nd.DerTag

Politisch in die Feiertage

Freitags Woche

- Von Jan Freitag

Es gibt viele Sender, die Probleme haben, ihr Programm sinnvoll zu füllen, deshalb aber nicht das Testbild aus der Mottenkist­e holen. Das Erste hat sie seltener als, sagen wir: RTL, was auch daran liegt, dass es wichtigere­s Weltgesche­hen zeigt, von dem es leider zu viel Ungutes gibt. Am Dienstag aber folgten auf elf Minuten Flugzeugab­sturz in der »Tagesschau« 45 weitere als »Brennpunkt«, die dem zuvor Gezeigten nichts hinzufügte­n – mal abgesehen von weinenden Angehörige­n, die unablässig rangezoomt wurden.

Täglich verrecken weltweit Abertausen­de am Irrsinn globaler Ungerechti­gkeit, doch in die Nachrichte­n schaffen sie es nur als Opfer von Katastroph­en jeder Art. Offenbar sind wir nur zur Empathie für Fremde in der Lage, wenn sie abrupt sterben. Dann haben Krisen Pause, das ZDF setzt die »heute show« ab, RTL sein Absturz-Event »Starfighte­r« und wer weiß, ob McDonalds Chicken Wings von der Speisekart­e streicht. Verlogener als im Unglücksfa­ll zeigt sich die Medienbran­che selten.

Und weil man das bloß zynisch übersteht, schalten wir auf das, was Fernsehen an all den anderen Tagen globalen Unglücks am liebsten zeigt: Unterhaltu­ng. Weihnachte­n 2016 lässt RTL Winnetou auferstehe­n, mit Wotan Wilke Möhring als Shatterhan­d. Schon für diesen Herbst indes plant man ein »journalist­isches Format« für Margarethe Schreinema­kers. Und dann dreht der US-Sender Fox nach 13 Jahren Werbepause auch noch sechs neue Folgen »Akte X«. Na, wenn einem sonst nix einfällt ...

Das kann man auch zu Felicitas Woll sagen: Fee, schau doch am Anfang eines Filmes voll süß, dann doll betroffen, später kämpferisc­h, zuletzt wieder süß – fertig ist die Dramaqueen als Opfer häuslicher Gewalt im Sat.1-Melodram »Ich habe ihn doch geliebt« (31.3.). Diese Art Betroffenh­eitsporno taugt allenfalls als Kontrastpr­ogramm zum ARDMittwoc­hsfilm (1.4.). Dort hat Philipp Kadelbach mit Stefan Kolditz den DEFA-Klassiker »Nackt unter Wölfen« neu und sehenswert verfilmt (siehe Besprechun­g auf Seite 15). Dazu die ebenfalls sehenswert­e Buchenwald-Doku im Anschluss – fabelhaft!

Was auch für »Grzimek« gilt, der Karfreitag im Ersten aufsteht. Dank Ulrich Tukur in der Titelrolle wird der nette Tieronkel von früher nicht nur lebendig; er kriegt ein paar Dellen, von denen unsere Eltern nichts wissen wollten. Seine Nazi-Vergangenh­eit oder dass er bei aller Tierliebe menschlich eher schwierig war und wenig rechtsgläu­big. Das hat er mit Helmut Kohl gemein, den die ARD am 30.3. an der Seite seines Mit- und Gegenspiel­ers Heiner Geißler porträtier­t, was für beide nur bedingt schmeichel­haft ist, fürs Publikum aber erhellend.

Wie der »Themenaben­d Fleisch«, mit dem Arte am 31.3. zeigt, was für einen Dreck sich die Masse der Konsumente­n reinschauf­elt. Und auch fiktional wird es politisch, hochpoliti­sch sogar. Passend zu Netanjahus Wiederwahl handelt Navad Lapids preisgekrö­ntes Drama »Der Polizist« (Arte, 30.3.) vom Riss durch Israel im Sog des Palästinen­serkonflik­ts.

 ?? Foto: Arte/Bodega Films ?? Heute auf Arte: »Der Polizist«. Yaron (Yiftach Klein, li.) und Ariel (Gal Hoyberger, re.) sind Mitglieder einer Eliteeinhe­it der israelisch­en Polizei. Sie halten zusammen wie Brüder, um der Brutalität, die ihnen begegnet, die Stirn zu bieten.
Foto: Arte/Bodega Films Heute auf Arte: »Der Polizist«. Yaron (Yiftach Klein, li.) und Ariel (Gal Hoyberger, re.) sind Mitglieder einer Eliteeinhe­it der israelisch­en Polizei. Sie halten zusammen wie Brüder, um der Brutalität, die ihnen begegnet, die Stirn zu bieten.

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