Mittelschwaebische Nachrichten
Hilfe beim Wählen
Seit 20 Jahren informiert der Wahl-O-Mat über Parteien und deren Ansichten. Welche Neuerungen es bei der Bundestagswahl gibt
Augsburg Soll Deutschland bereits vor 2038 Strom ohne Kohlekraftwerke produzieren? Sollen Geflüchtete ihre Familie nach Deutschland nachholen dürfen? Sollen Jugendliche bereits mit 16 Jahren wählen dürfen? Wer diese Fragen für sich klar beantworten kann, bekommt ab sofort wieder Hilfe bei seiner Wahlentscheidung: Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat am Donnerstag den traditionsreichen Wahl-O-Mat freigeschaltet. Mit dem Online-Tool können die Menschen ihre politischen Haltungen anhand von 38 Thesen mit den Positionen der einzelnen Parteien vergleichen. Im aktuellen Superwahljahr bringt der Wahl-O-Mat außerdem einige Neuerungen mit sich.
Bekannt gemacht hat den WahlO-Mat ursprünglich TV-Größe Harald Schmidt. Damals, kurz nach der Jahrtausendwende, hat der Entertainer den Wahl-O-Mat in seiner Sendung selbst ausprobiert – mit der Folge, dass der Server der Bundeszentrale erst einmal lahmgelegt wurde. Schmidts damals etwa 2500 Zuschauer und Zuschauerinnen wollten sich ebenfalls informieren – gleichzeitig. Zu dieser Zeit überlastete der Andrang das Netz.
Ein solches Missgeschick dürfte heute weit weniger wahrscheinlich sein, auch, wenn die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ebenso wie das politische Interesse der internetaffinen Generation steigt. Und das hat auch mit der steten Weiterentwicklung des WahlO-Mats zu tun. Denn immer wieder erweitern die Mitarbeitenden, bei denen es sich aktuell vornehmlich um jüngere Menschen handelt, das Angebot.
Eine der Neuerungen: Durch die „Tuning“-Funktion kann beim Ergebnis nachjustiert werden, wobei die Auswirkung einer Änderung direkt sichtbar wird. Ein Beispiel: Der Frage nach einer Wahlberechtigung ab 16 Jahren steht man positiv gegenüber, stimmt dadurch mit der Linken überein. In einer Übersicht kann man das nun ändern und sich wieder gegen das Wahlrecht ab 16 aussprechen. Diese Änderung wird dann direkt im Ergebnis sichtbar, so zeigt die Übereinstimmung mit dem Parteiprogramm der Linken nun weniger Prozent an.
Ebenfalls neu ist ein „Parteienvergleich“. Dort erfährt man, bei welchen Themen die Parteien übereinstimmen oder auseinandergehen. Besonders hilfreich: Unter „Begründungen“erfahren Wählerinnen und Wähler, warum genau die Parteien einzelne Thesen begrüßen oder ablehnen. Denn jede Position lässt sich ja prinzipiell aus ganz unterschiedlichen Gründen vertreten oder kritisieren.
Die Verantwortlichen haben die Antworten und Gewichtungen der einzelnen Themen von den Parteien selbst erstellen lassen. Die nehmen den Wahl-O-Mat ernst, 39 der 40 antretenden Parteien haben sich beteiligt. Dies sei auch ein Weg, um kleinen Gruppierungen eine Plattform zu geben, heißt es von der Bundeszentrale für politische Bildung.
Die Betreiber müssen sich jedoch auch Kritik gefallen lassen. Denn weder gibt es den Wahl-O-Mat in einfacher Sprache, wie sie Ämter und Behörden für Bürgerinnen und Bürgerinnen mit Deutsch als Zweitsprache zur Verfügung stellen, noch können ihn Menschen mit Sehbehinderung nutzen. An beiden Problemen wird noch gearbeitet. Komplexe politische und wirtschaftliche Zusammenhänge mit zahlreichen Fachbegriffen in einfacher Sprache darzustellen sei derzeit jedoch nicht möglich, erklärt eine Verantwortliche.
Der Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Münster bemängelt, dass der WahlO-Mat nur drei Antwortmöglichkeiten bietet und deshalb von den Parteien leicht auszutricksen sei. Der an seiner Hochschule entwickelte „Wahl-Kompass“setzt stattdessen auf fünf Antwortmöglichkeiten. „Bei uns müssen die Parteien eher Farbe bekennen“, versichert Kersting.
Andere Kritiker monieren, dass die Thesen im Wahl-O-Mat auf den Wahlprogrammen der Parteien basieren – also auf Ankündigungen statt auf tatsächlichem Handeln. Deshalb setzt das privat finanzierte Projekt „DeinWal“auf die Auswertung von Bundestagsabstimmungen der vergangenen vier Jahre.