Politisch in die Feiertage
Freitags Woche
Es gibt viele Sender, die Probleme haben, ihr Programm sinnvoll zu füllen, deshalb aber nicht das Testbild aus der Mottenkiste holen. Das Erste hat sie seltener als, sagen wir: RTL, was auch daran liegt, dass es wichtigeres Weltgeschehen zeigt, von dem es leider zu viel Ungutes gibt. Am Dienstag aber folgten auf elf Minuten Flugzeugabsturz in der »Tagesschau« 45 weitere als »Brennpunkt«, die dem zuvor Gezeigten nichts hinzufügten – mal abgesehen von weinenden Angehörigen, die unablässig rangezoomt wurden.
Täglich verrecken weltweit Abertausende am Irrsinn globaler Ungerechtigkeit, doch in die Nachrichten schaffen sie es nur als Opfer von Katastrophen jeder Art. Offenbar sind wir nur zur Empathie für Fremde in der Lage, wenn sie abrupt sterben. Dann haben Krisen Pause, das ZDF setzt die »heute show« ab, RTL sein Absturz-Event »Starfighter« und wer weiß, ob McDonalds Chicken Wings von der Speisekarte streicht. Verlogener als im Unglücksfall zeigt sich die Medienbranche selten.
Und weil man das bloß zynisch übersteht, schalten wir auf das, was Fernsehen an all den anderen Tagen globalen Unglücks am liebsten zeigt: Unterhaltung. Weihnachten 2016 lässt RTL Winnetou auferstehen, mit Wotan Wilke Möhring als Shatterhand. Schon für diesen Herbst indes plant man ein »journalistisches Format« für Margarethe Schreinemakers. Und dann dreht der US-Sender Fox nach 13 Jahren Werbepause auch noch sechs neue Folgen »Akte X«. Na, wenn einem sonst nix einfällt ...
Das kann man auch zu Felicitas Woll sagen: Fee, schau doch am Anfang eines Filmes voll süß, dann doll betroffen, später kämpferisch, zuletzt wieder süß – fertig ist die Dramaqueen als Opfer häuslicher Gewalt im Sat.1-Melodram »Ich habe ihn doch geliebt« (31.3.). Diese Art Betroffenheitsporno taugt allenfalls als Kontrastprogramm zum ARDMittwochsfilm (1.4.). Dort hat Philipp Kadelbach mit Stefan Kolditz den DEFA-Klassiker »Nackt unter Wölfen« neu und sehenswert verfilmt (siehe Besprechung auf Seite 15). Dazu die ebenfalls sehenswerte Buchenwald-Doku im Anschluss – fabelhaft!
Was auch für »Grzimek« gilt, der Karfreitag im Ersten aufsteht. Dank Ulrich Tukur in der Titelrolle wird der nette Tieronkel von früher nicht nur lebendig; er kriegt ein paar Dellen, von denen unsere Eltern nichts wissen wollten. Seine Nazi-Vergangenheit oder dass er bei aller Tierliebe menschlich eher schwierig war und wenig rechtsgläubig. Das hat er mit Helmut Kohl gemein, den die ARD am 30.3. an der Seite seines Mit- und Gegenspielers Heiner Geißler porträtiert, was für beide nur bedingt schmeichelhaft ist, fürs Publikum aber erhellend.
Wie der »Themenabend Fleisch«, mit dem Arte am 31.3. zeigt, was für einen Dreck sich die Masse der Konsumenten reinschaufelt. Und auch fiktional wird es politisch, hochpolitisch sogar. Passend zu Netanjahus Wiederwahl handelt Navad Lapids preisgekröntes Drama »Der Polizist« (Arte, 30.3.) vom Riss durch Israel im Sog des Palästinenserkonflikts.