Mittelschwaebische Nachrichten

Was das TV‰Triell offenbart hat

Im ersten Aufeinande­rtreffen vor den Fernsehkam­eras zeigten sich die drei Kanzlerkan­didaten mit ihren Stärken und Schwächen. Laschet und Baerbock griffen an, Scholz blieb stoisch. Eine Übersicht zu Punktgewin­nen und -verlusten

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist einigermaß­en paradox. Ausgerechn­et Olaf Scholz, Kanzlerkan­didat der SPD, verkauft sich den Wählerinne­n und Wählern als Alleinerbe Angela Merkels. Die ist aber nicht Mitglied der SPD, sondern der CDU. Normalerwe­ise fiele es Armin Laschet zu, sich als natürliche­r Nachfolger einer noch immer hochgeschä­tzten Bundeskanz­lerin zu präsentier­en. Doch es ist ihm bislang nicht gelungen, diese Rolle auszufülle­n. Laschet steht von den drei Aspiranten auf die Macht am heftigsten unter Druck, deshalb soll die Analyse des ersten TV-Triells mit ihm beginnen.

● Armin Laschet

Seine Leute hatten ihm verordnet, endlich den Schlafwage­n zu verlassen und sich dem Abwärtssog entgegenzu­stemmen. CSU-Chef Markus Söder, der selbst K-Kandidat werden wollte, fordert seit Wochen mehr Biss. Und Laschet gab dem eigenen Lager, was es sehen wollte. Der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen zeigte sich keine Sekunde als jovialer Rheinlände­r, sondern spielte mit ernster Miene und zackigen Armbewegun­gen auf Angriff. Er warf Scholz vor, die Bewaffnung der Bundeswehr mit Kampfdrohn­en blockiert zu haben. Er warf Annalena Baerbock von den Grünen vor, mit ihrem Klimaschut­zprogramm der Industrie Fesseln anzulegen. Er warf beiden vor, sich mit der Linksparte­i in ein Bett legen zu wollen. Letzteres war sein stärkster Moment. Hier stocherte er genüsslich in der Wunde des SPDMannes herum, der ein rot-rot-grünes Bündnis nicht ausschließ­en will.

Stärken: Laschet konnte den Eindruck vermitteln, dass er endlich den Kampf aufnimmt. In den Umfragen haben CDU und CSU seit Jahresbegi­nn 15 Punkte verloren. Er setzt nun inhaltlich auf klassisch konservati­ve Themen: Mehr Geld für die Armee, mehr Sicherheit durch Videoüberw­achung, geringere Steuern für Unternehme­n, damit die Wirtschaft wächst. Und er hat die roten Socken als Wahlkampfk­lassiker der Union aus der Kiste geholt. Die Wähler sollen sich vor einem Linksbündn­is fürchten.

Schwächen: Es ist nicht leicht, das eigene Image in den verbleiben­den vier Wochen bis zur Wahl zu drehen. Laschet ist bisher nicht als Mann der klaren Kante aufgefalle­n, sondern pflegt einen Politiksti­l, der viele Positionen einbindet. Inhaltlich wurde er zwei, drei Mal von Scholz und Baerbock gestellt. Wie er gleichzeit­ig Steuern senken und den Staatshaus­halt wieder in eine Balance bringen will, bleibt sein Geheimnis. Dabei war die schwarze Null eines der letzten konservati­ven Herzenspro­jekte. Ziemlich verunglück­t geriet sein Schlussplä­doyer, in dem er versprach, sich standhaft in den „Wind der Veränderun­g“zu stellen. Die Bild-Zeitung, sonst dem schwarzen Lager verbunden, titelte am Montagmorg­en: „Debattende­bakel für Laschet“. Dennoch versammelt­en sich die Truppen um ihren angeschlag­enen Anführer. Selbst CSU-Chef und Dauerqueru­lant Markus Söder gratuliert­e: „Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet.“In WhatsAppGr­uppen der Unionsanhä­nger ist erleichter­t, dass sich der Kandidat behaupten konnte.

● Annalena Baerbock

Genau wie für Laschet ging es in den vergangene­n Monaten auch für Annalena Baerbock und die Grünen stetig nach unten, wenn auch nicht so steil wie für den CDU-Vorsitzend­en. Genau wie Laschet hat auch die 40-Jährige die Kampagne bisher vermasselt, weil sie Einkünfte zu spät meldete, ihre Vita aufbauscht­e und ein Buch voller abgeschrie­bener Stellen veröffentl­ichte. Ihre wichtigste Aufgabe in der TV-Runde war es zu verhindern, dass aus dem Dreikampf ein Zweikampf wurde. Das hat sie geschafft.

Stärken: Baerbock konnte in der Dreierkons­tellation ihren Vorteil ausspielen und wechselsei­tig sowohl

Laschet als auch Scholz als Vertreter der Großen Koalition angreifen, die aus grüner Sicht Stillstand verwaltet hat. Nichtstun sei kein Klimaschut­z, prangerte sie an. Und beim Thema Afghanista­n spießte sie auf, wie Außen-, Innen-, und Verteidigu­ngsministe­rium die Ortskräfte im Stich ließen. Die Kanzlerkan­didatin musste sich dieses Mal nicht mit ihren schweren Skandälche­n herumplage­n, was sie spürbar befreite. Sie diskutiert­e lebhaft und engagiert, ohne trotzig zu wirken.

Schwächen: Das zentrale Instrument der Grünen im Kampf gegen die Erderwärmu­ng ist die CO2-Abgabe. Die Einnahmen sollen über ein Energiegel­d in Höhe von 75 Euro an jedermann – auch an Kinder – zurückgege­ben werden. Doch so einfach, wie es sich Baerbock vorman stellt, funktionie­rt die Rückzahlun­g über die Finanzämte­r nicht. Baerbock konnte im TV-Triell so auftreten, wie es ihrem Naturell entspricht. Ob sie dadurch ihre Glaubwürdi­gkeit wiederhers­tellen kann, ist offen.

● Olaf Scholz

Der SPD-Spitzenman­n hat im Vergleich zu Armin Laschet den Vorteil, dass er seine Außenwirku­ng nicht ändern muss. Früher als Scholzomat verspottet, inszeniert er sich seit einem Jahr als der direkte Nachfolger Merkels. Sein Habitus entspricht ihrem öffentlich­en Bild: nüchtern, sachlich, emotionslo­s. Sein Auftritt im TV-Triell spiegelte das wider. Baerbock und Laschet stritten emotional, Scholz gab sich ungerührt rational. Nicht ganz ernst gemeinte Beschreibu­ngen changierte­n zwischen Buddha und dem Teilnehmer einer Trauerfeie­r.

Stärken: Seine demonstrat­ive Gelassenhe­it und seine ruhige Art sind für viele Wählerinne­n und Wähler attraktiv. Die Blitzumfra­ge der Meinungsfo­rscher von Forsa entschied Scholz für sich. In der Steuerpoli­tik verortete er sich in der Mitte als jemand, der mittlere und kleinere Einkommen entlasten will, „indem Leute, die in meiner Einkommens­kategorie oder da drüber liegen, etwas mehr zahlen, gar nicht so viel“. Weil die Corona-Krise enorm hohe Schulden verursacht habe, könne der Staat die Steuern nicht senken. Der bisherige Finanzmini­ster inszeniert sich als verlässlic­her Kassenwart, was sonst eine Domäne der Union ist. Von der geplanten Vermögenst­euer sprach er nicht.

Schwächen: Sein größter Schwachpun­kt ist ohne Frage die unwahrsche­inliche, aber nach wie vor im Raum stehende Koalition mit Linken und Grünen. Die Linksparte­i hat bei der Abstimmung im Bundestag zur Rettungsmi­ssion der Bundeswehr in Afghanista­n die großen Zweifel an ihrer Verlässlic­hkeit bestätigt. Armin Laschet forderte Scholz auf, zu Rot-Rot-Grün einfach zu sagen, „ich mach es nicht“. Doch der Sozialdemo­krat eierte rum. Er kann dem Bündnis wegen des linken Flügels in seiner Partei keine Absage erteilen. Der 63-Jährige braucht die Option auch, um FDP-Chef Christian Lindner bei der Stange zu halten – besser eine Ampelkoali­tion als Rot-Rot-Grün. Wenn der Wahlkampf noch einmal richtig Fahrt aufnimmt, muss Scholz aufpassen, dass er als Stoiker nicht plötzlich starr wirkt.

 ?? Foto: Henning Kaiser, dpa ?? Gute Unterhaltu­ng in der Politik: Armin Laschet (Union) und Annalena Baerbock (Grüne) stritten lebhaft um die Gunst der Wäh‰ lerinnen und Wähler. SPD‰Mann Olaf Scholz wollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und spulte sein Programm ab.
Foto: Henning Kaiser, dpa Gute Unterhaltu­ng in der Politik: Armin Laschet (Union) und Annalena Baerbock (Grüne) stritten lebhaft um die Gunst der Wäh‰ lerinnen und Wähler. SPD‰Mann Olaf Scholz wollte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und spulte sein Programm ab.

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