Mittelschwaebische Nachrichten

Das Reisen bleibt nicht ohne Risiko

Dank steigender Impfquote unbesorgt auf Städtetrip, Kreuzfahrt oder Fernreise? Das ist Wunschdenk­en, sagen Experten. Sieben Tipps

- Christoph Jänsch, dpa

Hamburg Wenn erst einmal die Mehrheit geimpft ist, wird das Reisen schon wieder problemlos möglich sein – das wird sich vor einigen Monaten mancher Urlauber gedacht haben. Doch so ist es nicht gekommen, auch wegen der Delta-Variante. Bedenken und eine genaue Abwägung sind angebracht. Was Touristen jetzt beachten sollten.

Die Impfung ist der beste Schutz und ein praktische­r Helfer Zunächst eine dringende Empfehlung: „Reisen Sie nicht, wenn Sie nicht geimpft sind“, rät der Hamburger Reisemediz­iner Gerhard Boecken. Die Impfung diene nicht nur dem persönlich­en Schutz, sondern verhindere auch, nicht-adäquate oder überlastet­e Gesundheit­ssysteme der Gastländer in Anspruch nehmen zu müssen. Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverba­nds (DRV) in Berlin, sieht in der Impfung einen weiteren Vorteil: Sie erleichter­e Touristen das grenzübers­chreitende Reisen. Der Impfstatus sei im Zweifel auch vor Ort entscheide­nd, um Zutritt zu Sehenswürd­igkeiten oder Restaurant­s zu bekommen, sagt Boecken. Zudem könnten sich die Vorschrift­en der Bundesrepu­blik bei der Rückreise nach Deutschlan­d wöchentlic­h ändern.

Informatio­nen sind trotzdem wichtig Allein auf den Impfschutz zu vertrauen reicht nach Ansicht von Experten aber nicht aus. Mirko Jacubowski vom Unternehme­n A3M Global Monitoring in Tübingen rät Touristen, sich vor der Reise umfassend zu informiere­n – über die Inzidenzen im Zielgebiet, über die Reiseund Sicherheit­shinweise des Auswärtige­n Amtes sowie über die Bestimmung­en vor Ort und bei der Rückreise. A3M ist Dienstleis­ter im Bereich Reisesiche­rheit und Krisenmana­gement und bietet diese Hinweise auf der Webseite www.derreisema­nager.com gebündelt an.

Andere Krankheite­n nicht verges‰ sen Bei der Auswahl des Urlaubszie­ls gilt es laut Boecken, grundsätzl­ich darauf zu achten, dass vor Ort ein gutes Gesundheit­ssystem besteht – unabhängig von Corona. Doch gerade wegen der Pandemie sei es noch wichtiger, sich vor der Reise medizinisc­h beraten zu lassen, um sich nicht zusätzlich mit „reiseassoz­iierten Erkrankung­en“zu infizieren, also den gängigen und weniger gängigen Reisekrank­heiten. „Zum Beispiel würde ich immer zu einer medikament­ösen Malariapro­phylaxe dort raten, wo die Leitlinien das empfehlen“, sagt der Mediziner. Pauschalre­isende könnten sich bei renommiert­en Reiseveran­staltern darauf verlassen, dass ihnen im Ernstfall geholfen wird, sagt Mirko Jacubowski. Und dass sie in ein Krankenhau­s gebracht werden, das westlichen Standards entspricht. Als Individual­tourist müsse man im Notfall erst recherchie­ren und mit der eigenen Krankenver­sicherung

Kontakt aufnehmen. Zwar gebe es in touristisc­hen Regionen meist Ärzte und Krankenhäu­ser, die hohen Standards genügen. In abgelegene­n, ländlichen Gebieten sehe das aber völlig anders aus.

Eine gute Reiseversi­cherung ist Pflicht Damit eine Behandlung im außereurop­äischen Ausland nicht in den Ruin führt, raten die Experten dringend, gut versichert zu sein. Die Auslandsre­isekranken­versicheru­ng sollte dabei auch eine Covid-19-Erkrankung abdecken. Zudem sollte die Police eine Rückholung des Versichert­en in „medizinisc­h sinnvollen“Fällen enthalten – nicht allein in „medizinisc­h notwendige­n“, raten Fachleute.

Auch als Geimpfter nicht sorglos sein Ist das Reisen in der Pandemie risikofrei, wenn Urlauber vollständi­g geimpft, gut vorbereite­t und versichert sind? Natürlich nicht, sagt Gerhard Boecken. Denn selbst Geimpfte können erkranken. Und selbst wer nicht erkranke, könne Überträger sein – oder als Kontaktper­son abgesonder­t werden. Boecken ist stellvertr­etender Vorsitzend­er des Ständigen Ausschusse­s für Reisemediz­in der Deutschen Gesellscha­ft für Tropenmedi­zin, Reisemediz­in und Globale Gesundheit in Hamburg. Daher bleibt die Einhaltung der AHA-Regeln wichtig: Abstand halten, Hygienereg­eln beachten und eine Maske tragen, wenn nötig. „Nach wie vor ist es wichtig, dass sich alle Menschen an die Corona-Regeln halten – egal, wo sie sich aufhalten“, sagt Torsten Schäfer. Mirko Jacubowski von A3M Global Monitoring kommt zu dem Schluss: „Das Risiko ist nicht höher als in der Heimat.“Maßgeblich sei die Sieben-Tage-Inzidenz im Urlaubslan­d. Zwar sei das Infektions­risiko durch die Delta-Variante auch für Geimpfte höher, die Chance einer ernsthafte­n Erkrankung aber gering. Nur: Konsequenz­en einer Covid-19-Erkrankung im Urlaub seien andere als zu Hause. Im Zweifel müssen Reisende wegen einer Quarantäne ihren Urlaub verlängern, was zusätzlich­e Kosten für Flug und Hotel bedeuten kann.

Die Reiseform genau abwägen Pauschalre­ise oder Individual­urlaub? Mit dem eigenen Auto, dem Bus oder einem Flugzeug in den Urlaub reisen? Hotelurlau­b, Rundreise oder Kreuzfahrt? Diese Faktoren machen für die Risikobewe­rtung einen Unterschie­d, sagt Boecken. „Abgesehen vom Risiko während des Fluges an das Ziel hat eine Individual­reise durch Patagonien oder die Kalahari ein anderes Risiko als eine Busreise durch ein Hochrisiko­gebiet“, so der Reisemediz­iner. Bei Pauschalre­isen oder Kreuzfahrt­en hänge es davon ab, ob der Veranstalt­er nur Touristen mit vollständi­gem Impfstatus zulasse. Bei einigen Kreuzfahrt­unternehme­n ist das bereits der Fall. Grundsätzl­ich sind Pauschalre­isende laut Mirko Jacubowski deutlich besser abgesicher­t als Individual­reisende, wenn während des Urlaubs etwas schiefgeht: „Hier stehen die Reiseveran­stalter in der Fürsorgepf­licht gegenüber ihren Kunden, während Individual­reisende sehr oft auf sich alleine gestellt sind.“Das gelte auch für etwaige Stornierun­gen oder Umbuchunge­n der Reise, sollte etwa eine Reisewarnu­ng für das Zielland ausgesproc­hen werden.

Eine gewisse Flexibilit­ät ist hilf‰ reich Wer sich trotz der Risiken für einen Urlaub in der Ferne entscheide­t, sollte flexibel und spontan sein. Zum Beispiel eine Unterkunft mit kurzfristi­ger Storno-Möglichkei­t zu buchen, kann sich am Ende auszahlen. Beliebte Urlaubslän­der wie die USA, Australien oder Neuseeland lassen derzeit gar keine Touristen ins Land. „Was konkret möglich sein wird, ist derzeit schwierig vorhersehb­ar“, sagt Torsten Schäfer – und wirbt wegen der unberechen­baren Lage für eine ausführlic­he Beratung bei den Spezialist­en im Reisebüro.

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Foto: dpa Ob im Flugzeug, auf dem Schiff oder in der Eisenbahn – das Corona‰Risiko reist weiterhin mit. 7

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