Mittelschwaebische Nachrichten
400 Menschen setzen Zeichen gegen Hass
Auf dem Marktplatz in Krumbach versammelten sich am Sonntag 400 Menschen, um ein Zeichen gegen Hass und Hetze zu setzen. Auch Landrat Reichhardt hält eine Rede.
Auf dem Krumbacher Marktplatz wehen am Sonntagnachmittag vereinzelt Regenbogenfahnen, einige Demonstrierende bringen Plakate mit. „Menschenrechte statt rechter Menschen“oder „Lieber solidarisch als solide arisch“steht auf Schildern. Bei der Kundgebung wollen die Teilnehmenden unter dem Motto Herz statt Hetze ein Zeichen für Demokratie und gegen rechts setzen. Jung und Alt sind vertreten, für manche ist es die erste Demo überhaupt.
Jana Schlosser lockt mit ihrem Plakat bei den Menschen um sie herum ein Schmunzeln hervor: „Braun sind bei uns nur die vollen Windeln“, gibt die junge Mutter kund. Die 32-Jährige sieht sich in der Verantwortung, für eine offene Gesellschaft einzusetzen. Sie wünscht sich, dass sich der Rassismus legt und Platz für mehr Toleranz, allen Religionen und jeder Herkunft gegenüber, schafft.
Aus diesem Grund beteiligen sich auch die Pfadfinderinnen von St. Georg an der Demo: „Wir wollen Präsens gegen rechts zeigen“, erklärt eine. Am Rand des Marktplatzes lässt sich ihr kleiner Stand vorfinden. Kurz vor Beginn der Demonstration hängen die Mädchen eifrig bunte Fahnen auf. Bunte Farben verteilen sich über einen Tisch. Emely Walsch erklärt, was sie und ihre Mitstreiterinnen mit dem auf dem Boden liegenden Banner vorhaben: „Das können die Kinder bemalen.“
Die Demo wurde vom Krumbacher „Bündnis für Demokratie und ZusammenHalt“organisiert. Gegründet Anfang dieses Jahres besinnt sich die Initiative auf zwei grundlegende Ziele: Das Leben eines demokratischen, auf Gesprächen basierenden Miteinanders und das Bilden eines Netzwerkes aus Partnern, um sich antidemokratischem sowie extremistischem Verhalten und Handeln in den Weg zu stellen. Laut Bündnissprecherin Leinweber sollen dabei alle Mitglieder der Gesellschaft mitgenommen werden. Dem Bündnis sei es von Beginn an wichtig, die Demonstration explizit nicht parteipolitisch zu gestalten. Reden sollen nicht nur Personen mit einem politischen Amt, sondern auch „normale“Bürgerinnen und Bürger.
So schreitet am Sonntag auch ein junges Mädchen mit langen braunen Haaren auf die Bühne. „Ich bin Johanna, 18 Jahre alt und stehe hier für die Demokratie und gegen Hass und Hetze“, verkündet die Schülerin des Simpert-Kraemer-Gymnasiums in Krumbach zunächst zaghaft. Der laute Applaus, der ihr entgegenschallt, bekräftigt die junge Sprecherin. Johanna liegt eine Botschaft am Herzen: „Wen und wie wir wählen, bestimmt die Zukunft unserer Kinder.“Johanna geht von der Bühne, kurz darauf erklingen melancholische Melodien der Band Mesinke. Die sechs Musikerinnen und Musiker aus Krumbach spielen seit 33 Jahren jüdische Musik. Für die Band ist es ein besonderes Anliegen, sich an der Demonstration gegen Hass und Hetze zu beteiligen: „Wir möchten an die steigende Zahl der antisemitischen Übergriffe in Deutschland erinnern und unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gedenken, die sich mittlerweile nicht mehr mit Kippa außer Haus trauen.“
An die Menschen, die unter der rechten Hetze leiden, erinnert auch der Günzburger Landrat Hans Reichhart: „Wir haben in unserem Landkreis viele Menschen, die ihre
Belange nicht artikulieren können. Es ist mir ganz wichtig, für diese Menschen einzustehen.“In seiner Rede bedankt er sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Erscheinen. Er sei sich sicher, dass der Landkreis Günzburg eine Region darstelle, die ihr Herz am richtigen Fleck hat. Dennoch äußert Reichhart einen Appell an die Anwesenden: „Es kommt auf jeden Einzelnen von uns an, andere davon zu überzeugen, dass Hetze hier keinen Platz hat.“
Etwas abseits von der Demo steht ein Kastenwagen der Polizei, die Beamten machen einen entspannten Eindruck. „Wir hatten keine Befürchtungen. Auch nicht vor einer Gegendemo, dass sich jemand gegen Hass und Hetze stellt“, berichtet eine Polizistin. Sie schätzt, dass sich auf dem Marktplatz etwa 400 Menschen versammelt hatten. Angemeldet sei die Veranstaltung mit 300 Personen. Mitorganisatorin Michaela Leinweber freut sie sich, dass so viele teilnahmen.
Dennoch hört man von vielen Demonstrierenden, dass es gerne noch mehr Menschen auf dem Krumbacher Marktplatz hätten sein könnten. Diesen Wunsch äußert auch Marion Dinger aus Nattenhausen. Für sie selbst sei es das erste Mal auf einer Demonstration. Der Aufruf des Bündnisses habe sie angesprochen: „Miteinander Reden. Das fragen sich derzeit viele, ob das überhaupt noch geht.“An die aufkommende gesellschaftliche Spaltung mahnt auch der ehemalige Leiter der Fachakademie für Sozialpädagogik in Krumbach, Heinrich Lindenmayr. Er warnt vor der Beliebtheit der AfD, einer Partei, die „einfache Antworten auf komplexe Fragen gibt. Zu einfache Antworten.“
Seine Rede schließt Lindenmayr mit einer Erinnerung an die Worte Erich Kästners ab: „1928 hätte man noch Deutschland davor bewahren können, was passiert ist. Deshalb fangen wir genau jetzt damit an.“Michael Stelzmüller versucht als letzter Redner, ernste politische Botschaften mit Humor anzureichern: „Ich kann das nicht mehr hören: Wenn man wohin kommt, müsse man sich halt anpassen. Das sagen die gleichen Menschen, die im Urlaub in Südostasien ein Schnitzel bestellen.“Dem PoetrySlammer ist es wichtig, an das zu erinnern, wer wir alle sind: Menschen.