Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn wertvoller Boden weggeschwemmt wird
Nicht erst seit den Starkregenereignissen verlieren viele Äcker im Unterallgäu Jahr für Jahr mehr Boden, als nachgebildet wird. Landwirte allein können das Problem nicht lösen
Babenhausen Mitte Juli 2021: Im Raum Babenhausen zeigt dieser verregnete Sommer einmal mehr seine Zähne. Ein Starkregen war niedergegangen und hatte wertvollen Boden aus Äckern auf Straßen und in Bäche und Flüsse geschwemmt. Räumfahrzeuge sorgten wieder für freie Fahrt. Das zentrale Problem allerdings war damit nicht beseitigt. Der Boden ist unwiederbringlich verschwunden. Bodenerosion gehört weltweit zu den wichtigsten Herausforderungen der Menschheit, so haben es die Vereinten Nationen formuliert.
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising hat Zahlen zu dem Problem. Der Leiter der Arbeitsgruppe Bodenphysik und Erosionsschutz, Florian Ebertseder, sagt: „Der mittlere Bodenabtrag der Ackerflächen Bayerns liegt bei 5,7 Tonnen pro Hektar und Jahr.“Ein Bodenverlust von zehn Tonnen pro Hektar und Jahr entspreche einem Verlust eines Millimeters Boden alle zwölf Monate. Der Verlust könne sich im Laufe eines Menschenlebens (80 Jahre) auf rund acht Zentimeter summieren. Das entspricht einem Drittel der fruchtbaren Ackerkrume. Das sind die obersten 25 bis 30 Zentimeter.
Wie dramatisch das ist, zeigt eine andere Zahl. Pro Jahr bildet sich im Schnitt nur 0,1 Millimeter Boden neu. „Durch Erosion verlieren wir deutlich mehr Boden, als durch natürliche Prozesse neu entstehen kann“, so Ebertseder.
Bodenerosion tritt aber nicht nur bei Starkregen auf. „Das ist ein schleichender Prozess“, sagt Ebertseder. Ein Millimeter Bodenverlust summiert sich aufs Jahr auf zehn Tonnen. Über eine App der Landesanstalt (www.lfl.bayern.de/appl/ abag–interaktiv) können Interessierte den Bodenabtrag flächengenau berechnen. Voraussetzung ist, dass man gewisse Informationen wie Kulturen, Fruchtfolgen und Bodenart kennt. Die Bodenabträge hingen aber von sehr vielen Faktoren ab, was es nicht einfach macht. Ebertseder nennt Boden, Bewirtschaftungssystem, Topografie, Bedeckungsgrad der Kulturen sowie den angesprochen Regen-Faktor. Dieser Regenfaktor liegt im Landkreis Unterallgäu im Mittel bei 210 und damit etwas höher als der bayerische Schnitt von 162.
Da jedoch im Allgäu sehr viel Grünland bewirtschaftet wird, ist von diesen Flächen keine Erosion zu erwarten. Die Abträge bei Ackerflächen schwanken im Unterallgäu stark von kleiner drei sowie weit über zehn Tonnen pro Hektar und und Jahr. Anbauformen mit einer geringen Bodenbedeckung der Kulturen und wendende Bodenbearbeitung während der kritischen Zeiten sind problematisch, vor allem wenn dieses während der Starkregenereignisse der Fall ist. Zwischen April und Juni ist der Bodenbedeckungsgrad wichtig, entweder durch Mulch- oder Direktsaat oder die Kulturpflanzen. Es sind vornehmlich Kulturen schwierig, die erst im Frühjahr gesät werden.
Was aber können Landwirte tun, um ihr wertvollstes Gut, den Boden, zu schützen? Der Experte sagt allgemein: Für eine gute Bodenstruktur sorgen, um das Wasser in der Fläche zu halten. Das diene dem Erosionsschutz, aber auch in Tockenperioden, dass die Pflanzen Wasser abbekommen können. Wichtige Aspekte sind:
● Kalkzustand
● Wurzelwachstum, Regenwurmbesatz für die Lebendverbauung
● Bodenbedeckung von mindestens 30 Prozent
● Breite Fruchtfolgen
● Organische Substanz, Humus einbringen
● Verdichtung des Bodens vermeiden.
Die Lösung sei ein standortangepasster Mix aus Bodenbearbeitung mit Mulchsaat oder Direktsaatsystemen, breite Fruchtfolgen, Zwischenfrüchten und hohen Bedeckungsgraden sowie einer verbesserten Bodenstruktur. Weil aber in Zukunft mit vermehrtem Starkregen zu rechnen sein wird, reicht es nicht, was die Landwirte leisten können. „Wir müssen wieder mehr Filter- und Rückhaltestrukturen in der Landschaft schaffen“, sagt Ebersteder. Das können begrünte
Abflusswege sein, Hecken, „es muss aber dringend ein Bewusstsein und Umdenken im Landschafts- und Städtebau geben.“
Wenn es zu großen Erosionsereignissen gekommen ist, wird es schwer, denn abgeschwemmter Boden ist erst einmal verloren. Böden kann man wieder aufbringen, aber damit fehlt die natürlich entstandene Struktur. Ertragseinbußen sieht man über Jahre und Jahrzehnte, sagt Ebertseder.
Dennoch lässt sich mit ackerbaulichen Maßnahmen einiges verbessern. Mit Kulturen und Zwischenfruchtsystemen, die eine große Wurzelleistung aufweisen, lassen sich Strukturschäden verbessern. Verkrustete und verschlämmte Fläche sollte man möglichst lockern.
Helfen kann auch die Wissenschaft. In einem Forschungsprojekt von LfL, Technischer Universität München und Deutschem Wetterdienst (DWD) wurden die kleinräumigen Starkregenereignisse anhand der hoch aufgelösten Radar-Niederschlagsmessungen des DWD aus dem 17-jährigen Zeitraum von 2001 bis 2017 berechnet. Vorteil der radarbasierten Daten ist die hohe räumliche Auflösung von ein mal einem Kilometer, die es ermöglicht, selbst kleinräumige Starkregenereignisse zu erfassen.
Die langjährige Zeitreihe von 17 Jahren ist Voraussetzung für die Abschätzung eines im langjährigen Mittel gebietstypischen R-Faktors, wie die kleinräumigen Starkregenereignisse in Fachkreisen und in der Allgemeinen-Bodenabtragsgleichung genannt werden. Die neu berechneten Regenerosivitäten liegen im bayernweiten Mittel für die ackerbaulich genutzten Gebiete um 60 Prozent höher als die in den 70er Jahren ermittelten R-Faktoren.
Auswertungen haben ergeben, dass die Zunahme der R-Faktoren in den vergangenen 50 Jahren allein auf die Zunahme der Starkregenereignisse in diesem Zeitraum zurückzuführen ist. Die Aussichten sind also keine guten.