Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn Wut auf Wahlplakate trifft
Manches Plakat im Wahlkreis Neu-Ulm wird „verschönert“, verunstaltet oder gleich komplett zerstört. Und das ist kein Kavaliersdelikt, warnt die Polizei
Landkreis NeuUlm Sie sind bunt, sie sind überall, und für manchen sind sie ein echtes Ärgernis: Die Rede ist von den Wahlplakaten, die vor der Bundestagswahl am 26. September für die Kandidatinnen und Kandidaten und die Positionen der Parteien und Gruppierungen im Wahlkreis Neu-Ulm werben. An einigen Stellen mussten die Wahlhelfer schon wieder nachlegen - denn wo plakatiert wird, ist auch Vandalismus meistens nicht weit.
Kaum war das neue Wahlbanner am Babenhauser Kreisverkehr aufgestellt, schon war es zerschnitten: Für Assad Wardak, Sprecher des Grünen-Ortsverbands, ist das ein Ärgernis, auf das er aufmerksam machen möchte. „Wir haben Anzeige bei der Polizei erstattet“, sagt er. Denn es sei nicht das erste Mal, seit plakatiert werden darf, dass ihre großflächige Wahlwerbung beschädigt wurde – aus einer politischen Motivation heraus, wie er vermutet. Das Phänomen, dass Plakate beschädigt, verändert oder gestohlen werden, gibt es im gesamten Wahlkreis Neu-Ulm. Auch in Krumbach hängen längst nicht mehr alle Plakate, die kürzlich aufgehängt wurden. Überreste von Wahlwerbung liegen beispielsweise am Rand der Nattenhauser Straße. Und in Straß entdeckte am Mittwoch gegen Mitternacht der Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes ein brennendes Wahlplakat in der Silheimer Straße. Der Mitarbeiter löschte das Feuer mit einer Getränkeflasche und verständigte die Polizei. Die sucht nun weitere Zeugen – und hat die Ermittlungen aufgenommen.
Bei der Zerstörung von Wahlplakaten müsse man zwei Vorgehensweisen unterscheiden, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. „Es gibt die Fälle, bei denen beispielsweise in der Einfallstraße einer Ortschaft praktisch an jeder Straßenlaterne Plakate unterschiedlicher Parteien hängen und alle heruntergerissen werden.“Fälle wie diese seien auf allgemeinen Vandalismus zurückzuführen – und unter diesem Begriff verbucht die Polizei diese dann auch. Anders sieht es bei Fällen wie in Babenhausen aus, wo offenbar gezielt die Wahlwerbung der Grünen angegangen wurde. Stabik sagt, meistens seien es allerdings die Plakate der kleineren Parteien, die davon betroffen seien. „Meistens trifft es die Ränder beider politischen Lager, und weniger die der großen Volksparteien.“Hier seien ein gezieltes Vorgehen erkennbar und eine Motivation, die Werbung einer bestimmten Partei zu beschädigen.
Wie stark der Vandalismus an den Wahlplakaten sich akut bemerkbar macht, kann die Polizei derzeit noch nicht in Zahlen ausdrücken. Weil diese Fälle im quartalsweise ausgewertet werden, liege für den aktuel
Bundestagswahlkampf noch kein Zahlenmaterial vor, bedauert Stabik. Wenn das Quartal zu Ende ist, wird auch die Zeit der Wahlplakate zu Ende gehen: Der 30. September liegt vier Tage nach dem Termin der Bundestagswahlen.
Die Polizei nehme die Attacken auf Wahlplakate – egal, welcher Art – jedenfalls sehr ernst. Stabik spricht eine eindringliche Warnung an potenzielle Täter aus: „So etwas ist kein Dummerjungenstreich, sondern eine Straftat.“Die Sachbeschädigung an den Plakaten und Bannern könne mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet werden. „Und wir ermitteln wirklich in jedem Fall, der angezeigt wird, um die Schuldigen zu finden.“
Auch in Neu-Ulm. Dort hatte diese Woche ein Zeuge die Polizei darauf aufmerksam gemacht, dass Unbekannte mehrere Wahlplakate unterschiedlicher Parteien in der Neu-Ulmer Wiley- und John-F.Kennedy-Straße beschmiert hatten. Der Zeuge hatte beobachtet, wie eine männliche Person die Wahlplakate mit einem schwarzen Stift bearbeitete. An mehreren Wahlplakaten fanden die Beamten beleidigende Schriftzüge sowie Bilder fest. Auch wenn der Sachschaden mit 150 Euro relativ gering erscheint, setzt die Polizei alles daran, über weitere Zeugen dem mutmaßlichen Täter auf die Spur zu kommen.
Regeln gelten aber auch für die Parteien und Gruppierungen, die mit den Plakaten vor der Bundestagswahl auf sich aufmerksam machen wollen. Generell müssen sich die Parteien beim Plakatieren an die entsprechende Verordnung des bayerischen Innenministeriums halten. So sollen Wahlplakate beispielsweise aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht an Autobahnen und außerhalb der Ortsdurchfahrten von Bundes-, Staats- und Kreisstraßen angebracht werden. Auch innerorts müssen sie so angebracht sein, dass sie nicht den Verkehr behindern. Ausdrücklich heißt es in der Verordnung: Allen, auch den kleinen Parteien, Wählergruppen, Antragstellerinnen und Antragstellern sowie vertretungsberechtigten Personen soll eine angemessene Selbstlen darstellung ermöglicht werden. Die Städte und Gemeinden können aber Verordnungen erlassen, in denen sie das Plakatieren einschränken, um das Orts- und Landschaftsbild zu schützen. Vereinzelt haben die Kommunen darüber auch schon diskutiert, weniger Plakate zuzulassen - zuletzt unter anderem im Burgauer Stadtrat.
Die Zeit der Wahlplakate ist – zumindest für den Bundestagswahlkampf 2021 – auch schon in Kürze wieder vorbei: In der Regel müssen Wahlplakate von den Parteien bis spätestens eine Woche nach den Wahlen wieder abgehängt werden, wenn keine andere Genehmigung erteilt wurde.