Mittelschwaebische Nachrichten
Es reicht nicht, den Wählern nur zu sagen, was man nicht will
Nur kein Linksrutsch! Nur kein „Weiter so“! Nur kein Gendern! Die Wahlkämpfer verschwenden zu viel Energie darauf, vor den anderen zu warnen
Ein Mann kommt zum Vorstellungsgespräch. Er will den Job unbedingt haben. Auf die Frage, warum ausgerechnet er der Richtige für die Führungsposition ist, antwortet er, dass die anderen Bewerberinnen und Bewerber unzuverlässig seien, unpünktlich und überhaupt ganz schon unfähig. Würden Sie so jemanden einstellen? Eben. Umso erstaunlicher ist es, dass die Parteien im Bundestagswahlkampf so viel Zeit und Energie darauf verschwenden, die Konkurrenten schlecht zu machen, anstatt für sich selbst zu werben.
Schon gesehen, Armin Laschet ist in eine Eisdiele gegangen und hat erst drinnen seine Maske aufgesetzt? Außerdem steht er ohnehin nur für ein „Weiter so“und hat bei der Flutkatastrophe gelacht. Die Grünen wollen uns zum Gendern zwingen, alles andere verbieten und sie singen in einem Werbespot – ist das nicht peinlich? Und Olaf Scholz? Der ist in Wahrheit nur eine Marionette von Saskia Esken und Kevin Kühnert, die man für die Dauer des Wahlkampfes sicherheitshalber weggesperrt hat, damit sie dann nach der Bundestagswahl das Land in den Sozialismus führen können. Auf diesem Niveau bewegt sich ein Großteil des Wahlkampfes. Zumindest, wenn man ihn in den sozialen Netzwerken verfolgt.
Natürlich sollten wir das nicht überbewerten, denn am digitalen Stammtisch ist der Ton auch dann eher zum Fremdschämen, wenn gerade keine Bundestagswahl ansteht. Und die Kandidaten selbst sind im ersten Triell wohltuend anständig miteinander umgegangen. Trotzdem spielt der Versuch, den politischen Gegner möglichst schlecht aussehen zu lassen, in den Kampagnen eine immer größere Rolle. Ganze Heerscharen von Meinungsmachern lauern nur auf den nächsten Fehltritt oder die nächste Äußerung, um daraus eine große Welle zu machen. Dass dafür Worte und Momentaufnahmen hemmungslos zurechtgebogen, verkürzt und mutwillig falsch verstanden werden? Egal. Denn wenn die Welle erst mal rollt, ist das Ziel erreicht, und nachher interessiert es doch eh keinen mehr, was die Kandidatin oder der Kandidat wirklich gesagt oder gemeint hat. Die Rund-umdie-Uhr-Aufgeregtheit auf Twitter oder Facebook bietet den Nährboden für solche Auswüchse. Auch wir
Journalisten müssen aufpassen, uns dabei nicht instrumentalisieren zu lassen. Denn natürlich gilt: Aufregung bringt Aufmerksamkeit, auch in den Medien.
„Negative Campaigning“nennen die Amerikaner diese Art der Auseinandersetzung. Wohin sie auf lange Sicht führen kann, haben wir bei den Schlammschlachten ums Weiße Haus und dem Sturm auf das Kapitol in Washington erlebt. Viele Wählerinnen und Wähler in
Deutschland reagieren nicht nur deshalb allergisch darauf, wenn Attacken auf politische Gegner zu aggressiv, persönlich und polemisch werden. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Außerdem gilt hier – anders als im Zwei-Parteien-System der USA – nicht das Motto „Alles oder nichts“. Schon jetzt ist klar, dass einige von denjenigen, die heute noch gegeneinander kämpfen, schon in ein paar Wochen oder Monaten gemeinsam am Kabinettstisch sitzen werden. Da schadet es nicht, wenn man vorher einigermaßen zivilisiert miteinander umgegangen ist.
Die Parteien und Wahlkämpfer sollten sich nicht nur wegen ihrer Verantwortung für das gesellschaftliche Klima, sondern auch aus eigenem Interesse darauf besinnen, den Menschen klarzumachen, wofür sie sind – und nicht nur wogegen. Was sie erreichen wollen – und nicht nur, was sie verhindern wollen. Denn wer würde schon einen Bewerber einstellen, dessen stärkstes Argument im Vorstellungsgespräch ist, dass es die anderen bestimmt schlechter machen.
Wohin ein solcher Stil führt, sieht man in den USA