Mittelschwaebische Nachrichten
Sie belegt eine „Marktlücke“in der FDP
Anke Hillmann-Richter setzt sich für Alterssicherung, Freiheitsrechte und Frauen in der Wirtschaft ein. So ist die FDP-Kandidatin in die Politik gekommen
Ulm Sie ist keinen geraden Weg gegangen, nicht im Beruf und auch nicht in der Politik. Anke HillmannRichter ist überzeugt, dass sie davon profitiert: Weil sie Erfahrungen gemacht hat, die anderen fehlen. Und sie ist überzeugt, dass sie mit dieser Laufbahn nicht überall so weit kommen könnte wie jetzt bei den Liberalen. Die 48-Jährige, die für den Wahlkreis 255 Neu-Ulm in den Bundestag will, sagt über sich: „Ich belege eine Marktlücke in der FDP.“
Hillmann-Richter ist Führungskraft im Landratsamt Alb-DonauKreis, Fachdienstleiterin Zentrale Dienste/Sozialplanung. Davor arbeitete sie mehr als ein Vierteljahrhundert lang für die Deutsche Rentenversicherung, zuletzt als Teamleiterin. Neben der wirtschaftlichen Sichtbarkeit von Frauen liegt der FDP-Politikerin ein Thema politisch besonders am Herzen, das sie auch beruflich begleitet hat: Alterssicherung. Die aktuellen Ansätze hält sie für falsch – mit der nicht für alle Menschen möglichen Rente mit 63 habe die SPD eine unvorbereitete Kehrtwende zu ihrer eigenen früheren Entscheidung vollzogen, dass Menschen bis 67 arbeiten sollen. Die Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil bezeichnet sie als „Mist“, weil sie keine neuen Vorteile bringe, aber zusätzliche Bürokratie schaffe. Anke Hillmann-Richter wirbt für die gesetzliche Aktienrente, einen FDP-Vorschlag: Ein Teil des Beitrags für die gesetzliche Rente, nämlich zwei Prozent des Bruttoeinkommens, soll in Aktien angelegt werden. Die Aktienanlage soll einerseits die Renten auch für Geringverdiener sichern, zum anderen hofft Hillmann-Richter auf einen Bildungseffekt: „Man bringt die Menschen auf einem ganz anderen Level dazu, sich damit zu beschäftigen“, sagt sie.
Bildung liegt der Ulmerin nicht nur beim Blick auf die Alterssicherung am Herzen. Sie ist überzeugt, dass die Digitalisierung in den Schulen voranschreiten muss. Und sie betont, dass es dort keine neuerlichen coronabedingten Schließungen geben dürfe. Ihr Mann habe sich in den vergangenen Monaten um das Homeschooling bei den drei Söhnen gekümmert, am Ende seien alle auf dem Zahnfleisch dahergekommen – so wie es auch in sehr vielen anderen Familien gewesen sei. Überhaupt Corona. Anke Hillmann-Richter sagt zwar: „Ich habe hohen Respekt vor all denen, die in den letzten Monaten Entscheidungen treffen mussten.“So weitergehen wie zuletzt dürfe es aber nicht mehr: „Wir halten es verdammt noch mal nicht noch mal durch.“
Die 48-Jährige ist den Freien Demokraten 2008 beigetreten, politisch aktiv ist sie seit 2019. Vorher sei angesichts des Vollzeit-Jobs, den sie für ihr spätes Politik-Fernstudium um zehn Prozent reduzierte, und der Familie keine Zeit gewesen. Dass sich Anke Hillmann-Richter nach der Kandidatur auf Platz zwei der Ulmer FDP-Gemeinderatsliste vor zwei Jahren nun um einen Sitz im Bundestag bewirbt, liegt auch an der Pandemie. Die FDP-Frau setzt auf Freiheit. „Dass ich so leben kann, wie ich möchte“, formuliert sie. Der Staat sei dafür da, die Grundrechte zu garantieren. Dass es Einschränkungen gegeben habe, sei nachvollziehbar. Aber nun müsse es anders weitergehen, fordert Anke Hillmann-Richter, die sich bei aller Kritik von der Querdenker-Szene abgrenzt: „Doppelt geimpft“, sagt die 48-Jährige über sich.
Als der Wahlkreis Ulm den amtierenden Bundestagsabgeordneten
Alexander Kulitz als Kandidaten benannte, sei sie gedanklich noch nicht so weit gewesen, berichtet Anke Hillmann-Richter. Als die Parteifreunde aus Neu-Ulm, Günzburg und dem Unterallgäu wenige Monate später nach Bewerberinnen und Bewerbern suchten, war das anders. Die Ulmerin trat an und setzte sich durch. „Ich kann mit dem Fahrrad in meinen Wahlkreis fahren“, sagt sie und betont die starke länderübergreifende Zusammenarbeit der Region. Wer wo wohne, sei nicht so wichtig.
Anke Hillmann-Richter ist auch bewusst, dass die Konkurrenz im Wahlkreis groß ist. Doch die Ulmerin bezeichnet sich als Optimistin: „Wenn ich mir etwas wünsche, kann ich es schaffen.“Vor allem aber wolle sie zeigen, was ihre Partei und sie zu bieten hätten. Dass die FDP keine kaltherzige Politik für Besserverdiener mache – wie ein altes Klischee besagt –, sondern an Bildung, Zukunftssicherung und Rente denke. Und dass sie selbst eben eine „Marktlücke“in ihrer Partei belegt: „Sozialpolitik machen nicht sehr viele.“
Und nach der Wahl? Soll die FDP mitregieren, mit wem soll sie koalieren? „Wir müssen nicht auf Teufel komm raus. Wir kennen unsere Kompetenzen, und die wollen wir einbringen.“Das Finanzministerium jedenfalls müsse unbedingt an die Freien Demokraten gehen, meint Anke Hillmann-Richter.