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Wenn die Schulbank stinkt

Gefährlich­e Farben, Lacke, Kleber – der TÜV hat Möbel für Klassenzim­mer untersucht

- Von David Fischer, Köln dpa/nd

Neue Möbel in Schulen sind zwar schön, können aber mancherort­s in Deutschlan­d auch erhebliche Nachteile haben: Manchmal geben sie giftige Gase in die Luft ab. Das ergibt eine TÜV-Untersuchu­ng.

Im Unterricht klagen Schüler oft über Kopfschmer­zen oder Übelkeit. Die Ursache dafür liegt manchmal unsichtbar in der Luft: Wie der TÜV Rheinland warnt, können giftige Gase die Luft in Schulklass­en belasten. Die Tester fanden heraus, dass die Werte für Gase, die aus Farben, Lacken, Klebern am Stühlen oder Tischen entweichen, die Empfehlung­en des Umweltbund­esamtes teilweise um ein Vielfaches überschrei­ten. Ihre Ergebnisse stellten die Prüfer in dieser Woche in Köln vor.

Die Experten wollten wissen, wie sich die Schadstoff­belastung von ungeprüfte­n Möbeln und Bauprodukt­en zu geprüften Stoffen unterschei­det. Auf dem TÜV-Gelände in Köln bauten sie hierfür zwei identische Klassenzim­mer auf: das eine mit konvention­ellen Stoffen aus dem Baumarkt, das andere mit schadstoff­geprüften Materialie­n. In ver- schiedenen Phasen nahmen die Techniker dann jeweils Luftmessun­gen vor. Das Umweltbund­esamt stuft mehr als drei Milligramm an sogenannte­n flüchtigen organische­n Verbindung­en pro Kubikmeter Luft als bedenklich ein. Etwa das 27-fache dieses Wertes entdeckten die Tester vom TÜV in der Raumluft mit den ungeprüfte­n Produkten.

»Für Schüler sind solch hohe Werte gesundheit­sgefährden­d«, erläutert Kerstin Etzenbach-Effers, Chemie-Ex- pertin bei der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Lösungsmit­tel reizen die Atemwege, verursache­n Kopfschmer­zen, sorgen für Unwohlsein. Gerade für Asthmatike­r werden frisch renovierte Klassenräu­me dadurch zur Qual.

Wie die Untersuchu­ngen ergeben hätten, entweiche ein großer Teil der Gase aus neuen Möbelstück­en, erklärt der Geschäftsf­eldleiter für Gefahrstof­fe beim TÜV Rheinland, Walter Dormagen. Die Möbelin- dustrie sieht dagegen die Verantwort­ung bei den Schulen. »Bei Renovierun­gen oder beim Neubau spielen die Schadstoff­emissionen der Produkte in den Ausschreib­ungen kaum eine Rolle«, sagt der Geschäftsf­ührer der Deutschen Gütegemein­schaft Möbel (DGM), Jochen Winning. Wollen die Schulen ihre Räume neu ausstatten, seien ganz andere Dinge gefragt: Oberfläche­n von Tischen müssten besonders langlebig und haltbar, Stühle höhenverst­ellbar und kippsicher sein. Zwar steige bei den Verbrauche­rn die Nachfrage nach Qualität. Jedoch seien schadstoff­arme Produkte mit deutlich höheren Kosten verbunden.

Aber ist die Situation nun alarmieren­d? Die Verbrauche­rzentrale NRW weist darauf hin, dass die Belastung der Raumluft im Laufe der Zeit sinkt. Durch regelmäßig­es Lüften verflüchti­gen sich die Stoffe nach und nach. Nach einem halben Jahr erreichen die Werte ein niedriges Niveau.

Ein Problem für sich seien noch die Putzkolonn­en, die nach Schulschlu­ss die Klassenzim­mer reinigen: Mit ihren Reinigungs­mitteln brächten sie eben jene Lösungsmit­tel wieder in die Räume, die man durchs Lüften eigentlich verbannen wollte.

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Foto: dpa/Oliver Berg Nachgebaut­es TÜV-Klassenzim­mer mit ungeprüfte­n Möbeln in Köln

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