Mittelschwaebische Nachrichten
Bessere Intensiv-Versorgung in Krankenhäusern mit KI
Digitaler Entscheidungsassistent übernimmt die Steuerung von Kapazitäten auf Intensivstationen.
Zum Beispiel Herr M.: 69 Jahre, übergewichtig, mit Diabetes und Bluthochdruck. Er soll ein neues Hüftgelenk bekommen. Ein großer Eingriff, der durchaus einen Aufenthalt auf der Intensivstation nach sich ziehen kann. Bei der chirurgischen Vorbesprechung einige Wochen vor der OP wird das zunächst nicht geplant. Als der Anästhesist den Patienten am Tag vor dem Eingriff kennenlernt, ordnet er jedoch die IntensivVersorgung nach dem geplanten Eingriff an. Die Intensivstation im Krankenhaus ist zu dem Zeitpunkt voll belegt. Die Hüft-OP wird verschoben.
Wäre früher erkannt worden, dass Herr M. wahrscheinlich Intensivpflege braucht, hätte sein OP-Termin nicht kurzfristig umgeplant werden müssen. Am Lehrstuhl für Health Care Operations / Health Information Management forscht Maximilian Dieing unter Leitung von Prof. Dr. Jens O. Brunner an digitalen Assistenten, die mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) die Steuerung von Intensivkapazitäten verbessern. „Diese KI-basierten Algorithmen helfen beispielsweise, die Verweildauer von Intensivpatientinnen und -patienten besser vorherzusagen. Das wiederum unterstützt die Verantwortlichen, die beschränkten intensivmedizinischen Kapazitäten optimal zur Versorgung
aller Schwerstkranken einzusetzen“, erklärt Brunner.
„KISIK – KI-basierte Prognoseund Optimierungsverfahren in Assistenzsystemen zur effektiven und effizienten Steuerung der Intensivkapazität in deutschen Krankenhäusern“heißt das Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund einer Million Euro gefördert wird. Hier arbeiten drei
Partner aus Bayern zusammen: die Universität Augsburg (Prof. Dr. Jens O. Brunner), das Universitätsklinikum Augsburg (Prof. Dr. Axel R. Heller, Prof. Dr. Christina C. Bartenschlager) und die KIExperten des SoftwareDienstleisters XITASO GmbH (Dr. Thomas Geislinger, Dr. Jan-Philipp Steghöfer). Aus rechtlicher und ethischer Perspektive wird das Projekt durch Prof. Dr. Ulrich Gassner
und Prof. Dr. Kerstin SchlöglFlierl begleitet. Intensivstationen sind neben den Operationsabteilungen die wichtigsten und teuersten Bereiche in einem Krankenhaus. Sie haben einen hohen Ressourcenund Personalbedarf. Aus ökonomischer Sicht ist darum eine hohe Auslastung wichtig, gleichzeitig lassen sich Notfallpatientinnen und -patienten nicht planen. Die Forschenden entwickeln KI-basierte Algorithmen,
die die Steuerung von Intensivkapazitäten unterstützen sollen. Sie sollen neu ankommende und bestehende Patientinnen und Patienten automatisch klassifizieren und kategorisieren, etwa durch die Vorhersage von Intensivpflicht und Verweildauer. Je nach Belegung der Station und je nach Typ der angekündigten Patientinnen und Patienten gibt das System eine Entscheidungsempfehlung. „Damit kann die Anzahl der
kurzfristig verschobenen Operationen deutlich verringert werden“, erklärt Maximilian Dieing. Er sieht ein hohes Potenzial für ökonomische Einsparungen und verbesserte medizinische Versorgungsabläufe: Die Zahl kurzfristig verschobener Operationen könnte um 25 Prozent sinken und die Anzahl an notwendigen Gesprächen, um neu zu planen, um 20 Prozent. „Die Auslastung der Intensivstation kann durch diese Optimierungen
um zwei bis fünf Prozent steigen.“
Ein intuitiv bedienbarer digitaler Assistent soll entstehen. Dazu analysieren die Forschenden umfangreiche Daten wie Bewegungsdaten von Erkrankten. Auf Basis dieser Auswertungen programmieren sie dann verschiedene KI-basierte Algorithmen, die die Steuerung von Intensivkapazitäten unterstützen. Anschließend werden sie evaluiert und verglichen, bevor eine Testversion entsteht.
Diese prüfen die Forschenden auf Anwendbarkeit, Akzeptanz und Wirksamkeit im komplexen Krankenhausbetrieb. Das Tool muss beispielsweise mit bestehenden Krankenhausinformationssystemen und Programmen für das Patientendatenmanagement kompatibel sein und sie ergänzen können. „Im Vordergrund stehen für uns Benutzerfreundlichkeit und eine intuitive Nutzung“, sagt Dieing. Besonders ist der agile Entwicklungsprozess, bei dem Anwendung, Forschung und Softwareentwicklung die Software gemeinsam weiterentwickeln.
KISIK läuft noch bis Sommer 2025. Maximilian Dieing sieht Potenzial auch über den Einsatz in Intensivstationen hinaus: „Wir können uns auch sehr gut vorstellen, diese Ansätze auf andere Bereiche des Gesundheitssystems, zum Beispiel auf die ambulante Versorgung, zu übertragen.“