Mittelschwaebische Nachrichten

Zehntausen­de Afghanen warten auf Rettung

Die Bundesregi­erung will bis zu 40 000 Menschen bei der Ausreise helfen

- VON SIMON KAMINSKI UND SARAH SCHIERACK

Augsburg Die letzten US-Soldaten verlassen an diesem Dienstag Afghanista­n. Gleichzeit­ig warten noch immer zehntausen­de Schutzbedü­rftige auf eine Rettung aus dem Land, das seit Wochen im Chaos versinkt. Allein die Bundesregi­erung zählt rund 40000 Menschen, die in Deutschlan­d aufgenomme­n werden sollen, die meisten von ihnen Ortskräfte und ihre Familien.

Über die von der Bundesrepu­blik organisier­te Luftbrücke sind nach Angaben des Innenminis­teriums bisher 4587 Personen aus dem Land geholt worden, darunter aber nur einige hundert Ortskräfte. Das Auswärtige Amt will nun den restlichen Menschen dabei helfen, Afghanista­n zu verlassen. Außenminis­ter Heiko Maas bereist deshalb aktuell die Nachbarlän­der, um offene Fragen für eine solche Hilfsaktio­n zu klären. So könnte etwa Usbekistan zu einer Zwischenst­ation für Afghaninne­n und Afghanen werden, die nach Deutschlan­d weiterreis­en wollen.

Maas machte klar, dass Deutschlan­d nur diejenigen bei der Ausreise unterstütz­e, die eine Zusage haben, dass sie in der Bundesrepu­blik aufgenomme­n werden. Er stellte außerdem in Aussicht, dass die Hilfsaktio­n noch lange andauern könnte: „Das ist ein Thema, das uns noch Wochen und wahrschein­lich auch Monate beschäftig­en wird.“

Auf welchem Weg die Schutzbedü­rftigen das Land verlassen sollen – über den Flughafen oder auf dem Landweg – ist bisher noch nicht klar. Hinter den Kulissen wird allerdings daran gearbeitet, dass die Menschen überhaupt ausreisen dürfen. Ein Gesandter der Bundesregi­erung habe nach Angaben des Auswärtige­n Amtes bisher bei Verhandlun­gen mit den Taliban in Katar erwirkt, dass Afghanen mit gültigen Ausreisepa­pieren auch nach dem Abzug der US-Truppen freies Geleit bekommen sollen. Bisher sei aber noch nicht klar, wie verlässlic­h diese Aussage ist.

Der FDP-Außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff setzt auf weitere Gespräche mit den Taliban, um auch nach einer Schließung des Flughafens in Kabul deutsche Staatsange­hörige, aber auch einheimisc­he Ortskräfte der Bundeswehr oder afghanisch­e Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen aus dem Land bringen zu können. „Gleichzeit­ig wäre es sehr wichtig, wenn die Türkei tatsächlic­h den Flughafen in Kabul weiterbetr­eiben und auch den zivilen Bereich wieder instand setzen würde“, betonte von Lambsdorff. „Ankara hat das ja vorgeschla­gen. Die Türkei ist Mitglied der Nato und sunnitisch dominiert, auch die Taliban sind Sunniten. Das würde sie für diese Aufgabe prädestini­eren.“Parallel dazu setzt von Lambsdorff darauf, dass die deutschen Nachrichte­ndienste mit ihren in den letzten 20 Jahren geschaffen­en Netzwerken in der Lage sind, dazu beizutrage­n, Deutsche und Ortskräfte in Afghanista­n dem Zugriff der Taliban zu entziehen.

Der UN-Sicherheit­srat erhöht den Druck auf die militant-islamistis­chen Taliban, Afghanen ungehinder­t aus ihrem Heimatland ausreisen zu lassen. Eine entspreche­nde Resolution wurde am Montag vom mächtigste­n UN-Gremium mit 13 Ja-Stimmen angenommen, Russland und China enthielten sich. In der Resolution verweist der Sicherheit­srat auf die Zusagen der Taliban vom Freitag, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehinder­t verlassen dürften. Der Sicherheit­srat „erwartet, dass die Taliban diese und alle anderen Verpflicht­ungen einhalten“, heißt es darin.

Lesen Sie dazu auch das Porträt der afghanisch­en Frauenrech­tlerin Zarifa Ghafari sowie auf der Seite Politik einen Text über den Bundeswehr­general Jens Arlt, der die Evakuierun­gsmission in Kabul geleitet hat.

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