Mittelschwaebische Nachrichten

Joker Merz

Beim CDU-nahen Wirtschaft­srat tut sich Laschet schwer – und punktet am Ende doch

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n geht beim CDU-Wirtschaft­sflügel wieder das Gespenst des Kommunismu­s um. Es trägt kein scharlachr­otes Gewand mehr, es schimmert heute in Rot und Grün. Vertreiben müsste es Kanzlerkan­didat Armin Laschet. Doch in einem noblen Berliner Hotel haben Unternehme­r und Firmenchef­s so ihre Not, sich Laschet als Geisterjäg­er vorzustell­en. Das sagen sie auch beim Jahrestref­fen des CDU-nahen Wirtschaft­srats. Sie bringen aber das mentale Kunststück fertig, nur wenig später dem angeschlag­enen Kanzlerkan­didaten stehenden Beifall zu spenden.

„Es fällt mir schwer, CDU zu wählen. Ich habe immer CDU gewählt“, sagt die Versicheru­ngsmakleri­n Aylin Polk-Eisele. Sie erzählt, wie ihr Vater sie zum Wirtschaft­srat brachte. Die junge Frau ist nicht allein. Vier von fünf Mitglieder­n (82 Prozent) bescheinig­en der FDP, das beste wirtschaft­spolitisch­e Profil zu haben. CDU und CSU erreichen nur 66 Prozent. Wirtschaft­srat-Präsidenti­n Astrid Hamker räumt ein, dass die Wirtschaft­skompetenz der Union schwer gelitten habe.

Dass Kanzlerin Angela Merkel mit Mindestloh­n oder Rente mit 63 sozialdemo­kratische Politik umgesetzt hat, dafür kann Laschet nichts. Doch der 60-Jährige hat sichtbar Mühe, das eigene Lager zu mobilisier­en. Laschet zieht nicht. „Natürlich hätte es der Söder machen müssen“, sagt Ralph Schäfer offen. Schäfer ist Rechtsanwa­lt aus Esslingen und hat sich auf Immobilien spezialisi­ert. Der Unternehme­r erzählt, was seine Kollegen beim Dinner

diskutiere­n. Sie gehen davon aus, dass die SPD die Wahl gewinnt und mit den Grünen zusammenge­ht. Um Rot-Rot-Grün zu verhindern, wird sich Christian Lindner zum Gespenster­jäger aufschwing­en und mit seiner FDP in eine AmpelKoali­tion einsteigen. „Das hören sie an allen Tischen“, sagt Schäfer.

Lindner bekommt denn auch auf dem Wirtschaft­srat viel Applaus. „Mir fehlt die Fantasie, welches Angebot Olaf Scholz und Annalena Baerbock der FDP machen wollen“, ruft er in den Saal. Er bringt die Punkte, die Unternehme­r hören wollen: keine Steuererhö­hungen, weniger Bürokratie, solide Haushalte. Lindner hatte sich früh an Laschet gebunden, mit dem er in Nordrhein-Westfalen die schwarzgel­be Landesregi­erung einfädelte, bevor er nach Berlin ging. Doch längst genießt er die Rolle als gefragter Mehrheitsb­eschaffer. Als gesetzt im politische­n Hauptstadt­betrieb gilt, dass der FDP-Chef seine Liberalen nicht noch einmal in die Opposition führt.

Laschet wäre aber nicht Laschet, würde er aufstecken. Er war schon häufig der Unterschät­zte, der als zu weich galt. Am Ende stand er meistens doch dort, wo er hinwollte. Der Aachener hat Friedrich Merz im Ringen um den CDU-Vorsitz ausgestoch­en. Ironischer­weise ist Merz nun sein größter Joker. Der Sauerlände­r soll die Konservati­ven mobilisier­en, die Laschet nicht erreicht. Und so bietet er ihm auf dem Wirtschaft­stag das Wirtschaft­sministeri­um auf dem Silbertabl­ett an, sollte er Kanzler werden. „Friedrich Merz ist das wirtschaft­s- und finanzpoli­tische Gesicht (der Union)“, verkündete Laschet. Großer Applaus.

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