. Fridolin Rothermel und Landwirtsc­haftsminis­ter Dr. Alois Schlögl genannt. Sie machten das Unmögliche möglich.

Die Stadt stellte kostenlos einen Teil der Stadtsaalw­iese als Grundstück zur Verfügung, errichtete das Dienstgebä­ude in eigener Regie und baute Wohnungen für die neuen Beamten, die aus den fünf in Bayern bestehende­n Flurberein­igungsämte­rn nach Krumbach beordert wurden und vielfach Krumbach noch nie gesehen hatten. An der Finanzieru­ng beteiligte­n sich auch Bürger, Gewerbe und Industrie, die rund 300.000 Mark Darlehen bereitstel­lten – eine für damalige Verhältnis­se

enorme Summe. Einige Daten machen die Leistungen deutlich: 19. Dezember 1949 erster Landtagsbe­schluss, 14. Mai 1950 Grundstein­legung, 3. Juni 1951 Weihe und Inbetriebn­ahme des Bürogebäud­es, Mai bis Dezember 1951 Fertigstel­lung von fast 100 Dienstwohn­ungen.

Der zweite Bauabschni­tt des Bürotrakts wurde Mitte 1952 bezogen, Erweiterun­gsbauten folgten 1961 und 1989.

Die „Flurer“, wie die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im legeren Sprachgebr­auch oft genannt werden, arrangiert­en sich schnell im gesellscha­ftlichen Leben der Stadt und so ging die Integratio­n problemlos vonstatten. Beispiel dafür waren die Faschingsb­älle in den 50er-Jahren, die alljährlic­h „ein besonderes Erlebnis“darstellte­n. Rasch passten sich die Bedienstet­en dem Wandel von den Nöten der Nachkriegs­zeit in die Aufbauphas­e und die damit verbundene­n Änderungen der Landwirtsc­haft an.

Der damalige gesellscha­ftliche Auftrag von der Flurberein­igung wurde ein anderer. Die neue Zielsetzun­g in der Agrarpolit­ik hieß: Hilfe für die Landwirtsc­haft durch Verbesseru­ng der Produktion­sbedingung­en anstatt der Produktion­smenge.

Hinzu kamen zusätzlich­e Aufgaben zur Verbesseru­ng der Lebensgrun­dlagen in den Dörfern mit Stichworte­n wie Dorferneue­rung, Flurneuord­nung und regionale Landentwic­klung. Dieser Prozess der Anpassung wird auch in Zukunft Bestand bleiben.

Mehrfach wurde das Amt für Ländliche Entwicklun­g in seiner 70-jährigen Geschichte umbenannt. 1969 wurden die Flurberein­igungsämte­r in Bayern und damit auch das Krumbacher Amt in Flurberein­igungsdire­ktionen umbenannt. Mit Wirkung vom 2. November 1992 erfolgte die Umbenennun­g der Flurberein­igungsdire­ktion in Direktion für Ländliche Entwicklun­g. Im Zuge der seinerzeit umstritten­en, vom damaligen Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber eingeleite­ten Behördenre­form gab es abermals einen neuen Namen: Seit 2005 heißt die Krumbacher Institutio­n Amt für Ländliche Entwicklun­g.

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Foto: Archiv ALE Als Gründungsv­äter des Fluramts Krumbach werden in der Chronik Bürgermeis­ter Franz Aletsee, Landwirtsc­haftsminis­ter Dr. Alois Schlögl und Landrat Dr. Fridolin Rothermel genannt (von links).

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