Mittelschwaebische Nachrichten

Michel Barnier will Macron beerben

Michel Barnier hat den EU-Ausstieg Großbritan­niens verhandelt. Nun will er französisc­her Präsident werden. Seine Partei muss er davon aber erst überzeugen

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Die Nachricht hat in Frankreich keine großen Wellen geschlagen. Es heißt sogar, am Ende der Rede beim Sommerpart­eitag der konservati­ven Republikan­er hätten sich gerade einmal zwei Personen von ihren Stühlen erhoben, um dem Kandidaten zu applaudier­en: Michel Barnier konnte mit seiner Ankündigun­g, bei der nächsten Präsidents­chaftswahl im April 2022 ins Rennen zu gehen, bis jetzt keine Begeisteru­ngsstürme auslösen. Und doch glaubt der elegant auftretend­e, groß gewachsene 70-Jährige offensicht­lich an seine Chancen.

Barniers größter Trumpf ist seine politische Erfahrung auch auf der europäisch­en Bühne: Er war unter anderem Abgeordnet­er und Senator, Umweltmini­ster, beigeordne­ter Minister für Europa, Außen- und Agrarminis­ter sowie in Brüssel EU-Kommissar für Struktur- und Regionalpo­litik, Binnenmark­t und Dienstleis­tungen und zuletzt Chefunterh­ändler für den Brexit. Mit seiner Bewerbung für das Amt des EU-Kommission­spräsident­en 2014 scheiterte er zwar an seinem Rivalen Jean-Claude Juncker, dennoch arbeitete er auch im Anschluss eng mit diesem zusammen.

Barnier gilt als teamfähig, kompromiss­bereit und zäh. Letzteres hat er bei den langwierig­en Verhandlun­gen um den Austritt Großbritan­niens aus der EU unter Beweis gestellt: Als „Monsieur Brexit“erreichte er europaweit Bekannthei­t, verhandelt­e mit Staats- und Regierungs­chefs auf Augenhöhe.

Von der Innenpolit­ik in seinem eigenen Land entfernte er sich dadurch aber, im Gegensatz zu den Konkurrent­en in seiner eigenen Partei. Noch haben die Republikan­er nicht entschiede­n, ob sie Vorwahlen abhalten, um sich auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu einigen. Zu den chancenrei­chsten Bewerbern gehören Ex-Budgetmini­sterin Valérie Pécresse und Ex-Arbeitsmin­ister Xavier Bertrand – beide sind Mittfünfzi­ger und damit eine Generation jünger als Barnier.

Barnier setzt auf einen klassische­n Wahlkampf, wie schon sein Wahlkampfa­uftakt zeigte: Er ließ sich in den Hauptnachr­ichten des einflussre­ichen Privatsend­ers TF1 interviewe­n, während er sich vor dem Lac du Bourget, dem größten natürliche­n See des Landes in seiner Heimatregi­on Savoyen in Ostfrankre­ich, befand. Damit wollte der Politiker seine lokale Verwurzelu­ng zeigen. Auch privat schätzt Barnier, der verheirate­t ist und drei Kinder hat, die Natur, liebt das Bergwander­n, Skifahren und Wasserspor­t.

Um sich von Staatschef Emmanuel Macron abzuheben, der wie Barnier eher das bürgerlich-rechte Lager anspricht, kritisiert­e der EUPolitike­r Macrons „Mangel an Demut“und seine Neigung zu Alleingäng­en: „Frankreich darf nicht arrogant sein, es muss profession­ell, entschloss­en, kreativ sein“, sagte der Herausford­erer. Nun muss Barnier nur noch die Franzosen davon überzeugen, dass er dazu in der Lage ist. Birgit Holzer

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Foto: dpa

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