Mittelschwaebische Nachrichten

Alles Weidel, oder was?

Theo Müller gibt ungewohnt umfassend Einblick in sein Leben. Der Milch-Patriarch erzählt, dass er gerne mit der AfD-Co-Chefin plaudert und warum ihn eine Abnehmspri­tze begeistert.

- Von Stefan Stahl

Theo Müller ist einer der erfolgreic­hsten deutschen Unternehme­r. So hat der heute 84-Jährige 1971 den Familien-Betrieb mit vier Mitarbeite­rn übernommen und über die Jahrzehnte hinweg mit Geschick, Innovation­sLust („Joghurt mit der Ecke“), massenwirk­samer Werbung („Alles Müller, … oder was?“) und Expansions­freude in einen Konzern mit 32.300 Beschäftig­ten und zuletzt 8,8 Milliarden Euro Umsatz verwandelt. Ein solch erfolgreic­her Milliardär, dessen Lebenswerk nun sein Sohn Stefan fortführt, müsste das Leben einfach nur genießen. Er sollte sich wie zuletzt an seinem Geburtstag am 29. Januar von Herzen freuen, in einer Villa in der Nähe von Zürich mit dem wunderbare­n Blick auf den See zu leben.

Ja, es wäre naheliegen­d, dass er sich entspannt und zufrieden mit dem Erreichten aufs Altenteil zurückzieh­t und öffentlich­es Aufsehen meidet.

Der Unternehme­r ist bekanntlic­h aus steuerlich­en Gründen in die Schweiz gezogen, während sein Milch- und Feinkost-Imperium mit Marken wie „Molkerei Müller“, „Weihenstep­han“, „Landliebe“, „Homann“und „Nadler“weiter gedeiht. So ein Mann, der vieles erreicht hat, müsste aus der Ferne wohlwollen­d auf das Zentrum seines Imperiums in Aretsried westlich von Augsburg blicken. Dann hat es ihn aber gereizt, dem PresseOrga­n, das er jeden Tag liest, nämlich der Neuen Zürcher Zeitung, ausführlic­h Rede und Antwort zu stehen, obgleich der Bayer sonst öffentlich­keitsscheu ist. Nachdem ihn Fotografen im französisc­hen Cannes mit Strohhut bei einer Runde mit AfD-Co-Chefin Alice Weidel, die ebenfalls zum Strohhut griff, ertappt haben, könnte Erklärungs­bedarf seinerseit­s entstanden sein. In dem Gespräch lässt er tiefe Einblicke in seine politische­n Ansichten und sein Privatlebe­n zu.

Auch die Ingenieuri­n und Unternehme­rin Beate Ebert, seine zweite Ehefrau, nimmt an dem Interview teil. Ehe das Gespräch auf das Treffen mit Alice Weidel in Cannes kommt, verrät Theo Müller Details über sein Privatlebe­n. Er spricht etwa begeistert über die Abnehmspri­tze von Novo Nordisk. Das Beispiel der erfolgreic­hen Firma, „die etwas bietet, das die Leute wollen“, ist für ihn nicht nur ein Beispiel dafür, „wie Marktwirts­chaft funktionie­rt“, er hat das Produkt auch selbst getestet: „Ich habe fünf Kilo verloren.“Theo Müller weicht Fragen nicht aus, die manch anderer Unternehme­r niemals in einem Gespräch beantworte­n würde.

Der Mann aus Bayerisch-Schwaben sagt frei heraus, was Schweizer Freunde betrifft, etwas „mager“aufgestell­t zu sein. Das liege nicht

an den Eidgenosse­n, gibt er selbstkrit­isch zu Protokoll.

Dafür pflegt Theo Müller umso regeren Umgang mit der AfD-CoChefin Alice Weidel, die er schon vier Jahre kenne: „Sie wohnt in der Nähe und kommt öfters zu Besuch.“Schließlic­h räumt er ein: „Ja, Alice Weidel ist eine Freundin.“Damit bestätigen sich nach dem Treffen der beiden in Frankreich Gerüchte, der Molkerei-Mann und die AfDFront-Frau könnten häufiger miteinande­r über Politik und Wirtschaft plaudern.

Wie nah steht Theo Müller nun der am rechten Rand stehenden Partei, wo er doch nach eigener Aussage seit 30 Jahren der CSU angehört und Markus Söder rät, „in Bayern zu bleiben und dort für gute Politik zu sorgen“? Zwar versichert der Milch-Mogul, kein AfD-Mitglied

zu sein, auch keines werden zu wollen und der Partei nicht spendend unter die Arme zu greifen.

Der Mann der Wirtschaft räumt indes ein, sich „gerne“mit Alice Weidel zu unterhalte­n, gerade über ökonomisch­e Dinge: „Das ist ja mein Thema: Wie wird ein Volk reich?“Wie die AfD-Chefin hadert Theo Müller mit der deutschen Politik. Seine Diagnose aus der steuerlich vorteilhaf­ten Schweizer Distanz fällt hart aus: „Wenn ich böse sein will, sage ich: Deutschlan­d ist das Land von Karl Marx und Friedrich Engels.“Sozialismu­s und Ökologismu­s hätten den Staat in Beschlag genommen.

Es wird deutlich, wie intensiv sich der vor allem als Buttermilc­h-, Milchreis- und Joghurt-Experte bekannte Unternehme­r mit politische­n und wirtschaft­lichen Zusammenhä­ngen

beschäftig­t. Theo Müller scheint das „Fast-Paradies Schweiz“nicht gänzlich auszufülle­n und folglich doziert er über seine deutsche Heimat, an der er nach wie vor stark hängt: „Das Drama fing mit Angela Merkel an.“

Der einstigen CDU-Kanzlerin verübelt der Unternehme­r im politische­n Unruhestan­d, die Energiewen­de und damit den Ausstieg aus der Kernkraft durchgeset­zt zu haben. Noch heute wirft er ihr vor: „Frau Merkel hat die Kontrolle über die Zuwanderun­g verloren.“Es schält sich heraus, welche Anknüpfung­spunkte Theo Müller mit seiner „Freundin“Alice Weidel immer wieder findet. Denn für ihn schaut der deutsche Staat zu, wie millionenf­ach das Recht gebrochen werde, schließlic­h habe laut dem Grundgeset­z niemand einen Anspruch auf Asyl, der aus einem EUStaat oder einem anderen sicheren Drittstaat einreise.

Der Milliardär empört sich: „Trotzdem kommen Migranten ins Land, rufen ,Asyl‘ und dürfen bleiben.“Dabei versucht er, nicht allzu hartleibig zu wirken: „Das Gutmensche­ntum steckt in uns allen, auch in mir.“Grenzt sich der Unternehme­r doch von der AfD ab, bekommt sozusagen die humanistis­che Kurve? Theo Müller bleibt seiner Argumentat­ion am Ende treu und betont wie ein Politiker: „Die Deutschen sind ein Volk von 84 Millionen, sie können die Not der Welt nicht allein beenden.“

Wer den Ausführung­en des Molkerei-Spezialist­en folgt, könnte auf die Idee kommen, dass ein Spätberufe­ner seinen Einstieg in die Politik vorbereite­t. Schließlic­h ist der Personalbe­darf einiger Parteien immens. Theo Müller gibt sich realistisc­h: „Ich hätte keine Chance.“Hier schaltet sich seine Frau ein und meint zu einer möglichen PolitKarri­ere ihres Mannes: „Nein, das wäre keine gute Idee.“Immerhin bleibt ihm der Austausch mit Alice Weidel. Auch ihr wird er sicher sagen: „Natürlich gibt es in der AfD Einzelne, die dummes Zeug reden, rechtsextr­emistische Parolen verbreiten und zum Beispiel Deutsche, die woanders geboren wurden, abschieben wollen.“So etwas geht für Theo Müller „nicht“. Seine Begründung ist aufschluss­reich: „Ich bin selbst Immigrant.“

Theo Müller greift der AfD nicht finanziell unter die Arme.

 ?? Foto: Robert Müller, Imago (Archivbild) ?? Theo Müller ist einer der erfolgreic­hsten deutschen Unternehme­r.
Foto: Robert Müller, Imago (Archivbild) Theo Müller ist einer der erfolgreic­hsten deutschen Unternehme­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany