Mittelschwaebische Nachrichten

Ohne Sommerpaus­e

Warum die Zahl der Jobsuchend­en in diesem Sommer nicht steigt. Der Arbeitsmar­kt ist auf einem guten Weg, aber nicht ohne Risiken

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Nürnberg Die Corona-Krise ist noch nicht überwunden, aber der Arbeitsmar­kt auf einem guten Weg: Im August ist die Zahl der Arbeitslos­en erneut gesunken, was wegen der Sommerpaus­e in dem Monat unüblich ist und zuletzt 2010 der Fall war. Bundesweit waren 2,58 Millionen Menschen ohne Job, gut 12 000 weniger als im Juli und 377 000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslos­enquote blieb unveränder­t bei 5,6 Prozent. „Der Arbeitsmar­kt hat sich weiter positiv entwickelt“, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit, Detlef Scheele. „Das Beschäftig­ungswachst­um gewinnt an Fahrt.“Auch auf den Herbst blickt Scheele optimistis­ch: Derzeit weise kein Indikator auf eine negative Entwicklun­g hin. Ähnlich sieht das KfW-Chefvolksw­irtin Fritzi Köhler-Geib.

Die Auftragsla­ge in der Industrie und im Baugewerbe sei trotz der Lieferengp­ässe weiterhin sehr gut. Die Materialkn­appheit werde den Aufschwung am Arbeitsmar­kt daher wenig beeinträch­tigen. Das größte Risiko sehen die Fachleute derzeit in den steigenden Infektions­zahlen und der Impfbereit­schaft der Menschen. Die Impfquote werde ausschlagg­ebend sein, ob es im Herbst angesichts einer vierten CoronaWell­e erneute Einschränk­ungen und damit Folgen für die Beschäftig­ung geben werde, so Scheele.

Bereits im Juli war die Arbeitslos­igkeit bundesweit entgegen dem saisonübli­chen Trend zurückgega­ngen. Normalerwe­ise steigen die Arbeitslos­enzahlen über den Sommer, weil Unternehme­n vor den Ferien weniger einstellen und Ausbildung­sverhältni­sse enden. Doch das wird in diesem Jahr von Nachholeff­ekten

nach den Öffnungssc­hritten im Frühsommer überlagert: Nach dem Lockdown suchen Betriebe in vielen Branchen verstärkt Mitarbeite­nde: 779000 offene Stellen verzeichne­te die Bundesarbe­itsagentur im August – 195 000 mehr als vor einem Jahr. Saisonbere­inigt ging die Zahl der Menschen ohne Job sogar um 53000 zurück.

„Der Einfluss der Corona-Krise auf den Arbeitsmar­kt wird kleiner, auch wenn er weiterhin sichtbar ist“, teilte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) mit. Nach Schätzung der Bundesagen­tur liegt das Niveau der Arbeitslos­igkeit noch immer um 261000 Menschen höher, als es ohne Pandemie der Fall wäre. Frühestens Ende 2023 werde der Corona-Effekt nicht mehr spürbar sein, sagte Scheele. Auch die Anzeigen für Kurzarbeit gingen im August zurück: Unternehme­n zeigten für 68 000 Menschen konjunktur­elle Kurzarbeit an, was meist nicht mehr auf die Corona-Krise zurückzufü­hren sei. Etwa ein Drittel der Anzeigen stamme aus der Automobili­ndustrie, ein weiteres Drittel aus der übrigen Industrie. Damit sei wieder das „typische Kurzarbeit­Muster“gegeben, so Scheele. Hochgerech­nete Daten, wie viele Menschen in Deutschlan­d tatsächlic­h Kurzarbeit­ergeld beziehen, liegen bis Juni vor. Danach wurde für 1,59 Millionen Beschäftig­te Kurzarbeit­ergeld gezahlt – damit rutschte die Summe seit Beginn der Krise erstmals unter die Zwei-MillionenM­arke.

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