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Die freiwillig­en Hüter der Grenzen

Bei der Vermessung setzt Bayern noch auf Siebener

- Von Christiane Gläser, Haßfurt dpa/nd

Dieter Multerer hat eine Mission: Er soll einen Grenzstein sichern. Dafür rücken er und weitere Männer mit Zollstock, Maßband und einem Lot an. Sie messen genau den Abstand des Steines zur nächsten Wand und zum nächsten Bordstein und machen eine akkurate Skizze. Multerer und die anderen sind seit kurzem Feldgeschw­orene – die Hüter der Grenzen im Freistaat Bayern. Sie sichern und bewahren Grenzstein­e und markieren – sichtbar und unsichtbar – Grundstück­sgrenzen. Im unterfränk­ischen Haßfurt lernen die Männer, was bei dieser ehrenamtli­chen Arbeit auf sie zukommt.

Feldgeschw­orene, Siebener, Märker, Untergänge­r, Feldscheid­er – die Bezeichnun­gen für das älteste noch erhaltene Ehrenamt der kommunalen Selbstverw­altung sind vielfältig. Etwa 24 000 Männer und Frauen sind dem bayerische­n Finanzmini­sterium zufolge für dieses Amt derzeit vereidigt, vor allem in Franken. Das ist in dieser Form und Ausprägung deutschlan­dweit einmalig. Im Rest der Bundesrepu­blik ist meist schon das Wort unbekannt.

In Baden-Württember­g beispielsw­eise gibt es zwar Messgehilf­en, aber deren Arbeit sei nicht vergleichb­ar mit diesem traditions­reichen Ehrenamt, heißt es aus dem Landesamt für Geoinforma­tion und Landentwic­klung. In Niedersach­sen ist diese Art der Hilfe gänzlich unbekannt. Im westlichen Rheinland-Pfalz gibt es noch einige Feldgeschw­orene, die die Grenzstein­e sichern und erhalten.

»Dass es so bürokratis­ch sein wird, hätte ich nicht gedacht.«

Dieter Multerer In Thüringen ist das Amt vor zwei Monaten aufgegeben worden.

Aufgekomme­n im frühen 19. Jahrhunder­t, war es stets ein geschätzte­s Amt. Noch heute kann man sich nicht bewerben, sondern wird berufen. Wer das Amt annimmt, hat es auf Lebenszeit. Früher wurde diese Arbeit innerhalb der Familie weitergebe­n. Der 64 Jahre alte Erich Brohm hat sie vor mehr als zehn Jahren von seinem Vater übernommen. »Es ist schon eine Ehre. Man muss immer ehrlich sein und verantwort­ungsbewuss­t handeln«, sagt er. Und man muss jahrhunder­tealte Geheimniss­e bewahren.

»Es ist schon interessan­t, wenn man Dinge wieder ins rechte Lot bringen muss. Es weckt den Ehrgeiz«, sagt Multerer. Abgesehen davon ist das Amt aber auch mit vielen Formularen und Protokolle­n verbunden. »Dass es so bürokratis­ch sein wird, hätte ich nicht gedacht. Aber das macht man ja auch nur alle paar Jahre mal.«

Der Jagdpächte­r kennt sich gut in der Region rund um Königsberg in Bayern aus. Etwa einmal im Jahr muss er nun Grenzen vermessen. Vermessung­stermine seien in der ländlichen Region selten, erklärt er. Das komme höchstens mal bei Dorferneue­rungen vor. Auch Grenzstrei­tigkeiten schlichten die Feldgeschw­orenen immer seltener. Das Land ist längst eindeutig vermessen und in digitaler Form festgehalt­en.

Für die bayerische­n Vermessung­sämter haben die Siebener aber noch immer einen wichtigen Vorteil: »Sie sind nötig, um bei Abmarkunge­n mitzuwirke­n und kostengüns­tig Grundstück­svermessun­gen durchführe­n zu können«, sagt Gerhard Hartmann. Er ist der Leiter des Schweinfur­ter Amtes für Vermessung. Er bildet die »Neuen« aus. Ohne die Feldgeschw­orenen wäre deutlich mehr Personal in den Vermessung­sämter nötig, meint er.

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