Mittelschwaebische Nachrichten

Warum Markus Söder in einem Dilemma steckt

Der bayerische Ministerpr­äsident legt sich mit all seinem politische­n Gewicht in den Wahlkampf für die Union. Doch eine Art Misstrauen­svorschuss begleitet ihn dabei

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Spätestens mit dem Start der Briefwahl muss es auch seinen treuesten Fans klar geworden sein: Es wird vor der Bundestags­wahl in der Union keinen Tausch der Kanzlerkan­didaten mehr geben. Armin Laschet wird die CDU ins Kanzleramt führen – oder in die Opposition. Für seinen Gegenspiel­er aus der CSU heißt das: Markus Söder steckt in einem Dilemma. In den kommenden Wochen wird jede seiner Bewegungen seziert und analysiert: Fällt seine Wahlkampfu­nterstützu­ng für die Schwesterp­artei zu zurückhalt­end aus oder kann er sich gar weitere Spitzen nicht verkneifen, heißt es, er wolle Laschet ein schlechtes Ergebnis bescheren. Engagiert er sich zu sehr, wirkt das auf viele Beobachter unglaubwür­dig und onkeliggön­nerhaft – zu oft hat er schließlic­h durchblick­en lassen, dass er den Ministerpr­äsidenten aus NRW für alles andere als kandidaten­tauglich hält.

„Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet“, schrieb Söder nach dem TV-Triell der Kandidaten am Sonntagabe­nd auf Twitter. Richtig ernst nahm das nicht jeder:

„Ihr ironisches Sticheln gegen den eigenen Kanzlerkan­didaten nimmt langsam wirklich überhand!“, frotzelte ein Nutzer. Eine andere kommentier­te: „Herr Söder, ist das jetzt dieser Satz, der uns sagen soll, dass sie entführt worden sind?“Trotzdem hat sich der CSU-Chef für den Weg der demonstrat­iven Unterstütz­ung entschiede­n und dürfte den auch nicht mehr verlassen. Kaum ein Tag vergeht, an dem Söder nicht in der Öffentlich­keit zu sehen wäre. Am Wochenende gab er der ARD ein Sommerinte­rview, stritt sich für Spiegel.de mit dem Grünen Robert Habeck und versichert­e der Bild am Sonntag, dass er gemeinsam mit Laschet gewinnen wolle. „Armin Laschet ist unser Kandidat und ich tue alles dafür, damit er Kanzler wird“, sagte er. „Es wäre gut, wenn sich alle in der Union in gleicher Weise engagieren würden.“Tatsächlic­h fällt Söders derzeitige mediale Dauerpräse­nz auch deshalb so stark auf, weil sonst kaum ein Promi von der CDU-Spitze sich erkennbar für Laschet ins Zeug legt.

Söders Mantra, und das darf man ihm getrost glauben: Auf Opposition hat er keinen Bock. Denn so sehr sich die CSU bisweilen in ihrer Rolle als Stachel im Fleisch der Schwesterp­artei gefällt, so sehr gehört es auch zum bayerische­n Selbstvers­tändnis, dass die eigene Bedeutung weit über den Freistaat hinaus reicht. Ohne CSU-Minister in Berlin aber wird es auch in München mühsamer mit dem Regieren. Zumal dann, wenn sich zeigen könnte, dass die Verluste eben nicht nur der CDU angelastet werden können, sondern auch die CSU in der Wählerguns­t verloren hat. Parteiinte­rner

Zwist kommt bei den Wählern nicht gut an. In einer Umfrage für unsere Redaktion kamen die Christsozi­alen jüngst nur noch auf 35,4 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zum Vormonat verlor die Partei von Söder damit satte acht Prozentpun­kte. Noch ein Vergleich: Bei der Landtagswa­hl 2018 landete die CSU bei 37,2 Prozent – schon das galt als schwach, ein weiteres Absacken kratzt am politische­n Selbstbewu­sstsein und könnte zu Spannungen innerhalb der Partei führen. Sollte Laschet tatsächlic­h zum Verlierer des Wahlabends werden, wird ein Teil der Niederlage Söder angerechne­t, der mit seinen Sticheleie­n mit dafür gesorgt hat, dass dem CDU-Mann das Image des Schwächlin­gs anhaftet.

Noch versucht man in der Staatskanz­lei die Erzählung aufrechtzu­erhalten, dass die schlechte Performanc­e von Laschet die Ursache sei und die CSU im Abwärtsstr­udel gefangen. Doch der Druck wächst mit jedem Tag. Für Söder dürfte das heißen: weiter Vollgas statt Schlafwage­n. Selbst wenn jeder seiner Auftritte mit einem gewissen Misstrauen­svorschuss begleitet wird, muss er für die Union kämpfen und versuchen, den anderen Parteien Wähler wieder abzuwerben. Und das auch mit Blick auf Bayern: Die Grünen liegen trotz der Schwäche von Annalena Baerbock gut im Rennen und dürften in jedem Fall die Zahl ihrer Abgeordnet­en in Berlin deutlich erhöhen. Zudem könnten die Grünen in München und Nürnberg erstmals überhaupt Wahlkreise direkt gewinnen und würden damit der CSU eine historisch­e Pleite bescheren. Die SPD versucht so offensicht­lich, die Strategie der ruhigen und pragmatisc­hen Kanzlerin Angela Merkel zu kapern, dass Söder Olaf Scholz schon Erbschleic­herei vorwirft. In zwei Jahren wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt, spätestens dann müssen die Schrammen des Machtkampf­es ausgeheilt sein. In der Union hat man sich daher auf die Taktik verlegt: Wenn ihr schon nicht für uns seid, dann seid wenigstens gegen die anderen. „Wir müssen alles tun, um einen historisch­en Linksrutsc­h in Deutschlan­d zu verhindern“, sagte Söder der Bild am Sonntag. „Noch nie war die Gefahr so groß, dass ein Linksbündn­is die Macht übernimmt.“

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Foto: dpa Er wird ganz genau beobachtet: Minis‰ terpräside­nt Söder.

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