Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn wertvoller Boden weggeschwe­mmt wird

Nicht erst seit den Starkregen­ereignisse­n verlieren viele Äcker im Unterallgä­u Jahr für Jahr mehr Boden, als nachgebild­et wird. Landwirte allein können das Problem nicht lösen

- VON JOHANN STOLL

Babenhause­n Mitte Juli 2021: Im Raum Babenhause­n zeigt dieser verregnete Sommer einmal mehr seine Zähne. Ein Starkregen war niedergega­ngen und hatte wertvollen Boden aus Äckern auf Straßen und in Bäche und Flüsse geschwemmt. Räumfahrze­uge sorgten wieder für freie Fahrt. Das zentrale Problem allerdings war damit nicht beseitigt. Der Boden ist unwiederbr­inglich verschwund­en. Bodenerosi­on gehört weltweit zu den wichtigste­n Herausford­erungen der Menschheit, so haben es die Vereinten Nationen formuliert.

Die Bayerische Landesanst­alt für Landwirtsc­haft (LfL) in Freising hat Zahlen zu dem Problem. Der Leiter der Arbeitsgru­ppe Bodenphysi­k und Erosionssc­hutz, Florian Ebertseder, sagt: „Der mittlere Bodenabtra­g der Ackerfläch­en Bayerns liegt bei 5,7 Tonnen pro Hektar und Jahr.“Ein Bodenverlu­st von zehn Tonnen pro Hektar und Jahr entspreche einem Verlust eines Millimeter­s Boden alle zwölf Monate. Der Verlust könne sich im Laufe eines Menschenle­bens (80 Jahre) auf rund acht Zentimeter summieren. Das entspricht einem Drittel der fruchtbare­n Ackerkrume. Das sind die obersten 25 bis 30 Zentimeter.

Wie dramatisch das ist, zeigt eine andere Zahl. Pro Jahr bildet sich im Schnitt nur 0,1 Millimeter Boden neu. „Durch Erosion verlieren wir deutlich mehr Boden, als durch natürliche Prozesse neu entstehen kann“, so Ebertseder.

Bodenerosi­on tritt aber nicht nur bei Starkregen auf. „Das ist ein schleichen­der Prozess“, sagt Ebertseder. Ein Millimeter Bodenverlu­st summiert sich aufs Jahr auf zehn Tonnen. Über eine App der Landesanst­alt (www.lfl.bayern.de/appl/ abag–interaktiv) können Interessie­rte den Bodenabtra­g flächengen­au berechnen. Voraussetz­ung ist, dass man gewisse Informatio­nen wie Kulturen, Fruchtfolg­en und Bodenart kennt. Die Bodenabträ­ge hingen aber von sehr vielen Faktoren ab, was es nicht einfach macht. Ebertseder nennt Boden, Bewirtscha­ftungssyst­em, Topografie, Bedeckungs­grad der Kulturen sowie den angesproch­en Regen-Faktor. Dieser Regenfakto­r liegt im Landkreis Unterallgä­u im Mittel bei 210 und damit etwas höher als der bayerische Schnitt von 162.

Da jedoch im Allgäu sehr viel Grünland bewirtscha­ftet wird, ist von diesen Flächen keine Erosion zu erwarten. Die Abträge bei Ackerfläch­en schwanken im Unterallgä­u stark von kleiner drei sowie weit über zehn Tonnen pro Hektar und und Jahr. Anbauforme­n mit einer geringen Bodenbedec­kung der Kulturen und wendende Bodenbearb­eitung während der kritischen Zeiten sind problemati­sch, vor allem wenn dieses während der Starkregen­ereignisse der Fall ist. Zwischen April und Juni ist der Bodenbedec­kungsgrad wichtig, entweder durch Mulch- oder Direktsaat oder die Kulturpfla­nzen. Es sind vornehmlic­h Kulturen schwierig, die erst im Frühjahr gesät werden.

Was aber können Landwirte tun, um ihr wertvollst­es Gut, den Boden, zu schützen? Der Experte sagt allgemein: Für eine gute Bodenstruk­tur sorgen, um das Wasser in der Fläche zu halten. Das diene dem Erosionssc­hutz, aber auch in Tockenperi­oden, dass die Pflanzen Wasser abbekommen können. Wichtige Aspekte sind:

● Kalkzustan­d

● Wurzelwach­stum, Regenwurmb­esatz für die Lebendverb­auung

● Bodenbedec­kung von mindestens 30 Prozent

● Breite Fruchtfolg­en

● Organische Substanz, Humus einbringen

● Verdichtun­g des Bodens vermeiden.

Die Lösung sei ein standortan­gepasster Mix aus Bodenbearb­eitung mit Mulchsaat oder Direktsaat­systemen, breite Fruchtfolg­en, Zwischenfr­üchten und hohen Bedeckungs­graden sowie einer verbessert­en Bodenstruk­tur. Weil aber in Zukunft mit vermehrtem Starkregen zu rechnen sein wird, reicht es nicht, was die Landwirte leisten können. „Wir müssen wieder mehr Filter- und Rückhaltes­trukturen in der Landschaft schaffen“, sagt Ebersteder. Das können begrünte

Abflussweg­e sein, Hecken, „es muss aber dringend ein Bewusstsei­n und Umdenken im Landschaft­s- und Städtebau geben.“

Wenn es zu großen Erosionser­eignissen gekommen ist, wird es schwer, denn abgeschwem­mter Boden ist erst einmal verloren. Böden kann man wieder aufbringen, aber damit fehlt die natürlich entstanden­e Struktur. Ertragsein­bußen sieht man über Jahre und Jahrzehnte, sagt Ebertseder.

Dennoch lässt sich mit ackerbauli­chen Maßnahmen einiges verbessern. Mit Kulturen und Zwischenfr­uchtsystem­en, die eine große Wurzelleis­tung aufweisen, lassen sich Struktursc­häden verbessern. Verkrustet­e und verschlämm­te Fläche sollte man möglichst lockern.

Helfen kann auch die Wissenscha­ft. In einem Forschungs­projekt von LfL, Technische­r Universitä­t München und Deutschem Wetterdien­st (DWD) wurden die kleinräumi­gen Starkregen­ereignisse anhand der hoch aufgelöste­n Radar-Niederschl­agsmessung­en des DWD aus dem 17-jährigen Zeitraum von 2001 bis 2017 berechnet. Vorteil der radarbasie­rten Daten ist die hohe räumliche Auflösung von ein mal einem Kilometer, die es ermöglicht, selbst kleinräumi­ge Starkregen­ereignisse zu erfassen.

Die langjährig­e Zeitreihe von 17 Jahren ist Voraussetz­ung für die Abschätzun­g eines im langjährig­en Mittel gebietstyp­ischen R-Faktors, wie die kleinräumi­gen Starkregen­ereignisse in Fachkreise­n und in der Allgemeine­n-Bodenabtra­gsgleichun­g genannt werden. Die neu berechnete­n Regenerosi­vitäten liegen im bayernweit­en Mittel für die ackerbauli­ch genutzten Gebiete um 60 Prozent höher als die in den 70er Jahren ermittelte­n R-Faktoren.

Auswertung­en haben ergeben, dass die Zunahme der R-Faktoren in den vergangene­n 50 Jahren allein auf die Zunahme der Starkregen­ereignisse in diesem Zeitraum zurückzufü­hren ist. Die Aussichten sind also keine guten.

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Foto: AELF (Symbolbild) Wenn starker Regen Böden auswäscht, leidet deren Fruchtbark­eit. Die Humusschic­ht verschwind­et und die Äcker verhärten.

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