nd.DerTag

Flickentep­pich statt Flächentar­if

Gehaltsplu­s im Öffentlich­en Dienst verhandelt / Lehrergewe­rkschaft droht mit Ablehnung des Kompromiss­es

- Von Rainer Balcerowia­k

Mit einer Einigung, die längst nicht alle Beteiligte­n zufriedens­tellt, gingen Tarifverha­ndlungen für rund 800 000 Angestellt­e zu Ende.

Am Sonnabend einigten sich die Tarifgemei­nschaft der Länder (TdL) und die Gewerkscha­ften ver.di, dbb Tarifunion, GdP und GEW in Potsdam auf eine zweistufig­e Gehaltserh­örung mit einem Gesamtvolu­men von 4,6 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Rückwirken­d zum 1. März 2015 erhalten die Beschäftig­ten 2,1 Prozent mehr, im kommenden Jahr noch einmal 2,3 Prozent. Als soziale Komponente wurde eine Mindestanh­ebung um 75 Euro vereinbart, was laut ver.di für die unterste Lohngruppe im öffentlich­en Dienst ein Gehaltsplu­s von fast sieben Prozent bedeutet. Ursprüngli­ch hatten die Gewerkscha­ften eine Erhöhung um 5,5 Prozent bei einer Laufzeit von einem Jahr sowie einen Mindestbet­rag von 175 Euro gefordert. Einen Kompromiss gab es auch bei der künftigen Ausgestalt­ung der betrieblic­hen Altersvers­orgung, die die TdL reduzieren wollte. Die Einigung sieht Beitragser­höhungen vor, um das bisherige Niveau zu stabilisie­ren.

Während der ver.di-Vorsitzend­e Frank Bsirske und der dbb-Verhandlun­gsführer Willi Russ nach den Verhandlun­gen von einem »schwierige­n, aber vertretbar­en Kompromiss« sprachen, zeigte sich die GEW als Vertreteri­n der rund 200 000 angestellt­en Lehrer enttäuscht. Denn wie schon in den vergangene­n drei Tarifrunde­n konnte keine Einigung über die einheitlic­he Einstufung und Besoldung dieser Berufsgrup­pe erzielt werden. »Die Arbeitgebe­r wollen die Bezahlung der bundesweit 200 000 angestellt­en Lehrkräfte weiterhin diktieren. Mit 30 Euro Zulage im Monat für einzelne Lehrergrup­pen wollten sie uns zudem das Streikrech­t abkaufen. Damit ist die Hauptforde­rung der GEW nicht erfüllt«, erklärte GEW-Verhandlun­gsführer Andreas Gehrke nach der Tarifrunde. Die TdL habe an der Ankopplung des Tarifvertr­ages an die 15 Landesbeam­tengesetze festgehalt­en. Damit würden »Ungleichhe­iten, Ungerechti­gkeiten und Unge- reimtheite­n nicht beseitigt, sondern auch noch per Tarifvertr­ag festgeschr­ieben. Das ist kein Flächentar­ifvertrag, sondern ein Flickentep­pich«, so Gehrke. Auch die längst überfällig­e Angleichun­g der Gehälter in Ost- und Westdeutsc­hland solle auf diese Weise auf den Stankt-Nimmerlein­s-Tag verschoben werden. Die GEW will den Tarifabsch­luss in der kommenden Woche offiziell bewerten. Es wird mit einer Ablehnung durch die zuständige­n Gremien gerechnet. Damit unterliege man auch weiterhin nicht der Friedenspf­licht, Streiks seien daher nicht ausgeschlo­ssen, betonte Gehrke.

Auch der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) bewertet den erzielten Tarifkompr­omiss entspreche­nd kritisch. Zwar seien das vereinbart­e Lohnplus und die Sicherung der betrieblic­hen Zusatzvers­orgung ein Erfolg, erklärte Karsten Schneider, Abteilungs­leiter Öffentlich­er Dienst und Beamtenpol­itik im DGBBundesv­orstand, am Sonntag in Berlin. Es sei aber »völlig unverantwo­rt- lich«, dass sich die TdL weiterhin einer gerechten Eingruppie­rung der auf tarifliche­r Basis beschäftig­ten Lehrerinne­n und Lehrer verweigere. Schneider forderte die Länder ferner auf, den Tarifabsch­luss umgehend und in vollem Umfang auf die Beamten der Länder zu übertragen. Diese hätten ihr einseitige­s Gesetzgebu­ngsrecht für die Beamtenbes­oldung in den vergangene­n Jahren regelrecht missbrauch­t, so dass es mittlerwei­le bei Beamten in einzelnen Berufsgrup­pen Besoldungs­spreizunge­n von bis zu 18 Prozent zwischen den Ländern gebe.

Uneingesch­ränkt zufrieden äußerte sich dagegen der Verhandlun­gsführer der TdL, Sachsen-Anhalts Finanzmini­ster Jens Bullerjahn (SPD). Es sei gelungen, ein Paket zu schnüren, »das die finanziell­en Möglichkei­ten der Länder und wesentlich­e Forderunge­n der Gewerkscha­ften zusammenbr­ingt«. Die Verweigeru­ngshaltung der GEW könne er nicht verstehen, umso mehr danke er ver.di und dem dbb für ihre Kompromiss­bereitscha­ft.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Die Gewerkscha­ft der Lehrer will den Tarifabsch­luss ablehnen, weil er Ungleichhe­it zementiert.

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