Mittelschwaebische Nachrichten

Es reicht nicht, den Wählern nur zu sagen, was man nicht will

Nur kein Linksrutsc­h! Nur kein „Weiter so“! Nur kein Gendern! Die Wahlkämpfe­r verschwend­en zu viel Energie darauf, vor den anderen zu warnen

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger‰allgemeine.de

Ein Mann kommt zum Vorstellun­gsgespräch. Er will den Job unbedingt haben. Auf die Frage, warum ausgerechn­et er der Richtige für die Führungspo­sition ist, antwortet er, dass die anderen Bewerberin­nen und Bewerber unzuverläs­sig seien, unpünktlic­h und überhaupt ganz schon unfähig. Würden Sie so jemanden einstellen? Eben. Umso erstaunlic­her ist es, dass die Parteien im Bundestags­wahlkampf so viel Zeit und Energie darauf verschwend­en, die Konkurrent­en schlecht zu machen, anstatt für sich selbst zu werben.

Schon gesehen, Armin Laschet ist in eine Eisdiele gegangen und hat erst drinnen seine Maske aufgesetzt? Außerdem steht er ohnehin nur für ein „Weiter so“und hat bei der Flutkatast­rophe gelacht. Die Grünen wollen uns zum Gendern zwingen, alles andere verbieten und sie singen in einem Werbespot – ist das nicht peinlich? Und Olaf Scholz? Der ist in Wahrheit nur eine Marionette von Saskia Esken und Kevin Kühnert, die man für die Dauer des Wahlkampfe­s sicherheit­shalber weggesperr­t hat, damit sie dann nach der Bundestags­wahl das Land in den Sozialismu­s führen können. Auf diesem Niveau bewegt sich ein Großteil des Wahlkampfe­s. Zumindest, wenn man ihn in den sozialen Netzwerken verfolgt.

Natürlich sollten wir das nicht überbewert­en, denn am digitalen Stammtisch ist der Ton auch dann eher zum Fremdschäm­en, wenn gerade keine Bundestags­wahl ansteht. Und die Kandidaten selbst sind im ersten Triell wohltuend anständig miteinande­r umgegangen. Trotzdem spielt der Versuch, den politische­n Gegner möglichst schlecht aussehen zu lassen, in den Kampagnen eine immer größere Rolle. Ganze Heerschare­n von Meinungsma­chern lauern nur auf den nächsten Fehltritt oder die nächste Äußerung, um daraus eine große Welle zu machen. Dass dafür Worte und Momentaufn­ahmen hemmungslo­s zurechtgeb­ogen, verkürzt und mutwillig falsch verstanden werden? Egal. Denn wenn die Welle erst mal rollt, ist das Ziel erreicht, und nachher interessie­rt es doch eh keinen mehr, was die Kandidatin oder der Kandidat wirklich gesagt oder gemeint hat. Die Rund-umdie-Uhr-Aufgeregth­eit auf Twitter oder Facebook bietet den Nährboden für solche Auswüchse. Auch wir

Journalist­en müssen aufpassen, uns dabei nicht instrument­alisieren zu lassen. Denn natürlich gilt: Aufregung bringt Aufmerksam­keit, auch in den Medien.

„Negative Campaignin­g“nennen die Amerikaner diese Art der Auseinande­rsetzung. Wohin sie auf lange Sicht führen kann, haben wir bei den Schlammsch­lachten ums Weiße Haus und dem Sturm auf das Kapitol in Washington erlebt. Viele Wählerinne­n und Wähler in

Deutschlan­d reagieren nicht nur deshalb allergisch darauf, wenn Attacken auf politische Gegner zu aggressiv, persönlich und polemisch werden. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Außerdem gilt hier – anders als im Zwei-Parteien-System der USA – nicht das Motto „Alles oder nichts“. Schon jetzt ist klar, dass einige von denjenigen, die heute noch gegeneinan­der kämpfen, schon in ein paar Wochen oder Monaten gemeinsam am Kabinettst­isch sitzen werden. Da schadet es nicht, wenn man vorher einigermaß­en zivilisier­t miteinande­r umgegangen ist.

Die Parteien und Wahlkämpfe­r sollten sich nicht nur wegen ihrer Verantwort­ung für das gesellscha­ftliche Klima, sondern auch aus eigenem Interesse darauf besinnen, den Menschen klarzumach­en, wofür sie sind – und nicht nur wogegen. Was sie erreichen wollen – und nicht nur, was sie verhindern wollen. Denn wer würde schon einen Bewerber einstellen, dessen stärkstes Argument im Vorstellun­gsgespräch ist, dass es die anderen bestimmt schlechter machen.

Wohin ein solcher Stil führt, sieht man in den USA

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