Mittelschwaebische Nachrichten
Warum die Pleitewelle ausgeblieben ist
Corona, Krieg, Energiepreise: All die Krisen machen deutschen Firmen zu schaffen. Noch halten sie aber besser stand als befürchtet.
Erst bremste die Pandemie viele Unternehmen aus, dann ließ der Ukraine-Krieg Geschäfte wegbrechen, und nun fressen hohe Energiepreise und steigende Zinsen die Gewinne auf. Die Serie von Krisen belastet die deutsche Wirtschaft massiv, die zu Beginn des Jahres in eine Rezession gerutscht ist. Doch während andere Länder bereits von einer massiven Pleitewelle erfasst wurden, halten die meisten Firmen hierzulande dem Dauerdruck noch immer stand.
Nach Studien des Verbandes Creditreform stieg die Zahl der Insolvenzen in Frankreich, Österreich oder Großbritannien im vergangenen Jahr um satte 50 bis 60 Prozent an. Auch im westeuropäischen Durchschnitt gab es rund 24 Prozent mehr Firmenpleiten als noch 2021. In Deutschland hingegen ist die Zahl der Unternehmen, denen das Geld ausging, nur um 3,8 Prozent gestiegen.
In Bayern haben laut Landesamt für Statistik im vergangenen Jahr 1994 Firmen ein Insolvenzverfahren beantragt – ein Anstieg um 8,4 Prozent. Dass die große Pleitewelle bislang ausgeblieben ist, hat auch mit den milliardenschweren Staatshilfen zu tun, die sich andere Länder nicht leisten konnten. Doch damit steht die Frage im Raum, ob womöglich auch Firmen über Wasser gehalten werden, die unter anderen Umständen längst untergegangen wären.
Für Patrick-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, ist das zumindest nicht auszuschließen. „Seit Corona folgt Krise um Krise, die der Staat mit immer neuen Geld-, Fiskal- und ordnungspolitischen Eingriffen in die Marktwirtschaft begleitet hat. Was am Anfang als stabilisierendes Signal wichtig und richtig war, entwickelte sich mit der Zeit zu einer Dauersubvention durch die Gießkanne“, warnt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Er befürchtet deshalb, dass es zu Nachholeffekten kommen wird, sobald staatliche Maßnahmen wegfallen.
Einen Anhaltspunkt könnte ein Blick auf die Rettungsprogramme während der Pandemie geben. Und hier gibt Oliver Falck vom Münchner Ifo-Institut zumindest vorsichtig Entwarnung: „Wir können nicht beobachten, dass nach Auslaufen der Corona-Wirtschaftshilfen möglicherweise künstlich am Leben gehaltene Unternehmen jetzt reihenweise pleitegehen. Wir sehen vielmehr eine Normalisierung bei den Insolvenzen“, sagt der Wissenschaftler auf Nachfrage unserer Redaktion. Noch allerdings sei es zu früh für eine Endabrechnung. „Es könnte sein, dass auf manche Firmen Rückzahlungsverpflichtungen zukommen“, gibt Falck zu bedenken. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Fristen nicht eingehalten wurden oder die Umsätze doch nicht so stark eingebrochen sind wie erwartet.
Grundsätzlich attestiert der IfoExperte der deutschen Wirtschaft eine hohe Widerstandsfähigkeit. „Es hat mich immer wieder beeindruckt, wie anpassungsfähig viele in der Krise waren.“Die meisten Experten gehen dennoch davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen auch in Deutschland steigen beziehungsweise sich normalisieren wird. „Viele Unternehmen sind trotz staatlicher Hilfe massiv durch die vielen Krisen geschwächt“, sagt Hantzsch. Es sei aber auch ein völlig natürlicher Vorgang, dass nicht jeder Betrieb gerettet werden könne.
Der Wirtschaftsforscher sieht jedoch noch einen weiteren Risikofaktor für das Land: „Die große Unsicherheit der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass auch gesunde Unternehmen deutlich weniger investiert haben. Das aber ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass die deutschen Unternehmen auch weiterhin zukunftsund wettbewerbsfähig bleiben.“