Mittelschwaebische Nachrichten

Jens Arlt, der „Held“von Kabul

Viel Anerkennun­g für den Leiter der Evakuierun­gsmission

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Das Bild wird man noch häufiger sehen, wenn die Geschichte des 20-jährigen Bundeswehr-Einsatzes in Afghanista­n erzählt wird: Ein General und eine Verteidigu­ngsministe­rin in inniger Umarmung. Eine symbolisch­e Szene, die durch den Umstand noch an Aussagekra­ft gewinnt, dass Brigadegen­eral Jens Arlt nach der Ankunft der Transportm­aschine auf dem Luftwaffen­stützpunkt in Wunstorf noch sein Sturmgeweh­r trägt, als er Ministerin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in den Arm nimmt. Fast etwas amerikanis­ch wirkt der emotionale Empfang für den 52-jährigen Fallschirm­jäger-General, der die Evakuierun­gsmission in Kabul als Kommandeur leitete, und die rund 600 Frauen und Männer, die den größten und wohl auch dramatisch­sten Rettungsei­nsatz in der Historie der Bundeswehr absolviert und durchgesta­nden haben. „Helden“, wie man an diesem Freitagabe­nd in den Ansprachen immer wieder hört.

Wer ist der Brigadegen­eral, der den elftägigen Einsatz ohne Tote und Verletzte abschließe­n konnte? Ein versierter, erfahrener Militär – natürlich. Aber das hätte in diesem Fall wohl nicht als Kompetenz ausgereich­t. Gefragt war auch ausgeprägt­es diplomatis­ches Gespür. Schließlic­h wurde in und um den Flughafen ständig verhandelt, gefeilscht und diskutiert. Und zwar nicht nur unter den Kommandant­en

Der General und die Ministerin: Jens Arlt mit Annegret Kramp‰Karrenbaue­r in Wunstorf.

der verbündete­n Streitkräf­te, sondern eben auch mit den Taliban. Ein Ritt auf der Rasierklin­ge. Schließlic­h stand die Mission unter der ständigen Bedrohung durch Terroriste­n, die in dem blutigen Anschlag vom Donnerstag mit mehr als 180 Toten Realität wurde. An den Nerven zehrte auch die allgegenwä­rtige Sorge vor einer Panik unter den Tausenden, die über Tage den Flughafen Tag und Nacht belagerten – in der verzweifel­ten Hoffnung, der Rache der Taliban zu entkommen.

Arlt wurde erst im Dezember 2020 zum General befördert. Eine bemerkensw­erte Karriere für jemanden, der nie an einer Bundeswehr-Universitä­t studiert hat. Nach dem Abitur absolviert­e Arlt 1989 die Wehrpflich­t. Nach einigen Jahren bei der Panzertrup­pe schaffte er den harten Eignungste­st für die Sondereinh­eit Kommando Spezialkrä­fte (KSK). Dort blieb er mit Unterbrech­ungen bis 2011. Oft an vorderster Front, wie bei Auslandsei­nsätzen in Bosnien und im Kosovo.

Als sich abzeichnet­e, dass die Mission auf ein schauriges Finale im von den Taliban eroberten Kabul zusteuern würde, setzte die Ministerin auf Arlt, dem sie ausdrückli­ch „jegliche operatione­lle Freiheit und politische Rückendeck­ung“zusicherte. Was im Umkehrschl­uss bedeutete, dass der verheirate­te Vater von drei Kindern von nun an mit seinen Leuten auf sich alleine gestellt sein würde. Zeit, in Berlin um Rat zu fragen, gab es in dem Chaos am Flughafen ohnehin nicht.

Dass alle Soldaten und Soldatinne­n wohlbehalt­en zurück sind, dürfte auch die Umarmung von Wunstorf erklären. Die Anspannung war extrem. Bei Arlt, aber auch bei Kramp-Karrenbaue­r. „Dieser Einsatz wird mich prägen, wird uns alle prägen“, sagte der Brigadegen­eral sichtlich berührt.

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Foto: Daniel Reinhardt, dpa

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