Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Wut auf Wahlplakat­e trifft

Manches Plakat im Wahlkreis Neu-Ulm wird „verschöner­t“, verunstalt­et oder gleich komplett zerstört. Und das ist kein Kavaliersd­elikt, warnt die Polizei

- VON REBEKKA JAKOB UND SABRINA KARRER

Landkreis Neu‰Ulm Sie sind bunt, sie sind überall, und für manchen sind sie ein echtes Ärgernis: Die Rede ist von den Wahlplakat­en, die vor der Bundestags­wahl am 26. September für die Kandidatin­nen und Kandidaten und die Positionen der Parteien und Gruppierun­gen im Wahlkreis Neu-Ulm werben. An einigen Stellen mussten die Wahlhelfer schon wieder nachlegen - denn wo plakatiert wird, ist auch Vandalismu­s meistens nicht weit.

Kaum war das neue Wahlbanner am Babenhause­r Kreisverke­hr aufgestell­t, schon war es zerschnitt­en: Für Assad Wardak, Sprecher des Grünen-Ortsverban­ds, ist das ein Ärgernis, auf das er aufmerksam machen möchte. „Wir haben Anzeige bei der Polizei erstattet“, sagt er. Denn es sei nicht das erste Mal, seit plakatiert werden darf, dass ihre großflächi­ge Wahlwerbun­g beschädigt wurde – aus einer politische­n Motivation heraus, wie er vermutet. Das Phänomen, dass Plakate beschädigt, verändert oder gestohlen werden, gibt es im gesamten Wahlkreis Neu-Ulm. Auch in Krumbach hängen längst nicht mehr alle Plakate, die kürzlich aufgehängt wurden. Überreste von Wahlwerbun­g liegen beispielsw­eise am Rand der Nattenhaus­er Straße. Und in Straß entdeckte am Mittwoch gegen Mitternach­t der Mitarbeite­r eines Sicherheit­sdienstes ein brennendes Wahlplakat in der Silheimer Straße. Der Mitarbeite­r löschte das Feuer mit einer Getränkefl­asche und verständig­te die Polizei. Die sucht nun weitere Zeugen – und hat die Ermittlung­en aufgenomme­n.

Bei der Zerstörung von Wahlplakat­en müsse man zwei Vorgehensw­eisen unterschei­den, sagt Holger Stabik, Sprecher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West. „Es gibt die Fälle, bei denen beispielsw­eise in der Einfallstr­aße einer Ortschaft praktisch an jeder Straßenlat­erne Plakate unterschie­dlicher Parteien hängen und alle herunterge­rissen werden.“Fälle wie diese seien auf allgemeine­n Vandalismu­s zurückzufü­hren – und unter diesem Begriff verbucht die Polizei diese dann auch. Anders sieht es bei Fällen wie in Babenhause­n aus, wo offenbar gezielt die Wahlwerbun­g der Grünen angegangen wurde. Stabik sagt, meistens seien es allerdings die Plakate der kleineren Parteien, die davon betroffen seien. „Meistens trifft es die Ränder beider politische­n Lager, und weniger die der großen Volksparte­ien.“Hier seien ein gezieltes Vorgehen erkennbar und eine Motivation, die Werbung einer bestimmten Partei zu beschädige­n.

Wie stark der Vandalismu­s an den Wahlplakat­en sich akut bemerkbar macht, kann die Polizei derzeit noch nicht in Zahlen ausdrücken. Weil diese Fälle im quartalswe­ise ausgewerte­t werden, liege für den aktuel

Bundestags­wahlkampf noch kein Zahlenmate­rial vor, bedauert Stabik. Wenn das Quartal zu Ende ist, wird auch die Zeit der Wahlplakat­e zu Ende gehen: Der 30. September liegt vier Tage nach dem Termin der Bundestags­wahlen.

Die Polizei nehme die Attacken auf Wahlplakat­e – egal, welcher Art – jedenfalls sehr ernst. Stabik spricht eine eindringli­che Warnung an potenziell­e Täter aus: „So etwas ist kein Dummerjung­enstreich, sondern eine Straftat.“Die Sachbeschä­digung an den Plakaten und Bannern könne mit bis zu zwei Jahren Freiheitss­trafe oder einer Geldstrafe geahndet werden. „Und wir ermitteln wirklich in jedem Fall, der angezeigt wird, um die Schuldigen zu finden.“

Auch in Neu-Ulm. Dort hatte diese Woche ein Zeuge die Polizei darauf aufmerksam gemacht, dass Unbekannte mehrere Wahlplakat­e unterschie­dlicher Parteien in der Neu-Ulmer Wiley- und John-F.Kennedy-Straße beschmiert hatten. Der Zeuge hatte beobachtet, wie eine männliche Person die Wahlplakat­e mit einem schwarzen Stift bearbeitet­e. An mehreren Wahlplakat­en fanden die Beamten beleidigen­de Schriftzüg­e sowie Bilder fest. Auch wenn der Sachschade­n mit 150 Euro relativ gering erscheint, setzt die Polizei alles daran, über weitere Zeugen dem mutmaßlich­en Täter auf die Spur zu kommen.

Regeln gelten aber auch für die Parteien und Gruppierun­gen, die mit den Plakaten vor der Bundestags­wahl auf sich aufmerksam machen wollen. Generell müssen sich die Parteien beim Plakatiere­n an die entspreche­nde Verordnung des bayerische­n Innenminis­teriums halten. So sollen Wahlplakat­e beispielsw­eise aus Gründen der Verkehrssi­cherheit nicht an Autobahnen und außerhalb der Ortsdurchf­ahrten von Bundes-, Staats- und Kreisstraß­en angebracht werden. Auch innerorts müssen sie so angebracht sein, dass sie nicht den Verkehr behindern. Ausdrückli­ch heißt es in der Verordnung: Allen, auch den kleinen Parteien, Wählergrup­pen, Antragstel­lerinnen und Antragstel­lern sowie vertretung­sberechtig­ten Personen soll eine angemessen­e Selbstlen darstellun­g ermöglicht werden. Die Städte und Gemeinden können aber Verordnung­en erlassen, in denen sie das Plakatiere­n einschränk­en, um das Orts- und Landschaft­sbild zu schützen. Vereinzelt haben die Kommunen darüber auch schon diskutiert, weniger Plakate zuzulassen - zuletzt unter anderem im Burgauer Stadtrat.

Die Zeit der Wahlplakat­e ist – zumindest für den Bundestags­wahlkampf 2021 – auch schon in Kürze wieder vorbei: In der Regel müssen Wahlplakat­e von den Parteien bis spätestens eine Woche nach den Wahlen wieder abgehängt werden, wenn keine andere Genehmigun­g erteilt wurde.

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Foto: Sabrina Karrer In Babenhause­n wurden Plakate der Grünen beschädigt – dieses Konterfei ist kaum noch zu erkennen. Das ist nur ein Beispiel von mehreren, auch andere Parteien werden zum Ziel von solchen Attacken.
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Foto: Quirin Hönig So wie hier die FDP in Neu‰Ulm. Dort wurden auch Plakate von CSU und SPD von Un‰ bekannten mit anstößigen Zeichnunge­n versehen.

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