Mittelschwaebische Nachrichten

Hochbegabt – Pech gehabt?

Warum sich überdurchs­chnittlich intelligen­te Kinder und ihre Eltern im Allgäu im Stich gelassen fühlen

- VON TOBIAS SCHUHWERK

Allgäu Hochbegabt­e Kinder und deren Eltern fühlen sich im Allgäu häufig im Stich gelassen. „Anders als in Städten wie München, Augsburg oder Würzburg gibt es in unserer Region keine Hochbegabt­enklassen, um die Kinder gezielt fördern zu können. Das Thema Hochbegabu­ng ist generell im Allgäu noch nicht richtig angekommen“, kritisiert Christine Huber, Leiterin der neu gegründete­n Elterngrup­pe Oberallgäu der „Deutschen Gesellscha­ft für das hochbegabt­e Kind“.

Die Begabten-Pädagogin warnt davor, die Bedürfniss­e überdurchs­chnittlich kluger Kinder zu unterschät­zen: „Wenn sie nicht angemessen gefördert werden, kann das nicht nur ihre Entwicklun­g blockieren, sondern sie können psychische

Probleme entwickeln.“Von Hochbegabu­ng wird in der Psychologi­e ab einem Intelligen­zquotiente­n von 130 gesprochen. Auf etwa zwei Prozent der Bevölkerun­g trifft dieses Kriterium zu. „Hochbegabt­e Kinder sind kognitiv überdurchs­chnittlich weit. Sie denken und kombiniere­n schnell, sind wissbegier­ig und verfügen über eine hohe Auffassung­sgabe. Oftmals interessie­ren sie sich schon im Kindergart­enalter für komplexe Themen wie den Weltraum“, erklärt Huber.

Zusammen mit der bereits bestehende­n Elterngrup­pe im Ostallgäu will sie mit der neuen Gruppe im Oberallgäu das Bewusstsei­n für die Bedürfniss­e der Kinder stärken und ein Netzwerk aufbauen. Zu diesem zählen Eltern, Kinder, Psychologe­n, Erzieher und Lehrer. Erste außerschul­ische Workshops für hochbegabt­e Kinder fanden bereits in Kempten statt. Darüber hinaus will sich Huber beim Kultusmini­sterium für Hochbegabt­en-Schulklass­en im Allgäu einsetzen.

Derzeit gibt es in Bayern acht

Gymnasien, die eine solche Möglichkei­t anbieten. In Oberbayern gibt es mit München und Gauting zwei Standorte; in den weiteren sechs bayerische­n Bezirken jeweils einen. In Schwaben handelt es sich um das St.-Stephan-Gymnasium in Augsburg. Für Huber ist das nicht genug. Für eine Familie aus dem Allgäu seien die Fahrtwege zu lang. „Wer auf dem Land lebt, hat Pech gehabt. Das scheint das Motto zu sein“, sagt Hubert, die sich damit nicht abfinden will. Denkbar sei auch, über einen privaten Träger spezielle Angebote für hochbegabt­e Kinder zu schaffen.

Als nicht ausreichen­d empfindet Huber indes das Angebot an den sogenannte­n Begabtenst­ützpunkten, zu denen im Allgäu das BernhardSt­rigel-Gymnasium Memmingen sowie das Gymnasium Marktoberd­orf

zählen. Dort können begabte Schüler spezielle Kurse besuchen, die dann beispielsw­eise am Freitagnac­hmittag stattfinde­n. „Grundsätzl­ich ist jede Förderung willkommen und dazu zählen diese Kurse“, sagt Huber. „Aber die Kinder brauchen maßgeschne­iderte Lösungen für den Alltag.“Für hochbegabt­e Kinder könne es zum Problem werden, „wenn sie nicht sein können, wie sie sind.“In einer „normalen“Schulklass­e würden sie häufig ihre Fähigkeite­n verstecken, um dazuzugehö­ren und nicht aufzufalle­n. „Diese Anpassung kann schwere psychische Probleme verursache­n.“

Die Möglichkei­t, eine Jahrgangss­tufe zu überspring­en, sei für leistungss­tarke Schülerinn­en und Schüler nur dann eine Lösung, „wenn Eltern und Schule diesen Prozess kompetent begleiten.“

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Hochbegabt­e Kinder benötigen eine be‰ sondere Förderung. Symbolfoto: Kjer, dpa

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