Keine Auskunft unter dieser Nummer
Dresdner Dokumentationsstelle über sowjetische Kriegsgefangene vor dem Aus?
Im 70. Jahr nach der Befreiung vom Faschismus ist die Arbeitsfähigkeit der Dokumentationsstätte der Stiftung sächsische Gedenkstätten in Dresden ernsthaft in Frage gestellt. Es geht ums Geld.
Die Dokumentationsstätte der Stiftung sächsische Gedenkstätten verfügt über die umfangreichste Kartei sowjetischer Kriegsgefangener. 25 Jahre haben nach Angaben von Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung, die Mitarbeiter des Hauses an der Bearbeitung von »zehn- wenn nicht hunderttausend Karteikarten der Wehrmacht« gearbeitet. Sie können Auskunft geben über das Schicksal von mehr als drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die zwischen 1941 und 1945 in den Lagern der Wehrmacht um Leben gekommen sind. Von 3,3 Millionen, die »an Hunger, Kälte, Krankheiten, Zwangsarbeit zugrunde gingen oder durch massenhafte Erschießungen getötet wurden«, sprach unlängst der Bundestagsabgeordnete Jan Korte (LINKE) in einem Gastbeitrag dieser Zeitung.
3,3 Millionen – das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Schleswig-Holstein, Bremen und dem Saarland zusammen. Die Gefangenen wurden nach der Order behandelt, die Hitler am 30 März 1941 vor 250 Offizieren ausgegeben hatte. »Wir müssen vom Standpunkt des soldatischen Soldatentums abrücken«, hatte er nach Notizen von Generaloberst Franz Halders ausgeführt. »Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad.«
Nachfragen der Angehörigen aus Russland, der Ukraine und Belarus etwa über die Grabstätten konnten von der Dokumentationsstelle in Dresden beantwortet werden. Aus dem Forschungsprojekt habe sich ergeben, sagte Reiprich dem MDR »dass noch viele Schicksale ungeklärt sind, nicht nur die Deutschen«. Aber seit Jahresanfang gibt es keine Auskünfte auf die Mails und Telefonanfragen mehr aus dem Informationszentrum, das bis zu fünf Mitarbeiter betreut haben. Es ist kein Geld mehr da.
Nach mehrfacher Verlängerung sei das vom Bund finanzierte Projekt Ende 2014 endgültig ausgelaufen, heißt es in einem MDR-Bericht. Der Stichtag sei seit mehreren Jahren bekannt gewesen; genug Zeit, um zu klären, wie die Auskunft danach weiter bezahlt wird. Doch die zuständige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hält die »ursprünglichen Projektziele für erreicht«, steht auf der Stiftungshomepage. Es sei ein »Unding«, die Auskunftsarbeit zum 70. Jahrestag des Kriegsendes einzustellen, meint Reiprich. Trotz der Konflikte zwischen EU und Russland müsse »diese humanitäre Hilfe geleistet werden«, solange es noch Menschen gibt, die nach ihren in deutschen Lagern umgebrachten Angehörigen suchen.
Derzeit wird versucht, mit einer Beteiligung des Landes Sachsen ab 2016 eine Stelle zu schaffen. Wird keine tragfähige Übergangslösung gefunden, heißt es auch weiterhin auf Deutsch und Russisch auf der Homepage, dass die Dokumentationsstelle »bis auf Weiteres keine Auskünfte mehr zu sowjetischen Kriegsgefangenen geben kann«.
Nachfragen der Angehörigen aus Russland, der Ukraine und Belarus etwa über die Grabstätten konnten von der Dokumentationsstelle in Dresden beantwortet werden.