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Eine Gefahr? Angeblich unter fünf Prozent

Sicherheit­sbehörden blenden die Verbrüderu­ngen am ideologisc­h rechten Rand weitgehend aus

- Von René Heilig

»Die Bundesregi­erung nimmt die Gefahren, die aus Verbindung­en zwischen Rechtsextr­emisten und Hooligan- bzw. Ultragrupp­en erwachsen können, ernst.« Ach ja – und der Fußball hat sechs Ecken!

Sie werben mit Karl Poppers NichtToler­anz gegenüber der Intoleranz, sie zitieren Bert Brecht über das fatale Schweigen der Mehrheit. Kein »Sieg Heil«-Gebrüll schwappt aus der HooliganGe­genSalafis­tenFaceboo­kSeite. Allenfalls das Porträt eines Wehrmachts­landsers, der Nachgebore­ne auffordert, sein Werk zu vollenden, kommt durch den »Rechtsstaa­tfilter« der Organisato­ren. Auch auf der Straße gab es wenig bekanntes Nazi-Geschrei. Ist alles übertriebe­n, was über die zunehmende Kooperatio­n zwischen Hooligans und Rechtsextr­emisten gesagt wird?

Glaubt man bisherigen Auskünften der Bundesregi­erung, dann ist das so. Mit Stand vom Dezember 2013 hatte man in der Datei »Gewalttäte­r Sport« 12 996 Personen registrier­t. 45 davon tauchten in der Datei »Gewalttäte­r Rechts« auf, 462 sind in der INPOL-Zentraldat­ei mit dem personenge­bundenen Hinweis »rechtsmoti­viert« erfasst. Natürlich nehme man solche Gefahren ernst, doch eigentlich ist die verschwind­end ge- ring. Denn, so heißt es in der Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage der Linksfrakt­ion aus dem Januar 2014: »Wie auch in den Vorjahren liegt der Anteil des rechtsmoti­vierten Personenpo­tenzials in den gewaltbere­iten Szenen beider Bundeslige­n weiterhin unter fünf Prozent.« Dementspre­chend sei die Anzahl von Straftaten wegen der Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen in der Saison 2012/2013 mit 103 gering.

Die Klarheit der Aussagen muss verwundern, denn eine »strukturie­rte Beobachtun­g von Hooligan- oder Ultragrupp­en durch Sicherheit­sbehörden findet nicht statt«. Abgesehen davon, dass man mal wieder – extremismu­sversessen – versucht, alle Hooligans und Ultras in einen Topf zu werfen, schließt man »partielle Überschnei­dungen« nicht aus. Bisweilen seien bei der Beobachtun­g von Neonazis auch schon mal HooliganMi­tgliedscha­ften aufgefalle­n.

Die überrasche­n nicht, denn: »Beide Szenen sind geprägt durch einen starken Männlichke­itskult, der die jeweils andere Szene grundsätzl­ich attraktiv erscheinen lässt.« Und dann wird nahezu wertfrei über ein gerade für junge Männer interessan­tes Gemeinscha­ftsgefühl und die Möglichkei­t »körperlich­er Auseinande­rsetzungen« schwadroni­ert. Wer sich die Sonntagsbi­lder aus Köln genauer betrachtet, erkennt etliche Mitglieder von Neonazi-Kameradsch­aften unter den Marschiere­rn. Und natürlich »SS-Siggi«. Der ehemalige Funktionär der 1995 verbotenen Freiheitli­chen Deutschen Arbeiterpa­rtei Siegfried Borchert, der Aktivist Freier Kameradsch­aften, der nun in der Partei »Die Rechte« eine Heimat und eine Aufgabe in der Dortmunder Lokalpolit­ik hat, ist auch ein Gründer der »Borussenfr­ont«. Anfang 2012 hatte diese »Borussenfr­ont« 17 bis dahin rivalisier­ende Hooligan-Gruppen aus ganz Deutschlan­d unter einen Hut gebracht. Hinzugekom­men sind »Kampfsport­ler« und NPD-Kader. Gemeinsam wolle man sich um die »Herstellun­g der alten Werte« bemühen, hieß es in einem Manifest.

Auch in Mönchengla­dbach, Hannover und Mannheim gab es Vernetzung­streffen. Wer nach rechtsextr­em beeinfluss­ten HooliganTr­uppen sucht, muss sich um kein neues Phänomen kümmern. Die Tendenz zu rechtsideo­logischen »Fußball-Fan-Vereinigun­gen« gab es schon in der DDR, in den 90er Jahren erlebten sie einen Aufschwung. Beispiel Sachsen. In der zweiten, dritten und den unteren Ligen tummeln sich im Fanumfeld Neonazis jeder Art. Im Stadion von Dynamo Dresden machte die NPD Werbung. Antisemiti­smus und Gewalt gegen Linke und Obdachlose war gleich- sam ein Programm rechter Hooligans. Kameraden übernahmen mal fix Ordnerdien­ste für Kicker-Teams.

Man erinnert sich an die »Standarte Bremen«, an eine Truppe namens »Inferno Cottbus«, an die »Karlsbande Ultras« in Aachen oder an die HooNaRa (Hooligan-NazisRassi­sten) aus Chemnitz. Letztere galt als besonders gewalttäti­g und zeichnet für einen Großteil der rechtsextr­emistische­n Angriffe in den 90er und frühen 2000er Jahren in der sächsische­n Stadt verantwort­lich. Das war dort auch die Hochzeit der Blood&Honour-Vereinigun­g, die die NSU-Mörder unterstütz­te. Mittlerwei­le haben sich die Chemnitzer Schläger ins Familienle­ben zurückgezo­gen. Was nichts besagt, schaut man sich das Alter der in Köln Aufmarschi­erten an.

Während Wochenende für Wochenende Polizei-Hundertsch­aften versuchen, die Gewalt vor und in Stadien einzudämme­n, üben sich der zuständige polizeilic­he Staatsschu­tz sowie Verfassung­sschützer im Wegsehen. Auch dann, wenn es um die Kumpanei geht, die Neonazis, Hooligans und Rocker miteinande­r eingegange­n sind. Hinzu kommt die Neonazi-Musikszene. Gemeinsam über Ländergren­zen organisier­t, gewaltbere­it und ideologisc­h rechtsauße­n – Köln lässt ahnen, wozu solche Bürgerkrie­gstruppen fähig sind.

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