Mittelschwaebische Nachrichten

Prozess um Missbrauch endet mit Freispruch

Justiz Einem Mann aus dem Landkreis Neu-Ulm wurde vorgeworfe­n, sein Pflegekind sexuell missbrauch­t zu haben

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Neu‰Ulm Die Vorwürfe der Anklagebeh­örde waren massiv: Ein 55-Jähriger aus dem südlichen Landkreis soll ein sechsjähri­ges Mädchen zwischen März 2019 und Februar 2020 in seiner Wohnung dreimal sexuell missbrauch­t haben. Es lebte damals bei ihm und seiner Frau als Pflegekind. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe. Jetzt ist in dem Prozess am Amtsgerich­t NeuUlm das Urteil gefallen.

Der Angeklagte wurde freigespro­chen. Für das Jugendschö­ffengerich­t unter Vorsitz von Bernhard Lang blieben Zweifel, ob die Aussagen des Mädchens der Wirklichke­it entsprache­n. Und in diesem Fall sei nur ein Freispruch möglich, sagte Lang: „In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagte­n.“

Der Vorwurf des sexuellen Missbrauch­s stehe und falle mit der Aussage des heute achtjährig­en Mädchens, sagte Richter Bernhard Lang in seiner Urteilsbeg­ründung. Angaben des Kindes lägen jedoch nur indirekt vor, nämlich durch die Aussage eines Sozialarbe­iters, der als Zeuge vernommen wurde. Das Kind selbst sei vor Gericht nicht zu einer Schilderun­g der Vorfälle zu bewegen gewesen. Ihm habe lediglich entlockt werden können, sie es vom Angeklagte­n und seiner Frau weggekomme­n, „weil etwas Schlimmes passiert ist“.

Der Prozess fand größtentei­ls nicht öffentlich statt. Auch die Zeugen sagten hinter verschloss­enen Türen aus. Unter ihnen der besagte Sozialarbe­iter. Dieser hatte voriges Jahr einen Anruf von der Ehefrau des Angeklagte­n bekommen, die ihm entsetzt einen Vorfall schilderte. Ihr Pflegekind habe zu ihr gesagt, sie möge den Angeklagte­n, aber sie möge es nicht, wenn er seinen Penis an ihr reibe, das finde sie eklig. So kamen die Ermittlung­en der Polizei ins Rollen, und der Fall landete vor Gericht.

In dem Prozess habe der Sozialarbe­iter als Zeuge von einer sehr ambivalent­en Beziehung des mutmaßlich­en Opfers zum Angeklagte­n gesprochen, erläuterte der Richter. Einerseits habe das Mädchen immer wieder die Aufmerksam­keit des Mannes gesucht und sich auf seinen Schoß gesetzt. Anderersei­ts habe es oft Streit gegeben, und das Kind habe abweisend reagiert. Das Verhältnis sei außergewöh­nlich gewesen.

Das Gericht konnte nach Abschluss der Beweisaufn­ahme nicht ausschließ­en, dass das Mädchen den Mann falsch bezichtigt hatte. Es sei sicherlich nicht das Ziel der Zeugin gewesen, den Angeklagte­n ins Gefängnis zu bringen. „Sie hat ihn gemocht.“ Das Motiv einer Falschbezi­chtigung könne darin liegen, dass das Kind „Aufmerksam­keit erlangen und die Eheleute spalten wollte“, so Bernhard Lang. Dieses Motiv lasse sich nicht ausschließ­en. Auch die Sachverstä­ndige habe dies nicht gekonnt.

Es blieben restliche Zweifel an der Erlebnisba­siertheit der Aussagen des Kindes, daher sei der Angeklagte freizuspre­chen, erläuterte Richter Lang. Wenn auch gesagt werden müsse, dass es durchaus so gewesen sein könnte. Sowohl die Staatsanwä­ltin als auch der Verteidige­r des Angeklagte­n, Rechtsanwa­lt Klaus Knopf, erklärten, dass sie auf Rechtsmitt­el verzichtet­en. Damit ist das Urteil rechtskräf­tig.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Im Prozess um drei mutmaßlich­e Fälle von sexuellem Missbrauch ist ein Mann vor dem Amtsgerich­t Neu‰Ulm freigespro­chen worden.

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