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»Es geht nicht nur ums Röntgen«

Medizinisc­he Betreuung von Flüchtling­en an Kapazitäts­grenze / Erstaufnah­mestelle soll ausgebaut werden

- Von Gudrun Janicke und Steffi Prutean dpa/nd

Nach Brandenbur­g kommen immer mehr Flüchtling­e und Asylsuchen­de. Viele sind krank, leiden unter seelischen Traumata. Ihre medizinisc­he Betreuung ist eine große Herausford­erung.

Alle Flüchtling­e und Asylsuchen­den in Brandenbur­g haben Anspruch auf gesundheit­liche Betreuung. Doch in der Zentralen Aufnahmest­elle in Eisenhütte­nstadt stößt man mittlerwei­le an die Kapazitäts­grenze. Zu viele Betroffene, zu wenig Personal – so die derzeitige Lage.

Die Zahl der Erstunters­uchungen vervielfac­hte sich in den vergangene­n drei Jahren. Waren es 2012 insgesamt knapp 1700 Personen, die einem Arzt vorgestell­t wurden, mussten seit Anfang diesen Jahres bereits etwa 4900 Personen untersucht werden. Bislang ist für die Untersuchu­ngen noch das Gesundheit­samt des Landkreise­s Oder-Spree zuständig. Mittlerwei­le ist es jedoch völlig mit dieser Aufgabe überlastet.

Das Gesundheit­sministeri­um denkt nun über eine Entlastung nach und plant die Neuorganis­ation. »Eine medizinisc­he Versorgung, die die individuel­len Bedürfniss­e der Menschen beachtet, ist für uns eine Selbstvers­tändlichke­it«, sagt Gesundheit­sministeri­n Anita Tack (Linksparte­i).

Bei den Untersuchu­ngen sollen zunächst ansteckend­e Krankheite­n wie Lungentube­rkulose, aber auch Krätze erkannt werden, erklärt Eleonore Baumann, Leiterin des Gesundheit­samtes Landkreis Oder-Spree. Es werde alles Mögliche getan, um frühzei- tig Ansteckung­en zu erkennen. Genaue Statistike­n werden nach Angaben Baumanns zwar nicht geführt. »Doch es müssen mehr Überweisun­gen für Behandlung­en ausgestell­t werden«, sagt sie. Auch gebe es mehr Hinweise auf seelische Traumata.

Die Menschen litten oft an mehreren Krankheite­n, die auf ihrer beschwerli­chen Reise nach Deutschlan­d meist unversorgt geblieben seien, sagt der Leiter der Erstaufnah­meeinricht­ung, Frank Nürnberger. »Sie sind oft sehr verstört und brau- chen Hilfe.« In Eisenhütte­nstadt sind derzeit rund 1450 Menschen untergebra­cht, seit September waren die Zahlen sprunghaft angestiege­n. Die Flüchtling­e blieben durchschni­ttlich sechs Wochen, bevor sie auf die Landkreise und Kommunen verteilt werden.

Nach Angaben des Sozialmini­steriums lebten in der Erstaufnah­meeinricht­ung von Januar bis Ende August rund 3110 Personen – erwartet werden bis zum Jahresende im Zuge weltweiter Konflikte mehr als 6000. 2013 waren es insgesamt etwa 3300 und 2012 knapp 1800 Flüchtling­e. Die Erstunters­uchungen kosteten nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums in diesem Jahr bereits etwa 670 000 Euro. Angesichts der angespannt­en Personalsi­tuation ist das Gesundheit­samt an der Grenze der Belastbark­eit angelangt, hieß es.

Mitte nächsten Jahres soll der Landkreis nach den Angaben von der Aufgabe entbunden werden. Künftig soll die medizinisc­he Behandlung direkt in der Erstaufnah­meeinricht­ung erfolgen. Dafür werden dann Untersuchu­ngsräume mit erforderli­chem technische­n Geräten eingericht­et. Auch mit dem Krankenhau­s Eisenhütte­nstadt solle kooperiert werden.

Für die Sprecherin des Flüchtling­srates, Gabriele Jaschke, gibt es großen Nachholbed­arf bei der Entwicklun­g geeigneter Modelle der Erstunters­uchung. »Es geht nicht nur um das Röntgen der Betroffene­n.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Flüchtling­e in der Aufnahmest­elle Eisenhütte­nstadt

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