Mittelschwaebische Nachrichten
Prozess um Missbrauch endet mit Freispruch
Justiz Einem Mann aus dem Landkreis Neu-Ulm wurde vorgeworfen, sein Pflegekind sexuell missbraucht zu haben
NeuUlm Die Vorwürfe der Anklagebehörde waren massiv: Ein 55-Jähriger aus dem südlichen Landkreis soll ein sechsjähriges Mädchen zwischen März 2019 und Februar 2020 in seiner Wohnung dreimal sexuell missbraucht haben. Es lebte damals bei ihm und seiner Frau als Pflegekind. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe. Jetzt ist in dem Prozess am Amtsgericht NeuUlm das Urteil gefallen.
Der Angeklagte wurde freigesprochen. Für das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Bernhard Lang blieben Zweifel, ob die Aussagen des Mädchens der Wirklichkeit entsprachen. Und in diesem Fall sei nur ein Freispruch möglich, sagte Lang: „In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.“
Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs stehe und falle mit der Aussage des heute achtjährigen Mädchens, sagte Richter Bernhard Lang in seiner Urteilsbegründung. Angaben des Kindes lägen jedoch nur indirekt vor, nämlich durch die Aussage eines Sozialarbeiters, der als Zeuge vernommen wurde. Das Kind selbst sei vor Gericht nicht zu einer Schilderung der Vorfälle zu bewegen gewesen. Ihm habe lediglich entlockt werden können, sie es vom Angeklagten und seiner Frau weggekommen, „weil etwas Schlimmes passiert ist“.
Der Prozess fand größtenteils nicht öffentlich statt. Auch die Zeugen sagten hinter verschlossenen Türen aus. Unter ihnen der besagte Sozialarbeiter. Dieser hatte voriges Jahr einen Anruf von der Ehefrau des Angeklagten bekommen, die ihm entsetzt einen Vorfall schilderte. Ihr Pflegekind habe zu ihr gesagt, sie möge den Angeklagten, aber sie möge es nicht, wenn er seinen Penis an ihr reibe, das finde sie eklig. So kamen die Ermittlungen der Polizei ins Rollen, und der Fall landete vor Gericht.
In dem Prozess habe der Sozialarbeiter als Zeuge von einer sehr ambivalenten Beziehung des mutmaßlichen Opfers zum Angeklagten gesprochen, erläuterte der Richter. Einerseits habe das Mädchen immer wieder die Aufmerksamkeit des Mannes gesucht und sich auf seinen Schoß gesetzt. Andererseits habe es oft Streit gegeben, und das Kind habe abweisend reagiert. Das Verhältnis sei außergewöhnlich gewesen.
Das Gericht konnte nach Abschluss der Beweisaufnahme nicht ausschließen, dass das Mädchen den Mann falsch bezichtigt hatte. Es sei sicherlich nicht das Ziel der Zeugin gewesen, den Angeklagten ins Gefängnis zu bringen. „Sie hat ihn gemocht.“ Das Motiv einer Falschbezichtigung könne darin liegen, dass das Kind „Aufmerksamkeit erlangen und die Eheleute spalten wollte“, so Bernhard Lang. Dieses Motiv lasse sich nicht ausschließen. Auch die Sachverständige habe dies nicht gekonnt.
Es blieben restliche Zweifel an der Erlebnisbasiertheit der Aussagen des Kindes, daher sei der Angeklagte freizusprechen, erläuterte Richter Lang. Wenn auch gesagt werden müsse, dass es durchaus so gewesen sein könnte. Sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Klaus Knopf, erklärten, dass sie auf Rechtsmittel verzichteten. Damit ist das Urteil rechtskräftig.