Mittelschwaebische Nachrichten

Zum ersten Mal die Qual der Wahl

Zur Bundestags­wahl dürfen viele junge Menschen erstmals abstimmen. Welche Themen beschäftig­en sie?

- VON JULIA GREIF, QUIRIN HÖNIG UND MAXIMILIAN SONNTAG

Neu‰Ulm 13 Kandidatin­nen und Kandidaten und 26 Parteien stehen im Wahlkreis 255 auf dem Stimmzette­l. Viele junge Menschen in den Landkreise­n Neu-Ulm, Günzburg und Teilen des Unterallgä­us können bei der Bundestags­wahl 2021 zum ersten Mal ihre Kreuzchen machen. Doch was sind für diese Erstwähler­innen und -Wähler die relevanten Themen bei der diesjährig­en Wahl? Wie informiere­n sie sich über das politische Geschehen? Wählen sie per Briefwahl oder im Wahllokal? Unsere Redaktione­n haben mit einigen jungen Erwachsene­n aus dem Wahlkreis gesprochen, die diesen September zum ersten Mal wählen dürfen.

Laut einer Schätzung des Statistisc­hen Bundesamte­s sind zur Bundestags­wahl etwa 60,4 Millionen Deutsche im Bundesgebi­et wahlberech­tigt. Das sind weniger als bei der vergangene­n Bundestags­wahl im Jahr 2017, damals durften 61,7 Millionen Personen wählen. Der Grund für diesen Rückgang ist die demografis­che Entwicklun­g, seit damals sind mehr Deutsche gestorben, als volljährig und damit wahlberech­tigt wurden. Etwa 2,8 Millionen Wählerinne­n und Wähler dürüber fen dieses Jahr zum ersten Mal an einer Bundestags­wahl teilnehmen, das sind etwa 4,6 Prozent aller Wahlberech­tigten. Manche dieser Erstwähler­innen und -Wähler konnten bereits ihre Stimme bei Landtags-, Kommunal- oder Europawahl­en abgeben, andere treten in diesem September zum allererste­n Mal an eine Urne.

Einer Partei gehört Rainer Fiebig aus Kissendorf (Kreis Günzburg) zwar nicht an, an Politik interessie­rt ist der 19-Jährige aber schon seit Längerem. Der Austausch über politische Themen ist ihm wichtig. So spricht der junge Elektrotec­hniker immer wieder mit Familie oder Freunden über die aktuellste­n Entwicklun­gen.

Fiebig wird seine Stimme bei der Bundestags­wahl per Briefwahl abgeben. Wo er letztlich seine Kreuze setzen wird, weiß er aber noch nicht. Ein entscheide­nder Faktor sei jedenfalls, wie die Parteien mit den für ihn relevanten Themen umgehen. Welche Konzepte erarbeiten die Politikeri­nnen und Politiker in Sachen Umweltschu­tz? Kommt das Tempolimit oder nicht? Wie geht es mit der Bundeswehr weiter? Und wie handelt Deutschlan­d künftig außenpolit­isch? All diese Aspekte treiben den 19-Jährigen um.

Er informiert sich regelmäßig politische Themen: „Ich hole mir meine Informatio­nen über soziale Netzwerke, wie Instagram, über Nachrichte­nplattform­en im Internet und über das Fernsehen“, sagt Fiebig.

Leon Flak aus Pfuhl (Kreis NeuUlm) möchte in den kommenden Tagen anfangen, sich intensiv über politische Themen zu informiere­n. Er nutzt ohnehin Soziale Netzwerke, um das aktuelle Zeitgesche­hen zu verfolgen. Angesichts der Bundestags­wahl will der 19-Jährige seinen Fokus nun aber verstärkt auf die verschiede­nen Positionen der Parteien und deren Ziele legen. „Ich möchte mich gut informiere­n, bevor ich meine beiden Kreuze am Wahltag setze.“

Für ihn sind vor allem die Themen Integratio­n und Zuwanderun­g sowie Wirtschaft und Klimaschut­z wichtig. Selber ist er kein Parteimitg­lied, über politische Themen wird im Freundeskr­eis und der Familie aber ab und zu gesprochen. Seine Stimme möchte er wahrschein­lich per Briefwahl abgeben. Nach seinem Fachabitur wird Flak zur Bundeswehr gehen.

Paul Körner studiert dual Betriebswi­rtschaftsl­ehre in Heidenheim. Die ersten beiden Semester verbrachte er wegen Corona größtentei­ls bei seinen Eltern in Günzburg.

„Dadurch, dass ich in Heidenheim studiere, habe ich mitbekomme­n, wie teuer öffentlich­e Verkehrsmi­ttel sind. Das beschäftig­t mich sehr“, sagt der 19-Jährige. Auch die Verbindung­en könnten schneller werden, meint er. Weil er 2020 sein Abitur gemacht hat, liegt ihm auch die digitale Bildung an der Schule am Herzen: Es sollten alle Schülerinn­en und Schüler Zugang zu den notwendige­n Geräten, wie Tablets oder Laptops, haben und vermittelt bekommen, wie sie diese bedienen.

Ein weiteres Thema, das ihn beschäftig­t, ist das Tempolimit. Bei der Kommunalwa­hl vergangene­s Jahr war Körner noch ein paar Tage zu jung, um zu wählen. Er hat es verschmerz­t: „Ich wusste ja, dass die Bundestags­wahl nicht lange auf sich warten lässt.“Er selbst wählt nicht nur im Wahllokal in Günzburg, sondern ist auch seit mehr als einem Jahr Mitglied der SPD und engagiert sich bei den Günzburger Jusos. Damit sei er in seinem Freundeskr­eis der Einzige, sagt der 19-Jährige. In der Familie ist Politik gelegentli­ch ein Thema beim Abendessen: „Mein Vater und ich sind uns des Öfteren mal uneinig, aber es hält sich in Grenzen. Es gibt höchstens mal ein Streitgesp­räch.“

„Arbeit und Soziales, das sind die beiden wichtigste­n Themen für mich bei dieser Bundestags­wahl“, sagt Melina Baumann aus Nersingen (Kreis Neu-Ulm). Es gehe ihr vor allem um die gleiche Bezahlung für Mann und Frau sowie eine faire Entlohnung in sozialen Berufsfeld­ern. Die 18-Jährige, die eine Ausbildung zur Heilerzieh­ungspflege­rin macht, ist zwar politisch nicht aktiv, informiert sich aber regelmäßig über aktuelle Themen. Dafür nutzt sie das Internet oder schaut Nachrichte­n im Fernsehen an. Baumann wird ihre beiden Stimmen direkt im

Wahllokal in Nersingen abgeben. Für wen sie sich entscheide­t, weiß sie allerdings noch nicht.

Marvin Beyer hat sich mit der Wahl noch nicht so sehr befasst, die Programme der Parteien habe er sich noch nicht richtig durchgeles­en. „So frisch 18, da ist das nicht das Wichtigste, sich mit der Wahl zu beschäftig­en.“Mit dem Alter rücke das dann in den Vordergrun­d. Der Wahlkampf kommt für ihn ein bisschen oberflächl­ich rüber, sagt der 18-Jährige aus Nornheim bei Günzburg. „Ich finde es schwierig, da rein zukommen, weil man keine konkreten Punkte mitbekommt, wofür die Parteien und Kandidaten stehen.“Man sehe nur überall die Plakate hängen.

Auch der Auszubilde­nde zum Landschaft­sgärtner informiert sich über in den sozialen Medien über Politik, über Posts von Nachrichte­nseiten, wie er sagt. Eher beiläufig seien auch die Gespräche im Freundeskr­eis über Politik: „Ab und zu fallen Sätze, wen man jetzt wählt.“Größere Diskussion­en gibt es aber nicht. Beyer will seine Kreuze nicht bei irgendeine­r Partei machen, wenn er keine Ahnung hat, wofür die Gruppierun­gen eigentlich stehen. Wählen gehen will er auf jeden Fall: Gar nichts zu tun, sei keine Option.

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Foto: Martin Schutt, dpa (Symbolbild) Viele junge Menschen aus dem Wahl‰ kreis Neu‰Ulm wählen in diesem Jahr zum ersten Mal.

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