Grünzug durchs Altneubau-Quartier
Die Bundesgartenschau könnte dem herben Charme der Industriestadt Premnitz gut tun
Wenn am 18. April die Bundesgartenschau öffnet, dann ist einer ihrer erstmals fünf verschiedenen Standorte entlang der Havel Premnitz. Für die alte Chemiestadt ist die BUGA Bereicherung und Chance.
Es ist die Weite der Auenlandschaft jenseits der Havel – der Blick über den Naturpark Westhavelland verschlägt einem den Atem, wenn man in zehn Metern Höhe auf der Plattform des neuen Aussichtsturms steht. »Der Turm ist unsere Hauptattraktion hier in Premnitz«, sagt BUGA-Pressesprecherin Amanda Hasenfusz. Durch Umbau einer Pumpstation entstanden, mit einer soliden Treppenanlage und einem Lift ausgestattet, fehlt hier nur noch das Fernrohr, mit dem man weit ins Land schauen kann.
Damit Naturschutz und Besucherinteresse nicht miteinander kollidieren, arbeiten hier der BUGA-Zweckverband und der Naturschutzband NABU eng und gedeihlich zusammen. Und die Sprecherin betont: »Der Aussichtsturm wird den Premitzern und den vielen Naturfreunden, die hierher kommen, auch nach der Bundesgartenschau erhalten bleiben.«
Die Bundesgartenschau 2015 Havelregion bricht mit alten Gewohnheiten. Unter dem Motto »Von Dom zu Dom – das blaue Band der Havel« findet diese Schau nicht wie bisher auf einem in sich geschlossenen Areal statt. Vielmehr sind fünf Standorte in zwei Bundesländern beteiligt – auf 80 Kilometern Länge durch die Havel verbunden in Brandenburg/Havel, Premnitz, Rathenow und Stölln im Land Brandenburg und in Havelberg in Sachsen-Anhalt. Vom 18. April bis zum 11. Oktober werden, so hofft man, 1,5 Millionen Menschen die BUGA-Schauen in der Region besuchen.
Von den 53 Hektar Gesamtfläche findet der Besucher in Premnitz ganze 3,3 Hektar vor, verteilt auf den Grünzug, der sich vom Eingang beim Bahnhof und an der B 102 zwischen farbenfroh modernisierten Altneubauten bis zur Havel zieht, und die Uferpromenade. »Die dezentralen Schauen sind eher klein, aber fein«, verspricht die Sprecherin. »Für botanisch Interessierte bietet Premnitz aber ganz sicher viele Raritäten.«
Am Havelufer befand sich vor Jahren noch der Kohlehafen des Industriereviers. Schon anlässlich der Landesgartenschau 2006 im nahen Rathenow war das Ufer neu gestaltet worden, die schmucke Promenade ist auch bei Ausflüglern, Radlern und Wassersportlern beliebt. Die majestätische Skulptur der »Galliarde« des Bildhauers Volker Roth, die seither am Anleger steht, ist Teil eines Skulpturenpfades zur Stadtgeschichte.
Für die Dauer der Schau ist die Uferpromenade eingezäunt worden, derzeit bevölkern Gärtner das Areal, die die Schollenbeete entlang der Wege bepflanzen. Die Bühne, ein temporärer Leichtbau, dessen Form an die gotischen Domfenster in Brandenburg und Havelberg erinnert, steht bereits, ebenso der Imbisspavillon. Das bezaubernde Auenwäldchen direkt am Ufer wartet noch auf seinen Knüppeldamm. Im neu angelegten Teil der Promenade entstehen auf Wunsch vieler Premnitzer Bürger Großspielfelder für Schach oder »Mensch ärgere Dich nicht«. Der deutsch-französische Verein erhält eine Boule-Anlage, gesäumt von sechs Platanen aus Frankreich. Den Spielern ist ihr Dauerpublikum sicher – die Balkone der Anwohner jenseits des Zauns liegen nur eine Wäscheleinenlänge entfernt. Am Ende der Promenade hat der städtische Bootsverein die Zeichen der Zeit erkannt und seinen kleinen Hafen baulich und mit frischen Farben auf Wassertouristen aller Art eingestellt.
Am Grünzug, etwa in der »Bunten Mitte«, wird gepflanzt, gesteckt und geschnitten, der neue Brunnen in Sichtweite des Rathauses trägt noch einen Witterungsschutz, denn er wird dauerhaft bleiben. Das würde man auch dem Bereich der Tagesgärten und des temporären Info-Zentrums »Grüne Küche« wünschen, der sich in eine fast schon anheimelnde Piazza verwandelt hat. Doch hier will die Stadt nach der BUGA ein Gesundheitszentrum bauen lassen – wegen der kurzen Wege ins Wohngebiet.
Premnitz, seit 1962 Stadt, ist nicht nur architektonisch von rund 100 Jahren Chemieindustrie geprägt. Der Standort des einstigen Chemiefaserkombinats trägt schwer an den Folgen des Zusammenbruchs der alten Industrie und des demografische Wandels. Von einst 13700 Einwohnern sind noch 8400 übrig. Da war es ein starkes Bekenntnis zu dieser Stadt, dass der Zweckverband Bundesgartenschau seinen Sitz 2009 im daniederliegenden Industriepark nahm. Im Verwaltungsbau der alten Pulverfabrik, wo später die IG-Farben und dann das DDR-Kombinat obwalteten. Ein gutes Stück Hoffnung.