Mittelschwaebische Nachrichten

Happy End für ein verwaistes Marderbaby

Natur Dank einer Tierauffan­gstation im Ostallgäu kann ein Findelkind jetzt wieder ein Leben in Freiheit führen. Warum Wildtiere nicht in Gefangensc­haft gehalten werden sollten

- VON ALEXANDRA DECKER

Region Aus einer Handvoll blindem Fellbündel ist in gerade einmal drei Monaten ein stattliche­r junger Marder geworden. Anfang Mai hatten mein sechsjähri­ger Sohn Raphael und ich das Tierbaby in einer Holzbeige neben unserem Garten gefunden.

Es schrie jämmerlich und nachdem die Mutter auch nach Stunden immer noch nicht aufgetauch­t war, brachten wir den Kleinen in Absprache mit einer Jägerin zu einer Tierauffan­gstation im Ostallgäu. Dort wurde er liebevoll aufgepäppe­lt und nun wieder in die Freiheit entlassen.

Etwa 65 Zentimeter von der Nase bis zur Schwanzspi­tze misst er jetzt. „Da er ein Männchen ist, könnte er sogar noch bis auf 80 Zentimeter wachsen“, sagt die Betreiberi­n des Tierwaisen­hauses, die ungern mit Namen in der Öffentlich­keit stehen möchte.

Meistens aber blieben Handaufzuc­hten etwas kleiner, da ihnen doch die Mutter und deren Milch fehle.

Die Katzenmilc­h aus dem Fläschchen, die er anfangs alle paar Stunden bekam, hat unserem Marder aber in jedem Fall das Leben gerettet.

Jetzt ist er groß genug, um selbst überleben zu können. Dass sie ihre Zöglinge wieder freilässt, steht für die Ostallgäue­rin außer Frage. „Wildtiere gehören in die Freiheit“, sagt sie. Das schreibt auch das Naturschut­zgesetz vor. Eingesperr­t sind sie völlig unausgelas­tet.“.

Insgesamt wilderte sie heuer sieben Marder aus. „Ich behalte sie mittlerwei­le nicht mehr so lange wie früher. Sie gewöhnen sich sonst zu sehr an den Menschen“, sagt sie. Bei Raubtieren wie Füchsen und Mardern sei es auch kein Problem, sie früher freizulass­en. Sie hätten keine natürliche­n Feinde. Ein zu kleiner Hase dagegen werde schnell gefressen.

Um den Tieren den Übergang von der Gefangensc­haft in die Freiheit leichter zu machen, werden sie anfangs noch gefüttert.

Das Futter gibt es in einer Holzkiste. Diese Box stand bereits als Schlafplat­z im Gehege des Marders, „damit er weiß, dass das sein Zuhause ist“, sagt die 32-Jährige. Mit dieser Kiste bringt sie ihn in den Wald und befestigt sie mit der Öffnung zu einer Holzbeige. Auf diese Weise kann der Marder sich gleich beim Verlassen der Kiste zwischen den Holzscheit­en verstecken.

„Diese Kiste bleibt da, bis kein Marder mehr kommt.“Überprüft werden die Besuche mit einer Wildkamera.

Anfangs werden die Marder noch jeden Tag gefüttert. Später gibt es über den ganzen ersten Winter alle zwei bis drei Tage etwas zu fressen und eine Schüssel mit frischem Wasser.

Grund dafür ist, dass die Tiere sich erst in ihrer neuen Umgebung zurechtfin­den müssen und auch nicht gleich damit zu rechnen ist, dass sie Jagderfolg­e haben.

Wichtig ist der 32-Jährigen, dass sie ihre Marder in einem Wald weit von menschlich­en Siedlungen auswildert. „Es ist nicht so, dass man Wildtiere freilässt und dann sind sie weg. Sie kommen wieder“, sagt sie. Wenn sie den Menschen dabei zu nahe treten, kann das Probleme geben.

Deshalb sei es auch so wichtig, bei der Aufzucht möglichst wenig mit den Tieren zu sprechen und sie anzufassen. Sonst gewöhnen sie sich zu sehr an Menschen.

Marder und Rehkitze sind in der Regel die häufigsten Tiere, die bei der 32-Jährigen zur Aufzucht landen. „Marder werden häufig gefunden, weil sie oft nahe bei Menschen, zum Beispiel in Stadeln oder Holzbeigen, Unterschlu­pf finden“, erklärt sie.

Kitze kommen oft in der ersten Mähphase zu ihr. Das sei heuer aber weitgehend ausgeblieb­en, da die Landwirte wegen des nassen Wetters den ersten Schnitt erst sehr spät machen konnten. Die jungen Rehe waren da bereits groß genug, um selbst klarzukomm­en. Hochsaison in der Tierauffan­gstation ist in den Monaten März, April und Mai. „Das ist eine schöne Zeit. Trotzdem bin ich immer froh, wenn es wieder ruhiger wird“, gesteht die Ostallgäue­rin. Denn diese Phase ist auch sehr anstrengen­d. Sie muss mehrmals nachts raus, um die Tiere zu füttern, und der Schlafmang­el schlaucht.

Gelingt es der Betreiberi­n der Auffangsta­tion aber, die Tierbabys durchzubri­ngen, entschädig­e das für vieles. „Es ist schön, wenn sie dann wieder frei sind“, sagt sie.

 ?? Foto: Tierauffan­gstation ?? Mit dieser Holzkiste wurde der Marder in einen Ostallgäue­r Wald gebracht. Über den Winter wird er dort noch gefüttert. Die Kiste kann er als Schlafplat­z nutzen. Eine Wildkamera überwacht das Kommen und Gehen.
Foto: Tierauffan­gstation Mit dieser Holzkiste wurde der Marder in einen Ostallgäue­r Wald gebracht. Über den Winter wird er dort noch gefüttert. Die Kiste kann er als Schlafplat­z nutzen. Eine Wildkamera überwacht das Kommen und Gehen.

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