Mittelschwaebische Nachrichten
Zehntausende Afghanen warten auf Rettung
Die Bundesregierung will bis zu 40 000 Menschen bei der Ausreise helfen
Augsburg Die letzten US-Soldaten verlassen an diesem Dienstag Afghanistan. Gleichzeitig warten noch immer zehntausende Schutzbedürftige auf eine Rettung aus dem Land, das seit Wochen im Chaos versinkt. Allein die Bundesregierung zählt rund 40000 Menschen, die in Deutschland aufgenommen werden sollen, die meisten von ihnen Ortskräfte und ihre Familien.
Über die von der Bundesrepublik organisierte Luftbrücke sind nach Angaben des Innenministeriums bisher 4587 Personen aus dem Land geholt worden, darunter aber nur einige hundert Ortskräfte. Das Auswärtige Amt will nun den restlichen Menschen dabei helfen, Afghanistan zu verlassen. Außenminister Heiko Maas bereist deshalb aktuell die Nachbarländer, um offene Fragen für eine solche Hilfsaktion zu klären. So könnte etwa Usbekistan zu einer Zwischenstation für Afghaninnen und Afghanen werden, die nach Deutschland weiterreisen wollen.
Maas machte klar, dass Deutschland nur diejenigen bei der Ausreise unterstütze, die eine Zusage haben, dass sie in der Bundesrepublik aufgenommen werden. Er stellte außerdem in Aussicht, dass die Hilfsaktion noch lange andauern könnte: „Das ist ein Thema, das uns noch Wochen und wahrscheinlich auch Monate beschäftigen wird.“
Auf welchem Weg die Schutzbedürftigen das Land verlassen sollen – über den Flughafen oder auf dem Landweg – ist bisher noch nicht klar. Hinter den Kulissen wird allerdings daran gearbeitet, dass die Menschen überhaupt ausreisen dürfen. Ein Gesandter der Bundesregierung habe nach Angaben des Auswärtigen Amtes bisher bei Verhandlungen mit den Taliban in Katar erwirkt, dass Afghanen mit gültigen Ausreisepapieren auch nach dem Abzug der US-Truppen freies Geleit bekommen sollen. Bisher sei aber noch nicht klar, wie verlässlich diese Aussage ist.
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff setzt auf weitere Gespräche mit den Taliban, um auch nach einer Schließung des Flughafens in Kabul deutsche Staatsangehörige, aber auch einheimische Ortskräfte der Bundeswehr oder afghanische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen aus dem Land bringen zu können. „Gleichzeitig wäre es sehr wichtig, wenn die Türkei tatsächlich den Flughafen in Kabul weiterbetreiben und auch den zivilen Bereich wieder instand setzen würde“, betonte von Lambsdorff. „Ankara hat das ja vorgeschlagen. Die Türkei ist Mitglied der Nato und sunnitisch dominiert, auch die Taliban sind Sunniten. Das würde sie für diese Aufgabe prädestinieren.“Parallel dazu setzt von Lambsdorff darauf, dass die deutschen Nachrichtendienste mit ihren in den letzten 20 Jahren geschaffenen Netzwerken in der Lage sind, dazu beizutragen, Deutsche und Ortskräfte in Afghanistan dem Zugriff der Taliban zu entziehen.
Der UN-Sicherheitsrat erhöht den Druck auf die militant-islamistischen Taliban, Afghanen ungehindert aus ihrem Heimatland ausreisen zu lassen. Eine entsprechende Resolution wurde am Montag vom mächtigsten UN-Gremium mit 13 Ja-Stimmen angenommen, Russland und China enthielten sich. In der Resolution verweist der Sicherheitsrat auf die Zusagen der Taliban vom Freitag, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Der Sicherheitsrat „erwartet, dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten“, heißt es darin.
Lesen Sie dazu auch das Porträt der afghanischen Frauenrechtlerin Zarifa Ghafari sowie auf der Seite Politik einen Text über den Bundeswehrgeneral Jens Arlt, der die Evakuierungsmission in Kabul geleitet hat.