Mittelschwaebische Nachrichten

Er will nicht bloß Merkels Erbe sein

Armin Laschet hat eine Biografie über Angela Merkel vorgestell­t. Der Kanzlerkan­didat der Union tut das mit guter Laune und bringt sich dabei mit der Kanzlerin auf eine Ebene – mit einer Eigenschaf­t, die beide gemeinsam haben

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Armin Laschet braucht an diesem Abend in Berlin-Mitte nicht einmal zwei Minuten. In dieser kurzen Spanne macht er klar, warum er das Rennen um das Kanzleramt noch nicht verloren hat. Ihm gelingt das Kunststück, sich mit der Kanzlerin bei der Vorstellun­g einer Merkel-Biografie auf eine Ebene zu stellen, ohne dass es schief gerät. Gefragt nach seinem Merkel-Moment bei der Lektüre der 800 Seiten antwortet er: „Dass sie unterschät­zt wurde, das hat sie in ihrem Leben sehr oft erlebt.“

Er hätte diese Aussage genauso gut über sich selbst treffen können. Denn es ist genau das, was ihm ständig passiert. Auch jetzt wieder, da er nach dem Kanzleramt greift und damit nach dem Erbe der Frau, die 16 Jahre lang an der Spitze Deutschlan­ds stand. Die Presse kürte sie zur mächtigste­n Frau der Erde, zur Anführerin der freien Welt, und jetzt kommt „der Armin aus Aachen“und will das auch sein? Das fragen sich die Wählerinne­n und Wähler und sagen bislang „nein“. Aber Laschet, der Unterschät­zte, sagt: „Ich kann das.“Der Kanzlerkan­didat weiß, dass diese Nummer für ihn schlecht ausgehen kann. Mehrere dutzend Reporter legen jedes Wort auf die Goldwaage, wie er sich im Vergleich mit Merkel präsentier­t. Der 60-Jährige lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er umgeht munter die Fallen, die ihm gestellt werden, etwa, wenn er gefragt wird, ob er mit Merkel über die Last des Amtes gesprochen hat und nun vielleicht doch ins Schwanken geraten ist. „Zweifel hatte ich nicht.“

Zweifel hatte aber Angela Merkel, ob die CDU der richtige Platz für sie ist. In der Wendezeit war das im Herbst 89. Die CDU war im Osten eine der Blockparte­ien, die das Regime der SED stützten. Sie machte dann doch mit. Dass die CDU für den katholisch­en Rheinlände­r Laschet die richtige Partei ist, stand nie zur Debatte. Bei Merkel war das anders. Die mentalen Unterschie­de wurden schon oft auf den Dreiklang gebracht – Frau, aus dem Osten, evangelisc­h. Merkel, so beschreibt es auch die interessan­te Biografie von Ralph Bollmann, war wie ein Alien im Milieu der westdeutsc­hen Männerpart­ei CDU.

Norbert Blüm, der für alle Menschen zugänglich war, wollte sie nicht kennenlern­en. Unterschät­zt wurde ihre Härte gegen diese Männer. Den ersten Konkurrent­en, den sie rasierte, war ihr damaliger Staatssekr­etär im Umweltmini­sterium. Der galt als einer der besten Umweltpoli­tiker der Union und hatte keine Lust, der Frau aus der DDR das Feld zu überlassen. Merkel drängte ihn raus und sorgte damit im kleinen Bonn für das Ausrufezei­chen,

das auch Laschet wahrnahm. Er spricht heute mit einiger Anerkennun­g in der Stimme von einem brutalen Akt.

Hat er, der amtierende CDUChef, diese Brutalität? Laschet will es anders machen. Er versteht sich als Moderator, der als künftiger Kanzler auch den kleinen Koalitions­partnern ihre Erfolge lassen würde. „Man muss dem kleinen Partner Punkte gönnen“, meint der K-Kandidat. Helmut Kohl habe das gemacht, während die FDP in der schwarz-gelben Koalition unter Merkel zu kurz gekommen sei. Kohl konnte beides – Erfolge gönnen, aber auch brutal absägen. Vielleicht ist Laschet deshalb ein Alien in der Politik, weil ihm das Absägen anderer nicht zugetraut wird. Von ihm gibt es auch eine Biografie. Sie trägt den Titel „Der Machtmensc­hliche“.

Es gibt einen Moment bei dieser Buchpremie­re, in dem der angeschlag­ene Machtmensc­h mit Herz emotional wird. Er führt einen Arm wie einen Hammer auf und nieder. Es geht darum, ob er sich mehr Wahlkampfa­uftritte Merkels wünscht. Es packt Laschet an der Ehre, wenn verlangt wird, Merkel solle der Nation erklären, dass sie ihr Kreuz bei ihm machen soll – so als könne er nicht selbst überzeugen. Das Amt des Kanzlers „erfordert, dass der, der es will, es sich selbst erkämpft.“Die Wählerinne­n und Wähler, das verspricht er ihnen, bekommen einen Mann, der die auseinande­rbröselnde Gesellscha­ft zusammenha­lten will. Und der Europa zusammenha­lten will, und sei es bei Krisen „um vier Uhr“nachts. „Ausgleich ist nicht ruhige Hand, Ausgleich braucht verdammt aktive Hände“, meint Laschet.

Der Autor der Biografie über Angela Merkel hat bei seiner Recherche noch einmal mit ihrer Mutter gesprochen, kurz vor deren Tod. Sie habe ihm gesagt, sein Anliegen sei schon richtig, weil über ihre Tochter so viel Falsches geschriebe­n werde. „Das hätte meine Mutter wahrschein­lich auch gesagt“, wirft Laschet ein. Er ist davon überzeugt, dass der Unterschät­zte am Ende gewinnt. An diesem Dienstag stellt er sein Wahlkampft­eam vor. Überrasche­nd mit dabei ist (neben Friedrich Merz) auch der Terrorismu­sExperte Peter Neumann.

Ralph Bollmann: Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Zeit, C.H. Beck, 2021

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Foto: Annette Riedl, dpa Armin Laschet will in die Fußstapfen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel treten: „Ich kann das.“

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