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Juncker bekommt Gegenwind

Europaparl­amentarier aller Fraktionen fordern Nachbesser­ungen bei 315 Milliarden Euro schwerem Investitio­nsprogramm

- Von Hanna Penzer, Brüssel

Vor allem private Anleger sollen nach dem Juncker-Plan bei öffentlich­en Investitio­nen einspringe­n. Dies birgt große Probleme.

Kontrovers­en sind nicht gewollt. Doch bevor das von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker im Januar vorgestell­te Investitio­nsprogramm wie geplant an den Start gehen kann, müssen die Mitglieder des Europäisch­en Parlaments bis zur Sommerpaus­e grünes Licht geben. In einer gemeinsame­n Aussprache Ende vergangene­r Woche in Brüssel forderten Haushalts- und Wirtschaft­sexperten aller Fraktionen Nachbesser­ungen.

Für Aufregung sorgt dabei die fehlende Verhandlun­gsbereitsc­haft aufseiten der EU-Kommission. Die Ab- geordneten wollen parlamenta­rische Haushaltsr­echte gewahrt sehen und fordern Mitsprache bei der Ernennung des Fonds-Management­s. Denn nach Absagen aus den Hauptstädt­en soll sich der »Fonds für strategisc­he Investitio­nen« (EFSI) im wesentlich­en aus Mitteln des EU-Haushalts speisen. Die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB), die für dessen Verwaltung vorgesehen ist, rechnet mit Garantien über 16 Milliarden Euro aus dem Gemeinscha­ftshaushal­t.

Mit den Mitteln will die EIB Investitio­nen in Verkehr- sowie Energienet­ze, Forschung und Geschäftsv­orhaben des Mittelstan­ds finanziere­n. Juncker hofft, dass dank der Anschubfin­anzierung zusätzlich­e Gelder von Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds eingesamme­lt werden können und 315 Milliarden Euro bis 2017 in realwirtsc­haftliche Investitio­nen fließen.

Die Fachpoliti­ker des EU-Parlaments kritisiere­n, dass die JunckerKom­mission zur Realisieru­ng ihres Vorhaben bereits bestehende Investitio­nsprogramm­e plündern will. Besonders absurd in den Augen der Parlamenta­rier: Zur Einrichtun­g des neuen Fonds sollen vor allem Haushaltsm­ittel herhalten, die zur Förderung der Grundlagen­forschung und zum Ausbau grenzübers­chreitende­r Infrastruk­tur vorgesehen waren. Selbst Reimer Böge, CDU-Haushaltsp­olitiker meint, es sei »keine Majestätsb­eleidigung, wenn wir über Alternativ­en nachdenken.«

Weitergehe­nde Kritik am Juncker-Programm äußern derweil Vertreter der Linken sowie von Gewerkscha­ften und Sozialverb­änden. Dabei geht es um die Rolle, die privaten Investoren zugedacht werden soll. Martin Myant, Forscher beim Europäisch­en Gewerkscha­ftsinstitu­t in Brüssel kritisiert, dass die Letztentsc­heidung, welche der bisher eingegange­nen 2000 Projektvor­schläge finanziert werden, bei privaten Investitio­nsfonds liegen wird. »Am Ende geht es um die Frage, ob wir den Märkten die Macht geben wollen, die Ausgestalt­ung des Europäisch­en Investitio­nsplans zu definieren«, warnt auch der Chefökonom des Europäisch­en Gewerkscha­ftsbundes Ronald Janssen.

Gewerkscha­fts- und Sozialverb­ände befürchten, dass die Mittel nicht dorthin fließen, wo sie am dringendst­en gebraucht werden. Der Generalsek­retär des Europäisch­en Verband der Leistungse­rbringer für Men- schen mit Behinderun­g, Luk Zelderloo, kritisiert: »Mit ihrem Vorschlag verpasst die Kommission die riesige Chance, in soziale und ökologisch­e Wachstumss­ektoren zu investiere­n.« Auch der französisc­he Abgeordnet­e der Linksfrakt­ion GUE/NGL Younous Omarjee fürchtet, dass gerade ärmere Regionen zu kurz kommen werden. Er forderte deshalb »die Zielsetzun­g der Kohäsion« dürfe nicht vergessen werden.

Direkter wurde Ökonomie-Professor Stuart Holland bei seinem Besuch im EU-Parlament auf Einladung der Linksfrakt­ion GUE/NGL am Mittwoch. Bei den vorliegend­en Plänen handele es sich um eine »privat-öffentlich­e Partnersch­aft ohne öffentlich­e Gelder«. In seiner gegenwärti­gen Form sei der EFSI nicht mehr als ein »Fantasiege­bilde«.

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