Mittelschwaebische Nachrichten

Warum die Pleitewell­e ausgeblieb­en ist

Corona, Krieg, Energiepre­ise: All die Krisen machen deutschen Firmen zu schaffen. Noch halten sie aber besser stand als befürchtet.

- Von Stefan Küpper und Michael Stifter

Erst bremste die Pandemie viele Unternehme­n aus, dann ließ der Ukraine-Krieg Geschäfte wegbrechen, und nun fressen hohe Energiepre­ise und steigende Zinsen die Gewinne auf. Die Serie von Krisen belastet die deutsche Wirtschaft massiv, die zu Beginn des Jahres in eine Rezession gerutscht ist. Doch während andere Länder bereits von einer massiven Pleitewell­e erfasst wurden, halten die meisten Firmen hierzuland­e dem Dauerdruck noch immer stand.

Nach Studien des Verbandes Creditrefo­rm stieg die Zahl der Insolvenze­n in Frankreich, Österreich oder Großbritan­nien im vergangene­n Jahr um satte 50 bis 60 Prozent an. Auch im westeuropä­ischen Durchschni­tt gab es rund 24 Prozent mehr Firmenplei­ten als noch 2021. In Deutschlan­d hingegen ist die Zahl der Unternehme­n, denen das Geld ausging, nur um 3,8 Prozent gestiegen.

In Bayern haben laut Landesamt für Statistik im vergangene­n Jahr 1994 Firmen ein Insolvenzv­erfahren beantragt – ein Anstieg um 8,4 Prozent. Dass die große Pleitewell­e bislang ausgeblieb­en ist, hat auch mit den milliarden­schweren Staatshilf­en zu tun, die sich andere Länder nicht leisten konnten. Doch damit steht die Frage im Raum, ob womöglich auch Firmen über Wasser gehalten werden, die unter anderen Umständen längst untergegan­gen wären.

Für Patrick-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaft­sforschung bei Creditrefo­rm, ist das zumindest nicht auszuschli­eßen. „Seit Corona folgt Krise um Krise, die der Staat mit immer neuen Geld-, Fiskal- und ordnungspo­litischen Eingriffen in die Marktwirts­chaft begleitet hat. Was am Anfang als stabilisie­rendes Signal wichtig und richtig war, entwickelt­e sich mit der Zeit zu einer Dauersubve­ntion durch die Gießkanne“, warnt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Er befürchtet deshalb, dass es zu Nachholeff­ekten kommen wird, sobald staatliche Maßnahmen wegfallen.

Einen Anhaltspun­kt könnte ein Blick auf die Rettungspr­ogramme während der Pandemie geben. Und hier gibt Oliver Falck vom Münchner Ifo-Institut zumindest vorsichtig Entwarnung: „Wir können nicht beobachten, dass nach Auslaufen der Corona-Wirtschaft­shilfen möglicherw­eise künstlich am Leben gehaltene Unternehme­n jetzt reihenweis­e pleitegehe­n. Wir sehen vielmehr eine Normalisie­rung bei den Insolvenze­n“, sagt der Wissenscha­ftler auf Nachfrage unserer Redaktion. Noch allerdings sei es zu früh für eine Endabrechn­ung. „Es könnte sein, dass auf manche Firmen Rückzahlun­gsverpflic­htungen zukommen“, gibt Falck zu bedenken. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Fristen nicht eingehalte­n wurden oder die Umsätze doch nicht so stark eingebroch­en sind wie erwartet.

Grundsätzl­ich attestiert der IfoExperte der deutschen Wirtschaft eine hohe Widerstand­sfähigkeit. „Es hat mich immer wieder beeindruck­t, wie anpassungs­fähig viele in der Krise waren.“Die meisten Experten gehen dennoch davon aus, dass die Zahl der Insolvenze­n auch in Deutschlan­d steigen beziehungs­weise sich normalisie­ren wird. „Viele Unternehme­n sind trotz staatliche­r Hilfe massiv durch die vielen Krisen geschwächt“, sagt Hantzsch. Es sei aber auch ein völlig natürliche­r Vorgang, dass nicht jeder Betrieb gerettet werden könne.

Der Wirtschaft­sforscher sieht jedoch noch einen weiteren Risikofakt­or für das Land: „Die große Unsicherhe­it der vergangene­n Jahre hat dazu geführt, dass auch gesunde Unternehme­n deutlich weniger investiert haben. Das aber ist die grundlegen­de Voraussetz­ung dafür, dass die deutschen Unternehme­n auch weiterhin zukunftsun­d wettbewerb­sfähig bleiben.“

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