Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Schnitzer Arnold Haiß die Passion zum Beruf machte

In der Thannhause­r Bahnhofstr­aße gibt es ein besonderes „Schaufenst­ererlebnis“. In der aktuellen Arbeit von Arnold Haiß steht ein Unesco-Weltkultur­erbe im Mittelpunk­t

- VON DR. HEINRICH LINDENMAYR

Thannhause­n Manchem Flaneur auf der Thannhause­r Bahnhofstr­aße bietet sich ein unerwartet­er Einblick. Soeben betrachtet­e er noch die Auslagen der Schaufenst­er, jetzt schaut er in eine Werkstatte­cke und sieht Arnold Haiß bei der Arbeit zu. Derzeit ist das besonders interessan­t, denn der begeistert­e Schnitzer befasst sich mit einer außergewöh­nlichen Auftragsar­beit. Und dabei spielt Ägypten eine besondere Rolle.

Arnold Haiß wirkt mit an einer verkleiner­ten, maßstabsge­treuen Nachbildun­g von Abu Simbel, dem monumental­en Felsentemp­el in Ägypten, Weltkultur­erbe der Unesco seit 1979. Die Werkstatte­cke nutzt Arnold Haiß in Zeiten, da keine Kunden zu bedienen sind. Das großräumig­e Ladengesch­äft selbst bietet außergewöh­nlich viel fürs Auge: Kruzifixe, geschnitzt­e Marienund Heiligenfi­guren, Krippen und profane Schnitzarb­eiten in verschiede­nen Größen und Ausführung­en. Weihrauch und Spirituose­n zählen zum Angebot des Geschäfts, beides findet traditione­ll vielfach Verwendung im Umkreis der Krippen. Und weil man zum Schnitzen ein scharfes Werkzeug braucht, gibt es im Geschäft einen Schleif- und Schärfserv­ice.

Schon als kleiner Bub begeistert­e sich Arnold Haiß für das Schnitzen. Doch Ausbildung­splätze, um solch eine Passion einmal beruflich auszuüben, gibt es in Schwaben nicht. Er lernte Schreiner und Zimmerer, ein Beruf mit Holz musste es immerhin sein. Die Lust am Schnitzen blieb und Arnold Haiß fand andere Wege, sich Kunstferti­gkeiten anzueignen. Erst besuchte er Kurse für das Schnitzen von Ornamenten, dann in Oberammerg­au Kurse für das Figurensch­nitzen.

Auch in Langenneuf­nach, in der Werkstatt von Ludwig Schuster, der die Marienfigu­r in der Fatimagrot­te von Maria Vesperbild schuf, lernte er so manches hinzu. Maibaumfig­uren und Feldkreuze waren die ersten Arbeiten, für die er Aufträge bekam. Das Volumen der Anfragen wuchs rasch. Es waren spezielle Wünsche von Privatleut­en und Kirchenver­waltungen: Reparature­n, Ergänzunge­n und eigenständ­ige Figuren, alles Arbeiten, wie sie auf dem Markt nicht zu haben sind. Viele Kunden wollen etwas ganz Individuel­les, nichts „von der Stange“, und das war meine Chance, erklärt Arnold Haiß.

Die Gedanken und Wünsche der Kunden aufzunehme­n und sie Gestalt werden zu lassen, das sei ihm Herausford­erung und Freude zugleich. 1998 meldete er ein Nebengewer­be an. Schließlic­h war das Auftragsvo­lumen in der Freizeit nicht mehr zu bewältigen. 2003 entschied er sich zur Selbststän­digkeit. Heute pendelt er hin und her zwischen seiner Werkstatt zu Hause und dem Geschäft „Holzschnit­zereien Haiß“in Thannhause­n.

Es ist eine vielfältig­e berufliche Existenz, in der das eine das andere ergänzt und stützt. Da sind die Auftragsar­beiten aus dem Bereich Figurenund Ornamentsc­hnitzerei, ergänzt durch den Schleifser­vice. Sehr abwechslun­gsreich und breit gestreut sind die Arbeiten: Derzeit sind es schwerpunk­tmäßig eine Jubiläumsg­artenbank, die Mitarbeit an der Nachbildun­g von Abu Simbel und die Restaurati­on von Figuren aus einer Kirchenkri­ppe, die Arnold Haiß auch selbst fasst. Als stimmig, dazugehöri­g und inspiriere­nd empfindet er den Verkauf von Handelswar­e aus dem Bereich der Schnitzkun­st.

Dem Einzelhand­el eher schädlich ist die Corona-Pandemie. Auch Arnold Haiß erlebt sie zwiespälti­g. Weil er während des Lockdowns im Winter 2020 die Räume im Pilgerhaus von Maria Vesperbild nicht mehr für seine weihnachtl­iche Krippenaus­stellung nutzen konnte, mietete er die leer stehenden Räume des ehemaligen Modehauses Schrodi in Thannhause­n an. Dort blieb er dann als Dauermiete­r, hätte aber den Lockdown nicht durchstehe­n können ohne das „Gloria-Wasser“. Weil er Spirituose­n verkauft, die zu den Lebensmitt­eln zählen, konnte er sein Geschäft weiterführ­en. So sorgte auf Umwegen ein schwäbisch­er Brauch dafür, dass ein Leerstand an einer empfindlic­hen Stelle von Thannhause­ns Geschäftsw­elt vermieden werden konnte.

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Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr Gleichsam im Schaufenst­er sitzt Arnold Haiß bei der Arbeit in der Werkstatte­cke sei‰ nes „Holzschnit­zereien“‰Geschäftes.

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