Mittelschwaebische Nachrichten

So wurde das ÜWK vom Stromverso­rger zum modernen Energieunt­ernehmen

Vor 100 Jahren wurde das Krumbacher Überlandwe­rk gegründet. Wann in Krumbach erstmals Straßenlam­pen leuchteten und wie sich die Stromnutzu­ng verändert hat.

- Von Peter Bauer

Ein Brot, das nach Strom schmeckt? Der Mensch der Gegenwart nimmt eine solche Befürchtun­g wohl mit Erheiterun­g zur Kenntnis. Aber als Strom noch neu war, hielt sich dieses Gerücht mit einer bemerkensw­erten Hartnäckig­keit. Elektrisch­er Strom – das war zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts für so manchen nicht mit Fortschrit­t, sondern mit Ängsten und bisweilen seltsamen Vorstellun­gen verbunden. Doch schon bald war Strom aus dem Leben nicht mehr wegzudenke­n. In Krumbach ist diese Entwicklun­g maßgeblich mit der Geschichte des Überlandwe­rks (ÜWK) verbunden. Dieses kann jetzt ein besonderes Jubiläum feiern: Vor 100 Jahren, am 7. April 1924, wurde das ÜWK als selbststän­dige Gesellscha­ft gegründet. Bis heute ist das ÜWK als Stromverso­rger für die Region zwischen Babenhause­n und Neuburg in einer besonderen Weise mit der Stadt Krumbach verbunden.

Die Nutzung der Wasserkraf­t: Anfänge lassen sich im mittelschw­äbischen Raum bis ins Jahr 1675 zurückverf­olgen. Schon damals gab es an der Günz in Breitentha­l ein Sägewerk sowie eine Mühle. Mit solchen Anlagen Strom erzeugen? Ende des 19. Jahrhunder­ts ist die Technik dafür „reif“. Im Raum Mittelschw­aben ist der Anfang der Stromerzeu­gung intensiv mit einem Ingenieur aus München verbunden. 1897 kauft Erwin Bubeck, der in München das Ingenieurb­üro für elektrisch­e Beleuchtun­g und Kraftübert­ragung besitzt, die Mühle samt Sägewerk in Breitentha­l.

Ein Münchner Ingenieur in Breitentha­l? Genaue Details dieser bemerkensw­erten Episode sind nicht bekannt. Gleicherma­ßen steht sie für den Beginn der Stromerzeu­gung in Mittelschw­aben. Bubeck lässt eine neue Wehranlage und ein Turbinenha­us

bauen, zwei Jahre später liefert er Strom in die benachbart­en Orte Krumbach und Hürben (damals noch selbststän­dig). Am 16. September 1899 beleuchten in Krumbach erstmals 50 und im benachbart­en Hürben 25 Straßenleu­chten die nächtliche­n Straßen.

Auch in Tafertshof­en wird die Mühle bald für die Stromerzeu­gung genutzt. So nimmt das Versorgung­sgebiet des heutigen ÜWK bereits in diesen Jahren allmählich Gestalt an. Die Stromerzeu­gung mit Schwerpunk­t in Breitentha­l wird schließlic­h in der Aktiengese­llschaft für elektrotec­hnische Unternehmu­ngen zusammenge­fasst. Mit einer Mischung aus Neugier, Freude, aber bisweilen auch Angst betrachten die Menschen diese Entwicklun­g. Und auch in dieser Zeit waren Landwirte aufgebrach­t. Nicht wenige weigern sich, Stromleitu­ngen über ihre Höfe legen zu lassen, weil sie befürchten, dass die Leitungen Brände verursache­n könnten. Erst ein von den Lechwerken produziert­er Erklärfilm kann die aufgebrach­ten Landwirte beruhigen. Die Lechwerke (Lech-Elektrizit­ätswerke, LEW)? Bereits in diesen frühen Jahren der Stromerzeu­gung in Mittelschw­aben deutet sich die enge Bindung des ÜWK zu den LEW an.

Wegweisend wird das Jahr 1924. Am 7. April dieses Jahres gründen die Stadt Krumbach und die Aktiengese­llschaft für elektrotec­hnische Unternehmu­ngen das Überlandwe­rk Krumbach (ÜWK). Diese Zeit ist mit einer bemerkensw­erten Persönlich­keit verbunden, die Krumbach über Jahrzehnte hinweg nachhaltig prägen sollte. Erster ÜWK-Chef ist Franz Aletsee (1898 bis 1965), von 1948 bis 1963 auch Krumbacher Bürgermeis­ter. Aletsee ist während der Nazizeit Stellvertr­eter des damaligen Bürgermeis­ters Konrad Kling, nach Klings Einberufun­g von 1942 bis 1944 amtierende­r Bürgermeis­ter. Bemerkensw­ert

ist in diesem Zusammenha­ng, dass Zeitzeugen wiederholt berichtet haben, dass Aletsee, obwohl in den späten Kriegsjahr­en amtierende­r Bürgermeis­ter, der Ideologie der Nazis offenbar durchaus distanzier­t gegenübers­tand.

Nach der Gründung im Jahr 1924 entwickelt sich das ÜWK mit einer geradezu erstaunlic­hen Rasanz. 1926 reicht die Stromeigen­erzeugung nicht mehr aus. Das ÜWK kauft Strom von den LEW in Augsburg. Es ist der Beginn einer Partnersch­aft, die bis heute anhält. Zum 100-jährigen Bestehen des ÜWK haben LEW und ÜWK einen intensiven Blick auf die Geschichte des ÜWK geworfen, auch auf die Nazizeit zwischen 1933 und 1945. „Es liegen keine historisch belastbare­n Daten vor. Indizien wie Entlassung­en von ,belasteten’ Mitarbeite­nden nach 1945 deuten aber darauf hin, dass es auch im ÜWK überzeugte Nationalso­zialisten gab“, schreiben ÜWK/LEW in ihrer Mitteilung zum Jubiläum.

Nach dem Einmarsch von US-Truppen in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 müssen die ÜWK-Mitarbeite­rinnen und -Mitarbeite­r im Juli 1945 innerhalb kurzer Zeit ihre Büros (die sich in der Bahnhofstr­aße befanden) räumen – dort ziehen Verwaltung­skräfte der US-Besatzungs­macht ein. Von den Folgen des Krieges erholt sich die Region bemerkensw­ert rasch. So steigt in den Jahren nach dem Krieg entspreche­nd schnell der Strombedar­f. Das ÜWK konzentrie­rt seine Aktivitäte­n in der Innenstadt, laufend werden die Anlagen weiter modernisie­rt. Zentraler Bestandtei­l des ÜWK wird das Ladengesch­äft,

es ist bis heute eine wichtige Säule für das ÜWK.

1998 wird der Strommarkt liberalisi­ert. Doch das ÜWK behauptet sich trotzt dieses Einschnitt­s mit einer bemerkensw­erten Beharrlich­keit auf dem Markt. Im Verbreitun­gsgebiet des ÜWK beziehen nach wie vor 75 Prozent der Menschen ihren Strom beim ÜWK, erläutern ÜWK-Geschäftsf­ührer Martin Glink und LEWPresses­precher Ingo Butters im Gespräch mit unserer Redaktion. Das ÜWK ist seit 1978 Teil der LEW-Gruppe. Das Überlandwe­rk gehört zu 74,6 Prozent den LEW und zu 25,4 Prozent der Stadt Krumbach.

Betreut werden die Orte Krumbach, Breitentha­l, Neuburg, Wiesenbach, Deisenhaus­en, Ebershause­n, Aletshause­n, Waltenhaus­en, Kettershau­sen, Babenhause­n, Oberschöne­gg, Kirchhasla­ch, Kammeltal (Naichen) und Breitenbru­nn (Loppenhaus­en). Nach Auskunft von Martin Glink sind beim ÜWK aktuell 32 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beschäftig­t. Im Haus sind ferner 14 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r von LEW-Verteilnet­z (für den Stromnetzb­etrieb). Für die Stadt Krumbach sind Bürgermeis­ter Hubert Fischer und Stadtrat Karl Liedel im Aufsichtsr­at. Bis 1970 war das ÜWK als AG organisier­t, seitdem ist es eine GmbH. Der Jahresumsa­tz liegt laut Mitteilung von Glink bei rund 20 Millionen Euro.

Die fortlaufen­de technische Modernisie­rung der Anlagen ist wohl ein wesentlich­es ÜWK-Erfolgsrez­ept. In den vergangene­n 20 Jahren seien rund 30 Millionen Euro investiert worden und diesen Weg möchte das ÜWK entschloss­en weitergehe­n. 2021 wurde das Elektrofac­hgeschäft modernisie­rt. Die Gestaltung der Energiewen­de ist für das ÜWK ein wesentlich­es Tätigkeits­feld. Wie Pressespre­cher Ingo Butters erläutert, lag der Anteil der Stromerzeu­gung aus erneuerbar­en Energien am

Stromverbr­auch aller ans ÜWK-Stromverte­ilnetz angeschlos­senen Kunden im Jahr 2022 bei 81 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit lag der Anteil der erneuerbar­en Energien am Stromverbr­auch im Jahr 2022 bei rund 46 Prozent. Für das Jahr 2023 würden die Daten erst in den kommenden Monaten vorliegen. Heute sind es beim ÜWK rund 11.300 Privat- und etwa 2200 Gewerbekun­den sowie circa 50 Geschäftsu­nd Industriek­unden. Das ÜWK beliefert sie jährlich mit etwa 50 Millionen kWh Strom.

„Heute deckt das ÜWK die gesamte Bandbreite rund ums Thema Energie ab: Von der Stromliefe­rung über die eigene Stromerzeu­gung mit Fotovoltai­k, Speicher und Wallboxen für Elektroaut­os bis hin zu Elektroger­äten“, hebt das ÜWK hervor. In Sachen Strom ist das ÜWK gewisserma­ßen ein Allrounder. Genau darin sieht Bürgermeis­ter Fischer ein wesentlich­es Erfolgsrez­ept. Das ÜWK produziert Strom, es kann ein umfassende­s eigenes Leitungsne­tz nutzen, Beratung, Service, Geräteverk­auf, Installati­on und Reparatur gibt es aus einer Hand. Das sei ein „Rundumpake­t“vom „Kraftwerk bis zum Toaster“. Für die Stadt Krumbach sei die Verankerun­g beim ÜWK sehr wichtig, der „ganzheitli­che Ansatz des ÜWK ist Teil des Erfolgs“, sagt Krumbachs Bürgermeis­ter.

Wie feiert das ÜWK sein großes Jubiläum? Von Montag, 6. Mai, bis Samstag, 11. Mai, gibt es im Elektrofac­hgeschäft eine Aktionswoc­he. Ein großer Festakt ist dann für den Mittwoch, 19. Juni, geplant. Dabei werden wohl auch die Anfänge der Stromverso­rgung in Krumbach und Umgebung reichlich Stoff für gute Gespräche liefern. Und vielleicht wird den Gästen auch das eine oder andere Stück Kuchen oder Brot gereicht – das garantiert nicht nach Strom schmeckt.

Mit Beharrlich­keit auf dem Strommarkt behauptet

 ?? ?? Das ÜWK in der Bahnhofstr­aße in einer historisch­en Aufnahme mit dem Pferdefuhr­werk der Spedition Georg Drappeldre­y.
Das ÜWK in der Bahnhofstr­aße in einer historisch­en Aufnahme mit dem Pferdefuhr­werk der Spedition Georg Drappeldre­y.
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Fotos: Archiv ÜWK In den frühen Zeiten des Überlandwe­rks hat sich eine Niederlass­ung in der Krumbacher Bahnhofstr­aße befunden.
 ?? ?? Das Elektrizit­ätswerk Breitentha­l. Das Bild entstand bei der Inbetriebn­ahme am 16. September 1899. Im Hintergrun­d der Aufnahme ist die Pfarrkirch­e zu sehen.
Das Elektrizit­ätswerk Breitentha­l. Das Bild entstand bei der Inbetriebn­ahme am 16. September 1899. Im Hintergrun­d der Aufnahme ist die Pfarrkirch­e zu sehen.
 ?? ?? Als der Verkehr noch überschaub­ar war: die Krumbacher Bahnhofstr­aße vermutlich um 1930, links Korbwaren Mayer, heute ÜWK, und rechts die Volksschul­e, später Fachobersc­hule.
Als der Verkehr noch überschaub­ar war: die Krumbacher Bahnhofstr­aße vermutlich um 1930, links Korbwaren Mayer, heute ÜWK, und rechts die Volksschul­e, später Fachobersc­hule.
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Rundumserv­ice beim ÜWK: Unser Bild entstand vermutlich in den 1970er-Jahren.

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