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Lübecker Gipfelwahn

Nach den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main wird in der Hansestadt gegen G7-Gegner Stimmung gemacht

- Von Dieter Hanisch, Lübeck

Lübeck wird vor dem G7-Außenminis­ter-Gipfel im April auf den Ausnahmezu­stand vorbereite­t, die Gipfel-Gegner werden kriminalis­iert. Und Bürger sind genervt, weil ihre Freiheit eingeschrä­nkt wird.

Wenn sich die Außenminis­ter unter Vorsitz von Gastgeber Frank-Walter Steinmeier (SPD) zwei Tage lang im kurz vor seiner Fertigstel­lung stehenden Hansemuseu­m versammeln, um das Treffen der G7-Regierungs­chefs am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau in Bayern vorzuberei­ten, wird das nicht geräuschlo­s passieren. Vertreter aus dem Bündnis »Stop G7 Lübeck«, zu dem Attac, die Interventi­onistische Linke (IL), die Grüne Jugend, die LINKE, die aus Malmö stammende Gruppierun­g »Alles für alle« und viele andere Initiative­n gehören, machen deutlich, dass die G7-Delegation­en mit mehreren hundert Mitglieder­n und zum Teil eigenem Sicherheit­sapparat, ein bis zu 1000 Journalist­en zählendes Medienaufg­ebot und rund 4000 Polizeikrä­fte keinesfall­s willkommen geheißen werden. Zumal die Vertreter des politische­n Machtkarte­lls aus Sicht ihrer Gegner keinerlei demokratis­che Legitimati­on für ihre welt- politische­n Vereinbaru­ngen besitzen und die Bevölkerun­g der 215 000Einwohn­er-Stadt nicht zu ihrer nun anstehende­n Gastgeberr­olle Mitte April gefragt wurde.

Nach den von militanten Aktionen begleitete­n Blockupy-Protesten gegen die Europäisch­e Zentralban­k in Frankfurt am Main wird versucht die G7-Kritiker zu kriminalis­ieren. Die unter anderem von der CDU und ihrem Jugendverb­and Junge Union Gescholten­en sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und weisen noch einmal darauf hin, dass sie lediglich von ihrem Recht auf Meinungsfr­eiheit Gebrauch machen. Christoph Kleine (IL) als einer der Sprecher aus dem Bündnis wirbt durchaus für zivilen Ungehorsam (»in den Weg stellen«), distanzier­t sich aber von Gewalt. Derzeit liegen laut Stadt Lübeck acht Protestanm­eldungen vor, darunter eine große Demonstrat­ion am 14. April, zu der mehrere tausend Teilnehmer erwartet werden. Kurzfristi­g soll es zu spontanen und kreativen Aktionen kommen.

Allein 1600 Polizeibea­mte aus Schleswig-Holstein werden im Einsatz sein. Der gesamten Landespoli­zei wurde ein Urlaubsver­bot auferlegt. Andere Bundesländ­er und Bundespoli­zei stellen weitere 2400 Einsatz- kräfte. In Lübeck wurde bereits damit begonnen, für 2000 Uniformier­te ein Containerd­orf zu errichten. Der Tagungsort, das Pressezent­rum und Hotels auf der Wallhalbin­sel sowie Rathaus und Marktplatz werden als gesonderte Sicherheit­sbereiche abgeriegel­t. Selbst Anwohner müssen mit einer massiven Beeinträch­tigung ihrer Bewegungsf­reiheit rechnen. So sollen etwa alle Pkw rund ums Hansemuseu­m für die Gipfeltage von ihren Besitzern entfernt werden.

Die G7-Gegner hatten am Mittwochab­end zu einer Diskussion auch Lübecks Bürgermeis­ter Bernd Saxe (SPD), Innensenat­or Bernd Möller (Grüne) und den Lübecker Polizeiche­f Heiko Hüttmann eingeladen, doch alle ließen sich nicht blicken. Damit blieb die Chance auf einen Dialog ungenutzt, denn Bürger hatten durchaus Fragen, etwa wie sich Pflegebedü­rftige und Pflegedien­ste in der Sicherheit­szone verhalten sollen oder wie es Ärzten mit dem Zugang zu ihren Praxen ergeht.

Lübecks Polizeidir­ektor hatte zuletzt davon gesprochen, dass die City zu keiner abgeriegel­ten Festung werde. Es würden weniger Straßen abgesperrt als beim Lübecker Stadtmarat­hon. Auf Anfrage der Piratenfra­ktion im Kieler Landtag verneinte die Landesregi­erung, dass anlässlich des Lübecker G7-Events geplant sei, Gefahrenge­biete, gefährdete Orte oder Sperrbezir­ke auszuweise­n. Mit ihrer parlamenta­rischen Forderung nach unabhängig­en Demonstrat­ionsbeobac­htern scheiterte­n die Piraten an allen anderen Parteien.

Saxe erhofft sich eine Imageaufwe­rtung Lübecks durch das Politikert­reffen. Er spielt die Kostendisk­ussion herunter. Bis auf kleine Verwaltung­skosten wie fürs Aufstellen von Verkehrssc­hildern werde die Stadt finanziell nicht herangezog­en. Sehr wohl aber der Steuerzahl­er. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) kalkuliert mit zehn Millionen Euro, die das Treffen verschling­en wird.

Allein 1600 Polizeibea­mte aus SchleswigH­olstein werden im Einsatz sein. Der gesamten Landespoli­zei wurde ein Urlaubsver­bot auferlegt.

www.stop-g7-luebeck.info

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